revolution burkina faso

von Jan-Christoph Gockel

30. Oktober 2014.

morgens

maschieren die menschen die menschen maschieren zum zentrum schon in der nacht waren sie da mit blasintrumenten und trillerpfeifen zu hunderten zu tausenden strömen sie zum platz der nation maschieren tanzen und an jeder größeren kreuzung stecken sie etwas in brand sie sind keine chaoten alles top organisiert straff könnte man sagen mit klarem ziel

patrick ruft PASST AUF EUCH AUF einer antwortet WARUM DENN? ES GEHT DOCH NUR UM EINE KÜNDIGUNG kündigen wollen sie ihren präsidenten der seit 27 jahren das amt inne hat das amt an sich gerissen hält durch tricks durch winkelzüge und verfassungsänderungen und nun sollte ein referendum ihm die wiederwahl nächstes jahr und eine dritte amtszeit ermöglichen schlimmstenfalls werden da 15 weitere jahre draus das kann einem hier jedes kind erklären um was es geht (wir hören von dörfern wo es an strom und elektrizität aber nicht an informationen mangelt und im dorfzentrum wird debattiert) EIN VOLK ERHEBT SICH sagt gerhardt unter tränen DAS HATTE HEUTE MORGEN EINE UNGLAUBLICHE SCHÖNHEIT als die erste große „manifestation" stattfand und er erzählt von einem alten mann der mit zweigen den boden gefegt hat als manifest der manifestation ER SÄUBERT SEIN LAND eine friedliche erhebung ein volksfest

mittags

ein paar stunden später brennt in ouaga das parlamentsgebäude in dem die abstimmung hätte stattfinden sollen das staatsfernsehn gestürmt über der stadt eine rauchsäule schwarz ES GEHT LOS denke ich als gerhardt aus dem stadtzentrum anruft das auswärtige amt meldet sich wir sollen das haus nicht verlassen neugier und angst EIN DIKTATOR ABER STABILITÄT sagt einer ein anderer AUF IN DIE INNENSTADT... AUF KEINEN FALL alle anderen

wir gehen proben

nachmittags

gehen gerüchte um der präsident den hier keiner so nennt BLAISE wird er genannt nicht aus vertrautheit sondern aus respektlosigkeit BLAISE SOLL WEG nun soll er weg sein nach ghana oder marokko – wie einst mobutu – die kinder aus der nachbarschaft sagen blaise wäre in einem hubschrauber nach frankreich geflogen

abends

feiern die menschen ihren sieg und wir spielen heute abend theater: premiere COLTAN FIEBER ein stück über das coltan-erz und seine reise in unsere mobiltelefone bühnenbild steht tribühne steht – beim festival wird in innenhöfen im gounghin-viertel gespielt unter freiem himmel – die schauspieler sind heiß WAS FÜR EIN TAG sagt gianni dann alles annuliert absage ab nach hause ausgangssperre keine premiere volksaufstand das parlament aufgelöst die regierung aufgelöst flughafen dicht militärputsch heißt es übergangsregierung AB NACH HAUSE rufen uns die menschen auf der straße zu wir machen eine premierenfeier ohne premiere in unserem haus riesen stimmung laurenz singt jedes lied das er kennt – mindestens zwei mal

nachts

trauen wir uns noch mal auf die straße treffen etienne den festivalleiter der sagt dass blaise nicht im ausland ist er hat sich zu wort gemeldet will 2015 ganz sicher abtreten hoch und heilig versprochen ICH HABE DIE ZEICHEN VERSTANDEN aber bis dahin an der spitze einer übergangsregierung bleiben – DAS WIRD DIE BEVÖLKERUNG NICHT AKZEPTIEREN freut sich etienne auf der festival-straße die ich noch nie so leer gesehen habe zwei soldaten gehen vorbei aber die wollen nur zigaretten

 

31. Oktober 2014.

mittags

kommt die nachricht dass blaise nicht mehr im amt ist menschen stecken ihre köpfe über radios zusammen es gibt in der festival-kantine eine kurze ansage dann jubel gesang ein mädchen weint ER IST WEG ich klatsche mit DAS IST DAS ENDE DER DIKTATUR gesang ich gratuliere den burkinabes wir sind mit dabei und doch nur zuschauer bei diesem spektakel befreiung befreiung der gegner ist aus dem weg geräumt die meisten straßensperren in der stadt ebenso man kommt mit dem taxi wieder durch das parlament wird immer noch geplündert - ich sehe menschen die fensterrahmen rausschleppen am platz der revolution der früher schon mal so hieß dann unter blaise platz der nation jetzt seit heute wieder platz der revolution steigen wir kurz aus eine riesen party

abends

spielen wir tatsächlich vor vollem haus (oder besser vor vollem innenhof) danach gleich nach hause anscheinend doch wieder ausgangssperre wir sitzen wieder im haus heute alles ganz still die große party war gestern heute sind alle nachdenklich blaise ist weg aus dem weg geräumt die menschen haben sich befreit was kommt jetzt?

 

Jan-Christoph Gockel, 1982 in Gießen geboren, ist Regisseur. Er studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Frankfurt sowie Regie an der Hochschule Ernst Busch in Berlin. Er befindet sich derzeit mit dem Freien Schauspiel Köln beim "Festival Récréâtrales" in Ouagadougou / Burkina Faso.

Kommentare  
Bericht aus Burkina Faso: Erklärungsbedarf
Dass der Deutsche an vorderster Front gleich "die Revolution" - ein Erlösungsmoment deutscher Mentalität - (t)wittert, ist zumindest erklärungsbedürftig!
Bericht aus Burkina Faso: wie von Falk Richter
Liest sich wie von Falk Richter geschrieben.
Bericht aus Burkina Faso: Punktsetzung
Was hat Gockel eigentlich gegen lesefreundliche Punktsetzung? Will er gar nicht gelesen werden?
Bericht aus Burkina Faso: weder Inhalt noch Form
Immer interessant, wenn jemand grad an einem Ort sitzt, von dem es etwas zu erzählen gibt. Schön, wenn er dann auch zu erzählen weiß. Aber dieses manierierte (...) hat weder Inhalt noch Form. Peinliches Popgeschreibsel der Sorte "Briefe an meine Fans". Ärgerlich.
Bericht aus Burkina Faso: Heiner-Müller-Kopie?
Wollte Gockel vielleicht auch ein bisschen Heiner Müller nachmachen?:

"Die Dekoration ist ein Denkmal. Es stellt in hundertfacher Vergrößerung einen Mann dar, der Geschichte gemacht hat. Die Versteinerung einer Hoffnung. Sein Name ist auswechselbar. Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt. […]. Auf den Sturz des Denkmals folgt nach einer angemessenen Zeit der Aufstand. Mein Drama, wenn es noch stattfinden würde, fände in der Zeit des Aufstands statt. Der Aufstand beginnt als Spaziergang."
Bericht aus Burkina Faso: Interpunktion
Der Bericht hätte sich womöglich spannend lesen können. Was soll diese Mißachtung der Interpunktion? Wer ist schuld? Facebook, Twitter und Konsorten? Schade.
Bericht aus Burkina Faso: verständliche Angst
Wenn der Text geholfen hat, mit der eigenen verständlichen Angst umzugehen, war er für etwas gut. Für eine Außenstehende wie mich, die auf Eindrücke aus BF gehofft hatte, die abseits der Mainstreammedien ein Bild zeichnen, wirkt er etwas arg eitel.
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