Die Burgtheater-Doyenne

Baden, 26. November 2014. Annemarie Düringer, Ehrenmitglied des Burgtheaters und Trägerin des Alma-Seidler-Ringes, ist an ihrem 89. Geburtstag verstorben. "Annemarie Düringer verkörperte im Haus am Ring die Verbindung von Tradition und Moderne – sie spielte bereits im Nachkriegsexil der Burg, im Ronacher, und sie war die Erste, nach der Peter Zadek fragte, als er das erste Mal am Burgtheater inszenierte", so Burgtheater-Intendantin Karin Bergmann in einer Pressemitteilung.

Düringer wurde in Arlesheim in der Schweiz geboren, als Tochter eines Industriellen. Nach dem Abschluss der Ausbildung an einer Berner Handelsschule nahm sie 1946 in Bern und Paris Schauspiel-Unterricht bei René Simon und setzte ihre Ausbildung ab 1947 zwei Jahre lang am Wiener Max-Reinhardt-Seminar fort.

Von Fritz Kortner bis John Malkovich

Seit 1949 war sie Ensemblemitglied des Burgtheaters. In über 70 Rollen arbeitete sie unter anderen mit Regisseuren wie Oscar Fritz Schuh, Fritz Kortner, Walter Felsenstein, Leopold Lindtberg, Bernhard Wicki, Peter Hall, Peter Wood, Hans Neuenfels, Hans Lietzau, Thomas Langhoff, Peter Zadek und Claus Peymann, bei dem sie auch in der skandalisierten Uraufführung von Thomas Bernhards "Heldenplatz" auf der Burgtheater-Bühne stand.

Daneben gastierte sie an anderen Theatern und spielte in Filmen in England, den USA, Deutschland, der Schweiz und Österreich unter anderen mit Hans Albers und John Malkovich. 1992 gab sie am Wiener Theater in der Josefstadt ihr Debut als Regisseurin mit James Saunders' "Bessere Zeiten". 2001 wurde sie zur Burgtheater-Doyenne ernannt.

(mw / jnm)

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Annemarie Düringer: Bewahrerin des Schönen
Ihre Bandbreite reichte von der klassische Texte in Sinn, Transparenz und Verständlichkeit zeigen könnenden Burgschauspielerin über die sich modernen Schriftstellern ebenso gekonnt und engagiert annähernden uneitlen Darstellerin bis zur Fassbinder Film- und TV Schauspielerin. Bewahrerin des Schönen und mutige Vorkämpferin gleichzeitig. Nichts ausgrenzend.
Annemarie Düringer: Präzisionsarbeiterin
Ich habe in den 1990ern zweimal den "Peer Gynt" in der Inszenierung von Claus Peymann an der Burg gesehen, mit Ulrich Mühe in der Titelrolle. Das erste Mal dürfte die zweite oder dritte Vorstellung gewesen sein, jedenfalls spielte Annemarie Düringer nicht wie vorgesehen die Rolle der Aase, weil sie sich bei der Premiere verletzt hatte. Statt ihrer sprang - meiner Erinnerung nach ohne wirkliche Probe - Jutta Wachowiak ein, die die Aase gerade am Deutschen Theater Berlin spielte (mit Daniel Morgenroth als Peer). Jutta Wachowiak und Mühe kannten sich natürlich vom DT her gut, und beider Improvisationstalent ließ der Komödiantik die Zügel schießen.

Ungefähr ein Jahr später habe ich Annemarie Düringer dann doch noch als Aase erlebt - und es war beeindruckend zu sehen, wie anders die Rolle bei ihr angelegt war (was nicht im mindestesn gegen die fulminante Spontaneität von Jutta Wachowiak im Jahr davor sprechen soll). Sie hat der Figur die Komik nicht ausgetrieben, doch die Komik war leiser, inniger, zurückgenommener. Und Annemarie Düringer war sehr genau, so dass sich auch das Spiel Ulrich Mühes in den entsprechenden Szenen änderte. Die beiden (die, wenn ich nichts übersehe, nur in diesem "Peer Gynt" gemeinsam auf der Bühne standen) boten - gegenüber dem explodierenden Improvisationsfuror zwischen Mühe und Wachowiak - ein ganz fein ausziseliertes Spielwerk der Komik mit sehr intimen Noten dar - und das, obwohl Düringer und Mühe aus sehr verschiedenen Schauspieltraditionen kamen. Es war ein Fest der präzisen, ohne jeden Aplomb eingesetzten darstellerischen Mittel, eine Feier auch des ausbalancierten Zusammenspiels. Hätte ich sie nur als Aase gesehen (und nicht auch in "Iwanow" oder "Rosmersholm"), so wäre mir Annemarie Düringer allein hierdurch unvergesslich. Was für ein Verlust!
Annemarie Düringer: Theater und Leben
Ich hatte die Ehre, die Freude, Frau Düringer vor einigen Jahren kennen lernen zu dürfen. Man konnte sich wunderbar mit ihr über das Leben mit und ohne Theater unterhalten. Leider habe ich sie zu selten auf der Bühne erleben dürfen und nur den Fassbinder- Film über veronika Voss mit ihr gesehen. Ich werde sie nicht vergessen. Wolf-dietrich Sprenger
Annemarie Düringer: von innen her
Dank an Wolfgang Behrens für die sehr genaue und geradezu erlebbare Beschreibung seiner Wiener Peer-Gynt-Erlebnisse! Ja, Annemarie Düringer war eine ganz besondere Schauspielerin, die ihre Figuren von innen her entwickelte und so wahrhaft groß machte!
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