Stahlhelmträger, vortreten!

Berlin, 10. Dezember 2014. Dietmar Wischmeyer, der Oberhumorikus des Berliner Hochkulturadios "nur für Erwachsene" radio eins, wettert in seiner beliebten und belächelten Mittwochs-Rubrik "Wischmeyers Schwarzbuch" heute gegen das Subventionstheater, das ihm als "Zecke im Fell der Kommune" erscheint.

wehrmacht stahlhelm 280Sein Eindruck aus der Bühnenwelt geht so: "Auf den Brettern, die das Geld verbrennen, hat wieder mal ein Nackter mit Wehrmachtsstahlhelm versucht, dem Theater etwas Tabubruch abzuringen". Wir rätseln: Welche Inszenierung hat Dietmar Wischmeyer gesehen? Castorfs Malaparte-Kriegsspiel Kaputt an der Volksbühne? Oder Leander Haußmanns Woyzeck am Berliner Ensemble? Alle kommunalen Zecken, bitte Bescheid geben!

(Christian Rakow)

Kommentare  
Blog kommunale Zecken: Laus im Flauschefell
Und das von einer prominenten Laus im flauschigen Fell des öffentlichrechtlichen Rundfunks? - Da bin ich aber gespannt, was für bemühte Formulierungen er bald in eigener Sache zustande bringt. Ich habe Wischmeyer noch nie gemocht und mich immer wieder gefragt, wie so eine Karriere eigentlich zustande kommt. Hat er sich mit seinem verklemmt-besserwisserischen "Humor" hoch gedient? Nun gut: Er war mir gleichgültig. Diesmal hat er sich selber und dem ARD-Vorzeigesender radio eins immerhin einen kleinen Tabubruch abgerungen. Das rüttelt etwas an der Gleichgültigkeit, macht ihn aber kein bisschen mögenswerter.
Blog kommunale Zecken: Schrot-Treffer
@Fussvolk: Tabubruch? Ohje, solche Beiträge macht er halt. Kann man doof finden, oder wie ich lustig. Er schießt halt mit Schrot, da geht schon mal was daneben. Wobei: diesmal trifft er.
Blog kommunale Zecken: go home
Freibadschliessungen und verfallende Schultoiletten gegen Theater auszuspielen - das war gestern, meine Damen und Herren! Heute haben wir (d.h. diejenigen, die sich für solche Fragen ein ganz klein wenig nachhaltiger interessieren als die meisten unbefangenen Senfdazugeber in den medialen Kommentarspalten) erkannt, daß es sich bei der Vernachlässigung der kommunalen Infrastrukturen (mit der vier Fünftel der Einwohner dieses Landes sich unmittelbar konfrontiert sehen) um eine gewollte Politik handelt, die mit Hilfe von schwarzen Nullen wie Wolfgang Schäuble und ihren grundgesetzlichen(!) „Schuldenbremsen“ (hier wie anderswo in Europa) systematisch dafür sorgt, daß der öffentlichen Hand das Geld ausgeht, während z.B. die omnipotente Finanzlobby eine Transaktionssteuer killt, die daran etwas ändern könnte. Insofern ist Dietmar Wischmeyers vorsintflutliche Glosse nicht nur nicht auf der Höhe der Zeit, sie spricht vielmehr die indirekte Empfehlung aus, man möge doch, nach Freibädern und Schultoiletten, nun endlich auch die öffentlichen Theater abwracken, der Symmetrie und gerechten Lastenverteilung halber, will sagen, sie arbeitet den gewählten und steuerlich finanzierten Abrißunternehmen wie Bundesregierung und Bundestag direkt in die Hände. Daß diese Theater vielfach meinen, nur ein nackter Schauspieler sei ein guter Schauspieler (und dafür immer wieder Beifall einheimsen, andernfalls sie es sofort anders sehen würden) ist ein Grund, sie nach ihrer künstlerischen Überzeugung zu befragen, aber kein Grund, sie zu schließen - auch der irgendwann einmal wieder bekleidete Schauspieler benötigt und verdient einen Arbeitsplatz. Anstatt politisch dafür zu sorgen, daß die gesteigerte wirtschaftliche Produktivität den Menschen zu mehr Freizeit verhilft (der Unternehmer bietet nur die Entlassung an) und jene Einrichtungen auszubauen, die ihnen zu einer sinnreichen Gestaltung derselben verhelfen könnten (und dazu gehören die Theater), verwüstet das Merkel-Regiment eben jene Landschaft, in der wir uns leiblich und mental reproduzieren könnten. Die ehemals markante Differenz zwischen den kulturpolitischen Pflichtaufgaben und den sog. freiwilligen Investitionen wird eingeebnet: es trifft nunmehr die Schulen genauso wie die Theater. Hier ist Solidarität angebracht, und kein höhnisches Säen von kabarettistisch verbrämter Zwietracht, denn daß Verknüpfungen, unter- wie oberirdische Zusammenhänge, zwischen den in Mitleidenschaft gezogenen Instituten und Institutionen bestehen, ist jedem Sozialarbeiter helle. Ich begreife nicht mehr, wie man diese Lage der Dinge immer noch meint, verharmlosen zu dürfen. Wischmeyer go home!
Blog Wischmeyer: Nichts gesehen!
"Welche Inszenierung hat Dietmar Wischmeyer gesehen?"

na ganz logisch: gar keine! er beruft sich auf stadelmeier!
ergo haben wir bald joffe zu erwarten, der stadelmeier beispringt, um die unterlassungsklage gegen radio ein voranzubringen hahahah lach mich kaputt - aber schön wärs schon
Blog Wischmmeyer: Dreispartenpuff
Ein "Dreispartenpuff"? Inklusive der internationalen Erotikmesse "Venus" als Tourismusfaktor, bei welcher der Fotograf und Videotechniker William Minke von der Volksbühne seine Fotos schießt? Und was von einem Ex-Knacki aus Volker Löschs "Berlin Alexanderplatz" kommentiert bzw. kolportiert wird? Es ist schon ekelhaft, das Ganze. Vor allem für Betroffene. Genau deshalb, weil es im Theater eben immer nur und vor allem um die Menschen dieser Stadt, des öffentlichen Raums Berlin, gehen sollte und nicht um Künstleregos oder die neue Bulthaup-Küche von Theaterintendanten.
Blog Wischmeyer: die Welt ist nicht schön
Egal, der Mann (Wischmeyer) überspitzt. Mein Wecker klingelt ein paar Minuten früher, ich will das hören und oft ärgere ich mich. Übrigens heute auch. Ich nahm das wieder einmal zu ernst.
DENN: Merkt oder spürt keiner die Ironie? Das ist alles Provokation und die ist mitunter sprachlich klug gemacht und ärgert den einen oder anderen Zuhörer. Ist ja auch nicht schlimm, wenn man es als überspitzte Kritik der Gesellschaft sieht.
Man sollte lächeln, sich ertappt fühlen, das alles nicht so ernst nehmen und nicht wie die schlaue Inga immer gleich alles ekelhaft finden. Man kann Kleinkunst machen, wie es Inga fordert. Darf sich dann aber nicht wundern, dass Kunst klein bleibt.
Ich bin froh über Castorf in dieser Stadt, der sich Themen annimmt, die eine historische Relevanz bekommen, einen Bogen spannen. Die Welt ist nicht schön, sie ist ekelhaft und damit muss man sich auseinandersetzen, liebe Inga. Der Rest wäre...
Die drei Punkte sind keine Zensur, sie sind von mir.
Blog Wischmeyer: sarkastische Überhöhung
PS: habe die wirklich gute Betrachtung von Herrn Steckel gelesen. Sie haben Recht, Wischmeyer geht an der Zeit vorbei. Es ist die Hintervotzigkeit medialer Kommentare, die um Populismus buhlen.
Aber, nur dann, wenn sie ernst gemeint sind. Ich spüre bei Wischmeyer niemals einen ernsten Kommentar. Es lässt sich immer, in dieser Überspitzung auch das Gegenteil denken.
Er greift populistische Meinungsbilder auf und präsentiert diese überspitzt, so dass ein ernsthafter Zuhörer gar nicht in die Verlegenheit gerät, das so zu verstehen, wie es gerade ausgesprochen wurde. Diese Überspitzung führt aus meiner Sicht zu einer Negation des Gesagten. Man sollte Wischmeyer einmal nach Dresden schicken und ihn dort seine vollkommen überzogenen Kommentare sprechen lassen.
Leider würde nicht jeder die Ironie verstehen.
Vielleicht ist er mir gerade darum auf Radio 1 so wichtig geworden? Seine Kommentare sind für mich eine sarkastische Überhöhung.
Blog Wischmayer: Ironie, ist doch klar
@ Olaf: Dass das Ironie ist, ist doch jedem Kind klar. Und was verstehen Sie unter "Kleinkunst"? Bzw. an welcher Stelle meines Kommentars lesen Sie die Forderung nach einer solchen heraus?

(...)
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