Gescheiterter Generationswechsel

12. März 2015. Stefan Fischer-Fels, seit 2011 künstlerischer Leiter des Berliner Grips-Theaters, wird seinen Vertrag vorzeitig beenden. Das teilte das Grips Theater mit. Der Gründer und Geschäftsführer der GRIPS Theater gGmbH, Volker Ludwig, und sein künstlerischer Leiter hätten sich "im gegenseitigen Einvernehmen auf eine vorzeitige Beendigung der Zusammenarbeit zum 31.07.2016 geeinigt", heißt es in der Erklärung. Die Trennung erfolge auf Grund künstlerischer Meinungsverschiedenheiten, hieß es auf Nachfrage von nachtkritik.de.

gripsberlin 560 wikimedia uDas berühmte GRIPS-Mosaik am Theaterbau im Berliner Hansa-Viertel   © Wikimedia

Er habe, so Volker Ludwig im Gespräch mit nachtkritik.de, in keiner Inszenierung der letzten Spielzeit die Alleinstellungsmerkmale des Grips Theaters wiedererkannt. In der Präambel des Vertrags von Fischer-Fels sind als diese Alleinstellungsmerkmale u.a. "emanzipatorisches Autoren- und Schauspielertheater", "Mutmachertheater" "geprägt von einer klaren politischen Haltung" und "Mittel des Volkstheaters" aufgelistet. Fischer-Fels habe sich zu stark Richtung Regietheater orientiert. Am Ende habe er das Gegenteil dessen realisiert, so der 1937 geborene Ludwig, was für ihn das Profil seines 1966 im Klima der Studentenbewegung gegründeten Theaters ausgemacht habe.

Profil neu gedeutet

Er sei, so Stefan Fischer-Fels auf Nachfrage von nachtkritik.de, 2011 mit dem klaren Konzept angetreten, das Profil des Grips Theaters neu zu befragen und habe es dann auch "sehr weit neu gedeutet". Denn er sei überzeugt, daß man im 21. Jahrhundert neu definieren müsse, welche Inhalte politisch relevant für ein emanzipatorisches Kinder- und Jugendtheater sind. Auch neue Erzählweisen wären zu versuchen. Dieses Anliegen jedoch habe von Anfang an zu Konflikten und Reibungsverlusten geführt. Bereits 2014 habe er es als Mißtrauensvotum empfunden, daß sein zunächst bis 2016 geschlossener Vertrag lediglich um zwei Jahre, also bis 2018 (statt 2021) verlängert worden sei. Nun habe er selbst die Vertrauensfrage gestellt.

"Stefan Fischer-Fels hat ein attraktives Angebot eines westdeutschen Theaters angenommen," so Volker Ludwig zu nachtkritik.de. Eine geeignete Nachfolge sei aber bereits in Aussicht. "Sobald alle Gespräche abgeschlossen sind, werde er diese zu allererst dem Ensemble und dem Berliner Senat als Subventionsgeber vorstellen."

"Ich bin sehr traurig", sagt der 1964 geborene Fischer-Fels. Denn er sei dem Haus lange verbunden. Bereits von 1993-2003 war er zehn Jahre lang Grips-Dramaturg. Von 2003-2011 leitete er das Junge Schauspielhaus Düsseldorf, bevor er schließlich als Nachfolger von Volker Ludwig die künstlerische Leitung des Grips Theaters übernahm. "Doch ich bin überzeugt, ohne neue Autoren, neue Regisseure und neue Erzählweisen wird es nicht gehen."

(sle)

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Kommentare  
Gescheiterter Grips-Generationswechsel: Frage
Übernimmt Beelitz jetzt das Grips Theater?
Gescheiterter Grips-Generationswechsel: im Griff des Monarchen
"emanzipatorisches Autoren- und Schauspielertheater","Mutmachertheater" "geprägt von einer klaren politischen Haltung" und "Mittel des Volkstheaters" waren also im Vertrag von Fischer-Fels aufgelistet. ich finde hier muss der Senat einschreiten. Ein Theatermacher wie Volker Ludwig, der sich als Geschäftsführer seinem neuen Intendanten in den Rücken setzt, der ist wie ein Ex - Fußballtrainer der statt in die verdiente Rente zu gehen nicht loslassen kann und als Sportdirektor dem neuen Trainer ständig Knüppel zwischen die Beine wirft, bis der entnervt abdankt. "Mutmachertheater", so etwas in einen Vertrag zu schreiben, darauf muss man erst mal kommen. Wer darf sich jetzt am Himmelfahrtskommando versuchen? Die Freundin? Oder am besten natürlich. Volker Ludwig selbst. Herr Renner, bitte übernehmen sie. Das kann wirklich nicht gehen - ein Haus im Griff eines Monarchen, bezahlt aus den Mitteln der Öffentlichkeit - man muss auch mal wissen wann es gut ist.
Gecheiterter Grips-Generationswechsel: Schluß-Aus-Ende
Das ist wirklich traurig und beschämend, das GRIPS hat erst durch Fischer-Fels wieder einen internationalen Ruf erarbeitet, vorher dümpelte es nur so vor sich hin. Das die einst Jungen-Wllden dann doch zahm, naiv und dumm werden. Wenn Peymann das BE abgibt, dann könnte er doch ans GRIPS wechseln ... Schluss - Aus - Ende mit spannenden Theater am GRIPS.
Gescheiterter Grips-Generationswechsel: Buddenbrooks
Das ist sehr, sehr schade. Stefan Fischer-Fels hat keinen schlechten Job gemacht beim Versuch, das Grips behutsam zu erneuern. Volker Ludwig hat große Verdienste, doch nun benimmt er sich wie ein starrer Firmenpatriarch, der nicht loslassen kann, aus Angst sein Lebenswerk würde verhunzt. Erinnert ein bisschen an die Buddenbrooks. Doch "wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte", sagte mit Gustav Heinemann jemand, dem ein Alt-68er wie Ludwig doch durchaus gewogen sein dürfte.
Gescheiterter Grips-Generationswechsel: Selbstschlachtung
Ohne Erneuerung geht gar nichts. Diese festgefahrenen, dogmatischen, von mir ehemals geliebten 68 werden zur Hemmschwelle. Die Revolution entlässt ihre Kinder und versteht sie nicht mehr. Scheiße! Dogmatischer kann man nicht sein. Die Revolution frisst ihre Kinder. Und am Ende schlachtet sie sich selbst. SCHADE!
Gescheiterter Grips-Generationswechsel: richtig
Wohl weniger eine inhsltlich künstlerische Entscheidung, sondern schlicht: wenn's nicht menschlich passt.
Auch eine Frage, wie man im Theater mit Macht umgeht. Ich finde Ludwigs Entscheidung richtig. Aber eben nicht aus gez den, die in der Presse bewegt werden.
Gescheiterter Grips-Generationswechsel: neues Denken
Ich stehe da total hinter Fischer-Fels. Wir haben nun eine neue Generation Kinder und ein anderes politisches Denken. Man sollte offen sein für neue Erzählweisen... sonst versinkt man irgendwann als Theater im Nirgendwo.
Gescheiterter Grips-Generationswechsel: schade
Danke Stefan Fischer-Fels für die großartige Arbeit! Wie schade und wie dumm vom Grips so jemanden ziehen zu lassen...
Gescheiterter Grips-Generationswechsel: der Peymann des KJT
Volker Ludwig ist der Peymann des Kinder- und Jugendtheaters. Und: Das ist Berlin!
Lieber Stefan Fischer-Fels, wir grüßen Dich hier alle vom LTT aus. Kopf hoch! Herzlichst - Deine hoffentlich noch nicht ganz so ergrauten Kollegen aus der Neckarstadt
Gescheiterter Grips-Generationswechsel: auf zu neuen Ufern
So schaffen die 68er nicht den Sprung ins neue Jahrtausend. Mit Fischer-Fels war das Grips auf dem richtigen Kurs der Erneuerung. Zeitgemäße Themen und Stoffe, die auch die Lehrer mit ihren Schülern lockten, die nicht mehr den Muff aus den Talaren geschüttelt haben. Soll doch Volker Ludwig das Regime bis zum letzten Tag führen, das Grips wird künftig wieder weniger eine Rolle in der deutschen Kinder- und Jugendtheaterszene spielen. Und hoffen wir, dass Stefan Fischer-Fels und sein Team einen neuen Ort für ihre kreativen Ideen finden. Auf zu neuen Ufern.
Gescheiterter Grips-Generationswechsel: Bärendienst
Schade, diese Selbstdemontage von Volker Ludwig. Seinem Grips erweist er damit einen Bärendienst, seinem, bis dato guten Ruf sowieso. Fischer-Fels macht das, professionell gesehen, nichts, der hat schon in D'Dorf bewiesen, was er kann. Komisch irgendwie, dass es in dem hippen Berlin so viele "Alt-Herren-Theater" gibt und damit meine ich nicht unbedingt die Intendant_innen .... . Hochhuth, Hallervorden, Ludwig: wenn das nicht nach Theaterinnovation klingt.
Grips-Theater: Schade
Es ist schade, wenn alte S...e nicht abtreten können!
Grips-Theater: sich einschalten
Es ist doch erschütternd zu sehen, wenn Leute, die mal aus nichts einen tollen Garten angepflanzt haben, der prächtig gedieh und von allen bewundert wurde, dann plötzlich im Alter lieber den Garten vertrocknen und wieder kaputt gehen lassen wollen, als dass sie die Arbeit daran einem anderen überlassen. So verblasst auch die Ehre, die ihnen ursprünglich für die Blüten zukam.
Traurig für das GRIPS, traurig für Berlin, traurig für die, die dachten, dass die längst fällige Erneuerung und Weiterentwicklung des GRIPS bei Stefan Fischer-Fels in besten Händen lag und dass Generationenwechsel funktionieren können. Wenn der Stadt was am GRIPS liegt, sollte sie dem nicht einfach zustimmen, dass hier einer alleine schaltet und waltet nach seinem persönlichen Gusto - sondern sich einschalten!
Grips Theater: fehlende öffentliche Debatte
Es wäre wichtig, die Debatte über Aufgabe und Ausrichtung von Kinder- und Jugendtheater öffentlich zu führen (über die Kommentarfunktion von Nachtkritik und Flurfunk hinaus). Wie sehr muss sich das GRIPS in seinem politischen und künstlerischen Anspruch treu bleiben und/oder Veränderungen wagen? Wie stark spielen persönliche Vorlieben und Eitelkeiten, sowohl auf Seiten Ludwigs wie Fischer-Fels' eine Rolle? Wie steht es um die Rolle des Kinder- und Jugendtheaters im gesamtdeutschen Vergleich (etwa im Fall Düsseldorf - siehe ersten Kommentar - und die fehlende öffentliche Debatte um den radikalen Richtungswechsel dort)?
Grips Theater: Meta-Thema
woran es nun lag, wissen immer nur die beteiligten selbst und kaum die presse. die macht aus den antworten verschiedener beteiligter dann einen überdiskurs, ne art metathema: alt - jung. aber vielleicht gab es nur unvereinbare blicke auf zahlen, einnahmen, supergute tage, einzelne Inszenierungen, kosten, Auslastungen, vorstellungsausfälle....oder die zunehmende unter- oder überkomplexheit der arbeit...oder was die presse lobt meidet der Lehrer... oder oder oder...oder einfach keine Idee wie mit dem gründervater verfahren werden soll...BE ohne brecht geht ja auch nicht, denken ja viele...und beides sind privattheater...oder?...
Grips Theater: ein Museum mehr
Es war einmal und soll auch wieder so sein. Aus Grips wird Grimm. Das Märchen vom Mutmachertheater wird fortgeschrieben bis in alle Ewigkeit. Großmutter Ludwig weiß am besten, was gut ist für die Kleinen - und kassiert Tantiemen bis alle gestorben sind. Ist doch nicht schlecht. Berlin hat nun ein Museum mehr. Es sei denn, die bösen Kapitalisten nehmen ihr das Geld weg. Und was dann?
Fischer-Fels nach Düsseldorf: wer will schon wie Lear enden?
„Das schönste Amt neben Papst“, kommentierte einst Polit-Pensionär Franz Müntefering die Wahl zum Parteivorsitzenden der SPD. Nun hat eine dritte Traditions-Institution einen wichtigen Posten zu vergeben: am GRIPS wird die Künstlerische Leitung neu besetzt. Aber Obacht, hier schaut Ihnen nicht August Bebel selig oder ein gütiger Herrgott über die Schulter, sondern der sehr lebendige Volker Ludwig (in Zweifelsfragen ist GRIPS-Veteran Dietrich Lehmann – der auch schon Bebel spielte – als heimlicher Vorsitzender der Glaubenskongregation zur Stelle). Dem langjährigen GRIPS-Dramaturgen Stefan Fischer-Fels sollte das bewusst gewesen sein, als er vor einigen Jahren das Haus übernahm. Bzw. übernehmen wollte, denn im Unterschied zu König Lear gab Volker Ludwig seine Macht nicht ganz ab, sondern hat als Geschäftsführer wichtige Fäden in der Hand behalten. „Recht ist Besitz“ weiß man am Hansaplatz. Wer will es dem GRIPS-Gründer verübeln? (Wer will enden wie Lear?) Und auch eine gemeinsam formulierte Präambel für die Zusammenarbeit im GRIPS muss ja keine Fessel sein. Taugen die Visionen nun nicht mehr für eine gemeinsame Zukunft, ist es doch besser, beide Parteien gehen getrennte Wege. Mehr Zeit hat Stefan Fischer-Fels. Wenn er ab 2016 in Düsseldorf das Junge Theater um eine „Bürgerbühne“ erweitert, mag GRIPS-Apologet Gerhard Fischer (Vortrag am 19.03.2015 am Hansaplatz, „GRIPS: Geschichte eines populären Theaters“) klären, ob es nicht auch hier Verbindungslinien zum „Community-Theatre“ gibt, mit dem Fischer das GRIPS schon in Verbindung brachte. Dass Fischer-Fels, trotz Nähe zum Regietheater gleichzeitig viel für Autoren getan hat, lässt sich schwer bestreiten. „Supergute Tage“ taugt als Titel nicht zum Alleinstellungsmerkmal, aber eine Spielzeit wie 2013/2014 mit fünf Uraufführungen, von fünf (Berliner!) AutorInnen (darunter GRIPS-Größen wie Lutz Hübner und Ludwig himself), spricht doch für sich. Die Latte liegt hoch. Auf den Weg einen Marx zum Gruß: Hic rosa, hic salta!
Grips Theater: Ludwigs gutes Recht
Meiner Meinung nach wird Fischer-Fels überschätzt und kümmert sich um Dinge von denen er keine Ahnung hat wie z. B. Sein überflüssiges Engagement für die schon von allen Istanzen abgelehnten Wirtschftsfluechtlinge. Damit geht er inzwischen schon dem letzten Gutmenschen in Kreuzberg auf den Zeiger. Ludwig feiert nach wie vor mit seinen Stuecken - seien Sie neu oder alt - große Erfolge. Und: Es ist sein gutes Recht die Linie in seinem Theater vorzugeben. (...)
Grips Theater: Stücke von Ludwig
Soll das Grips etwa nur noch Stücke von Ludwig spielen? Wäre der Herr dann zufrieden gewesen? Hat doch demnächst ein Stück von ihm Premiere im Grips (...):

http://www.grips-theater.de/programm/spielplan/termin/1446
Grips Theater: dramatische Verlautbarungen
@#18
"...von allen Instanzen abgelehnte Wirtschaftsflüchtlinge". Schon erstaunlich, welcher Unfug sich unterschieben lässt, unter eine Auseinandersetzung über die Zukunft des Grips. "Wirtschaftsflüchtling" ist ein zynischer Begriff, der so tut, als liesse sich physische, psychische, strukturelle Gewalt von ihren monitären Folgen scheiden. Ob Theater mehr soll als Kunst, ist die eine Frage, die Diskreditierung von Menschen, die in der Regel mehr gesehen haben, als jeder Durchschnittstheatergucker je zu sehen bekommt, eine andere. Dass das Grips da eingetreten ist, ist doch nicht das Problem! Problematisch ist doch, was man 2015 für emanzipatorisch hält. Wer spielt denn die neuen dramatischen Verlautbarungen von Ludwig nach?
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