Das Regime des Grantlers

von Wolfgang Behrens

Berlin, 14. März 2015. Dankenswerterweise hatte das Berliner Ensemble in seiner Premierenankündigung noch einmal darauf hingewiesen: "Claus Peymann inszeniert dieses berühmte Theaterstück von Thomas Bernhard zum ersten Mal." Wie? was?, denkt man, aber Peymann hat doch damals, vor unvordenklichen Zeiten, alle, alle, alle Bernhard-Stücke uraufgeführt – oder etwa nicht? Und hat man nicht eigenäugig den Mitschnitt seiner Uraufführung von "Die Macht der Gewohnheit" im Fernsehen gesehen, mit Bernhard Minetti, der sein "Morgen Augsburg" des cellospielenden Zirkusdirektors Caribaldi in die Welt hinaustrompetete und hernach zum Thomas-Bernhard-Darsteller schlechthin avancierte?

Zirkuszelt unter der Stromautobahn

Ein Blick in die Archive fördert es zutage: Claus Peymann war im Uraufführungsjahr 1974 bei den Salzburger Festspielen unerwünscht, und Dieter Dorn durfte ersatzweise den Peymann geben. Und so kommt es, dass man heute gewissermaßen einen Augenblick kontrafaktischer Geschichte erleben darf: Wie wäre es gewesen, wenn Peymann damals doch ...? Nun ja, die Darsteller sind natürlich andere, aber wenigstens das Bühnenbild ist wieder von Karl-Ernst Herrmann, der ja im Bernhard-Peymann-Team schon immer mit von der Partie war.

Und tatsächlich ist auch wieder eine dieser herrlichen Herrmann-Bühnen herausgesprungen, die so oft durch überscharfe Realitätseinsprengsel ins Surreale kippen. Der Raum ist zugleich ein Gegenentwurf zur Wilfried Minks-Bühne von 1974, die den Wohnwagen des Zirkusdirektors einfach detailliert im Längsschnitt zeigte. Herrmann definiert hingegen einen Unort, eine runde, schräggestellte Spielfläche irgendwo zwischen Drinnen und Draußen, im Hintergrund lugt niedlich das Zirkuszelt hervor, über das modelleisenbahnidyllische Hochspannungsleitungen hinwegstreben, in der Ferne ragen Autobahnlaternen in den Horizont. Sehr hübsch!

macht der gewohnheit 560 monikarittershaus xAltersstarsinnig: Zirkusdirektor Caribaldi (Jürgen Holtz am Cello) und das lästige Jungvolk
© Monika Rittershaus

Einen Gegenentwurf zur Aufführung Dieter Dorns will wohl auch Claus Peymann liefern. Dorns Darsteller hatten damals (und man kann das heute noch auf DVD überprüfen) Bernhards Sprachpartitur in all ihrer Künstlichkeit zelebriert, sie waren Kunstfiguren, die an der Kunst scheiterten. Minettis Caribaldi, der mit seiner Artistentruppe so gerne das Schubert'sche Forellenquintett einstudieren und zur vollkommenen Darstellung bringen möchte, trug den Kopf in den Wolken. Die immer wieder manisch wiederholten Worte – "Casals", "das Kolophonium", "das Ferraracello", "das Forellenquintett" oder eben "Morgen Augsburg" – rieselten ihm zu, als kämen sie aus einer metaphysischen, kunstreligiösen Sphäre, zu welcher der Zugang nach und nach verloren gegangen ist und die nur noch in hohl gewordenen Schlagworten überlebt.

Alltäglichkeit ersetzt Kunst-Metaphysik

Bei Peymann rieselt nichts aus dem Metaphysischen. Er hat vielmehr den recht bemerkenswerten Versuch unternommen, für Bernhards durchmusikalisierte Sprache durchweg realistische Spielanlässe zu schaffen. Fällt hier etwa die Wendung "Morgen Augsburg", so ist das nicht mehr eine im Grunde unmotivierte und ins Absurde getriebene Repetition, sondern schlicht ein Sprechakt, der auf die Aktion irgendeiner anderen Figur reagiert. Es ist schon erstaunlich, wie alltäglich Bernhards Wortkaskaden auf diese Weise klingen können – aus den Dorn'schen Kunstfiguren von damals werden plötzlich gewöhnliche Menschen.

Der Gewinn dabei ist freilich zweifelhaft: Denn Enkelin, Dompteur, Jongleur und Spaßmacher drohen über der Gewöhnlichkeit ins gänzlich Banale abzudriften, und schnell wünscht man sich wieder ein wenig mehr Künstlichkeit und Sprachlust zurück – und etwas weniger planen Bühnenrealismus.

Ein Ereignis: Jürgen Holtz und sein Alterswerk

Wenn da nicht Jürgen Holtz wäre! Er ist in der Tat ein Gegen-Minetti von großer Art. Holtz zeigt das Drama Caribaldis nicht als das eines Geisterkopfes, der an seinen eigenen Kunstansprüchen abprallt – Holtz zeigt vielmehr das Drama des alten Mannes. Das Regime, das er führt, ist das eines Grantlers, der fest davon überzeugt ist, dass sich alle Welt gegen ihn verschworen hat. "Alles ist gegen / die Probe / gegen mich / Ihr seid alle gegen mich", heißt es im Stück einmal – und aus diesem Grundimpuls entwickelt Holtz seine ganze Figur. Holtz gönnt seinem Caribaldi sogar regelrecht senile Momente, in denen er mit einem Gedanken oder einem Wort ringt, in sich hineinkichert oder plötzlich in sich zusammenfällt, um sich ins Unvermeidliche zu fügen. Dann aber bricht wieder der Zorn des Altersstarrsinns aus ihm hervor, er sondert dann Weisheiten ab, brabbelt, schimpft, zetert, bläst komisch die Backen auf und dringt im alles verdammenden Furor mitunter auch zu Momenten größter Klarheit vor.

Andere Rollengestaltungen von Holtz mengen sich vor dem inneren Auge des Betrachters in die Darstellung: sein Ekelpaket Motzki in der gleichnamigen Fernsehserie von Wolfgang Menge etwa, oder sein gefeiertes Solo mit Rainald Goetz' "Katarakt" – und wahrhaftig: Holtz hat nichts von seiner teils clownesken, teils ätzenden Schärfe verloren. Sein Caribaldi ist ein großer Misanthrop, der sich von der Welt entfernt, weil sie sich von ihm zu entfernen droht. Und wäre die Welt um ihn herum ein bisschen weniger läppisch arrangiert, dann hätte es sogar ein ganz großer Abend werden können.

 

Die Macht der Gewohnheit
von Thomas Bernhard
Regie: Claus Peymann, Bühne und Kostüme: Karl-Ernst Herrmann, Mitarbeit Kostüme: Wicke Naujoks, Dramaturgie: Jutta Ferbers, Licht: Karl-Ernst Herrmann, Ulrich Eh.
Mit: Jürgen Holtz, Karla Sengteller, Norbert Stöß, Joachim Nimtz, Peter Luppa.
Dauer: 2 Stunden 20 Minuten, eine Pause

www.berliner-ensemble.de

 

Kritikenrundschau

Das Bühnenbild immerhin – so Rüdiger Schaper im Rüdiger Schaper im Tagesspiegel (16.3.2015) – behaupte "seine Poesie. Es hat Tiefe und Horizont, ganz gleich, wie flach die Bernhard'schen Kaskaden daherkommen, im Jahr 2015". Ansonsten ist Schaper eher melancholisch gestimmt und fragt sich, "ob das nicht alles ein Missverständnis war mit den komischen Bernhard-Vögeln. Vielleicht waren sie ja nie so komisch, wie man sie erleben wollte, Bernhard Minetti, Traugott Buhre, Martin Schwab, Ilse Ritter, Kirsten Dene, Gert Voss." Aktuell könne man sagen, "Peymann führt eine zarte Regie, aber eigentlich ist das alles nur so dahingestellt, mit Karikaturen." Rhythmus hätte das Kammerspiel gebraucht, "musikalischen Takt. So wie er in den Augen von Jürgen Holtz aufblitzt. Irgendwie fällt es ihm schwer, die letzte Bosheit zu markieren. (…) Jürgen Holtz aber gehört zu den wenigen Schauspielern, die den Zuschauer entwaffnen. Seine Attacken werden mit Liebe beantwortet. Man leidet mit Caribaldi, und er leidet an sich selbst."

Claus Peymann habe an diesem Abend "das Leben, das Altern, die alltäglichen Misslichkeiten als Kunstverhinderungsinstanzen inszeniert", schreibt Dirk Pilz in der Berliner Zeitung (16.3.2015). "Genauer: Er hat Jürgen Holtz machen lassen." Denn der sei "der eigentliche Regisseur, der Schöpfer dieses Abends. Sein Zirkusdirektor ist ein Zorn- und Schimpfmeister, ohne in schierer Garstigkeit zu versinken. Ein Mensch aus Selbst- und Weltverachtung, ohne seine Wut in bloßer Eitelkeit zu ersäufen." Wirke es im ersten Akt noch so, "als sei diese Kippligkeit, das Zerfurchte, Zerknitterte seiner Figur allzu realistisch, fast naturalistisch, seltsam berührend selbstbezüglich", so erwachse daraus im dritten Akt "die hohe Schule einer Schauspielseiltänzerei, die das Eigene zum Exemplarischen wendet". Holtz sei "ein Ereignis – auch weil er sich um die Theatertatsachen um ihn herum nicht schert", um jene "albernen Veräußerlichungen, Szenen-Auspinseleien" nämlich, die Peymann um Holtz herum arrangiert habe.

"Von 'einem Bächlein helle' und der Forelle, die vorüber 'wie ein Pfeil' schießt", könne hier – "im Gegensatz zu dem bekannten Lied Franz Schuberts – (…) nie die Rede sein", meint Irene Bazinger in der Frankfurter Allgemeinen (16.3.2015), auf das Forellenquintett anspielend, das in Bernhards Stück eine zentrale Position einnimmt. "Denn trotz des tapferen Jürgen Holtz und seiner wackeren Mitstreiter wirkt die Inszenierung von Claus Peymann seltsam versteinert: kein vitales Tempo, kein existentielles Lüftchen, keine surrealen Turbulenzen – einfach nur Forelle flau."

"Mit großer Würde spielt Holtz das, was vielleicht das eigentliche Drama des Alterns ist: nicht, dass die Fähigkeiten nachlassen. Sondern dass der eigene Anspruch gleich bleibt", schreibt Mounia Meiborg in der Süddeutschen Zeitung (17.3.2015). Das alles in einem wunderschönen Bühnenbild von Karl-Ernst Hermann, "das den Zirkus vorne als harte Realität und hinten als Sehnsuchtsort zeigt". Natürlich lasse Peymann das Stück Wort für Wort spielen, inklusive Regieanweisungen. "Aber es wird nicht so viel deklamiert wie sonst. Peymann interessiert sich vor allem für die Fragen nach Vergeblichkeit und Scheitern. Eine zärtliche Melancholie liegt über der Bühne."

 

Kommentare  
Macht der Gewohnheit, Berlin: Prekariats-Studie
Ich fand den Abend eine wunderbar pointierte Studie einer Prekariatskünstlergesellschaft.

In einer Zeit, in der sich das Bürgertum wieder vehement nach mehr bürgerlichen Werten zu sehnen scheint, entführt die Inszenierung in ein anderes Milieu. Witzig, liebevoll und auch mit viel Selbstironie gezeichnet.

Für 2 1/2 Stunden sind die Träume und Zwänge, die Herrschaftsverhältniss und das sich Quälen um Erfolg für die "bürgerliche Seite" verständlich und mitleidenswert. Was so mancher Facebook-Aufruf nicht kann: Hier nimmt Künstlerprekariat Form an und geht zu Herzen.
Macht der Gewohnheit, Berlin: Schade
Ich bin in der Pause gegangen. Jürgen Holtz war nicht mehr als ein grantelnder Alter - keine Pointe saß - nach einer halben Stunde wusste man wo der Abend hinläuft und den anderen Schauspielern gelang keine eigene Figurenschärfe. Lähmend und langweilig - weil vorhersehbar war das alles und sehr plakativ. Ich kann den Eindruck der Kritik wirklich nicht teilen. Und dass niemand sich über die geschmacklosen Scherze wundert, die mit dem "Spaßmacher" getrieben werden, eigenartig....Wo bitte war denn hier die "pointierte Studie einer Prekatriatskünstlergesellschaft"? Sowas kann doch nur erkennen, wer ihm Alltag im Elfenbeinturm lebt... Das Bühnenbild allerdings war zauberhaft, da schließe ich mich gern der oben genannten Meinung an. Ansonsten: wenn das Theater auf der Höhe der Zeit sein soll, dann ist das Theater wirklich am Ende. Schade.
Macht der Gewohnheit, Berlin: Teil und Urteil
Werte Frau Bernhardt! Sie sehen nur einen Teil der Aufführung und meinen ein absolutes Urteil fällen zu können. In Thomas Bernhards "Theatermacher" können Sie erfahren, was der Autor von solcher Art der Kritik hält!
Macht der Gewohnheit, Berlin: Peymann sich treu
Mir gehen diese Kritiker auf die Nerven... Zuschauer, Deps und Bazinger. Die eine geht zur Pause, nichts gemerkt. Die andere muss, wie immer, Theatergänge hassen. (...) Ich finde ihre Anmerkungen unerträglich.
Ich habe den Abend gesehen, bin bestimmt sehr skeptisch gegenüber dem BE und Herrn Peymann. Doch, was ich sah, war ein gelungener Abend, voller Ironie, mit einem unglaublichen Jürgen Holtz, einem gelungenen Bühnenbild und einem Peymann, der sich treu bleibt, nicht politisch zu sein, klassisches Theater zu bieten und fern jeglicher Innovation zu sein. Das ist manchmal einfach gut. Man darf und kann Theater auch so genießen.
Es geht auch anders (Baal, Castorf). Dennoch bietet Theater viele Gangarten und Möglichkeiten und Sichtweisen. Das war ein guter Peymannabend und ich bin froh, ihn am Ende seiner Intendanz noch einmal so erleben zu dürfen.
Die Macht der Gewohnheit, Berlin: bittersüße Parabel des Alterns
Jürgen Holtz als den Star des Abends zu bezeichnen, griffe zu kurz. Er trägt ihn, er macht ihn ganz zu seinem, wo Peymann jegliche Haltung verweigert, hat Holtz mehr als genug davon zu bieten. Kurzerhand interpretiert er den Text kurzerhand um: Aus der Künstlerkomödie wird eine bittersüße Parabel des Alterns. Sein Zirkusdirektor Caribaldi ist ein alter Mann, der mit wachsender Verzweiflung darum kämpft, sein Altsein nicht akzeptieren zu müssen. Trotzig und zunehmend starrsinnig hält er die Ansprüche an sich selbst und an andere aufrecht, auch wenn er spürt, dass er sie nicht mehr erfüllen kann. Und doch wird jeden Tag das Forellenquintett geprobt, auch wenn jeder weiß, dass es nicht mehr gelingen wird. Hier geht es längst nicht mehr um Kunst, sondern nur noch ums Festhalten des sich Entziehenden, das natürlich nichts anderes ist als das langsam erlöschende Leben. Da werden die Bernhardschen Wiederholungen zum Symptom abnehmender Geisteskraft und zur Kreisbewegung des Immergleichen, die allein noch das weitermachen ermöglicht. Seine Gemeinheiten wie die schelmisch quittierten Streiche sind Ausdrucksformen eines Greises, dessen reale Macht – auch und gerade die über sich selbst – schwindet. In Jürgen Holtz’ Händen wird Die Macht der Gewohnheit zur bitteren Komödie des Altwerdens, zum Porträt eines Menschen, der die Zeichen wohl sieht, aber zu ignorieren gewillt ist, der die Nichtakzeptanz des eigenen Verfallene zur Glaubenslehre erhoben und darüber zum Tyrann geworden ist. Da kann Jürgen Holtz noch so viel grimassieren: am Ende bleiben seine traurigen, sehnsüchtigen verzweiflungsvollen Augen, die gar nicht in Herrmanns leere weite blicken müssen, weil sie sie längst enthalten, weil ihr Besitzer nicht einmal mehr auf Godot zu warten vermag. Und auf sich selbst erst recht nicht. Da heißt es dann eben nur: “Es muss gespielt werden”. Bis zum bitteren Ende.

Komplette Kritik: https://stagescreen.wordpress.com/2015/04/11/der-endspieler/
Die Macht der Gewohnheit, Berlin: Knallchargen
Als Running Gag rieselt der Staub aus allen Ecken und Ritzen: wenn die Schauspieler ihre Forellen-Quintett-Noten umblättern oder fallen lassen, wenn sie auf der Suche nach dem Kolophonium unter die Möbel kriechen, wenn sie mal wieder ihr resigniertes “Morgen Augsburg!” seufzen. Damit sind auch schon drei andere Leitmotive aus Thomas Bernhards Tragikomödie Die Macht der Gewohnheit genannt, die dem Publikum bis zum Überdruss an den Kopf geworfen werden. Ein Zuschauer brachte die Redundanz als zentrales Prinzip dieses Stückes zur Pause so auf den Punkt: Wenn sich der Text nicht ständig wiederholen würde, wären sie nach einer Viertelstunde fertig.

Thomas Bernhards Text und Claus Peymanns Regie machen es den Schauspielern und dem Publikum auch noch aus anderen Gründen schwer: die meisten Figuren sind nicht mal mehr Karikaturen, sondern nur noch Knallchargen. Darunter haben vor allem Peter Luppa in der Rolle des “Spaßmachers” und Karla Sengteller als Enkelin des Zirkusdirektors zu leiden. Der eine ist ständig Opfer flacher Späße, die sich um seine Körpergröße von 1,38 m drehen; die andere bekam eine Frisur verpasst, die auch dem Beobachter in der letzten Reihe auf den ersten Blick signalisieren soll: ich bin ein naives, blondes Mädchen und muss auf Anweisung meines Großvaters alberne Aufwärm-Übungen und Verrenkungen machen.

Die einzige Figur in Macht der Gewohnheit mit einem Rest an Würde, mit Ecken und Kanten ist der misanthropische Zirkusdirektor Caribaldi. Mit der Besetzung dieser Titelrolle steht und fällt jede Aufführung dieses Stücks. Peymann und sein Berliner Ensemble haben das Glück, den 82jährigen Jürgen Holtz in ihren Reihen zu haben. Wie er die knapp zweieinhalb Stunden quasi im Alleingang stemmt, ist trotz einiger, mit Hilfe der Souffleuse gemeisterter Texthänger, bemerkenswert.

Caribaldis Ekel vor der “Lechkloake” und Brecht-Geburtsstadt Augsburg und seine Verzweiflung über seine völlig unbegabten Mitstreiter, denen er vorwirft, seine Proben von Schuberts Forellen-Quintett zu sabotieren, bilden den Kern dieses Abends. Der wutschäumende Misanthrop verstrickt sich mit seinem despotischen Drill, mit dem er die Knallchargen an seiner Seite durch immer neue Wiederholungen quält, in seinem Hamsterrad. Und läuft dabei doch nur vor der längst überfälligen Erkenntnis davon, dass seine Versuche, sein großes Ziel zu erreichen, zum Scheitern verurteilt sind: er möchte dem Publikum statt der üblichen Zirkus-Nummern mit Clown und Kindern eine “perfekte” Aufführung von Schuberts bieten, beschwört ständig Pablo Casals, kommt aber doch nicht über hilfloses Schrammeln hinaus.

Jürgen Holtz spielt diese Rolle virtuos, aber trotz seiner Energieleistung hat auch er Schwierigkeiten, das Publikums-Interesse über zweieinhalb Stunden aufrecht zu erhalten. Thomas Bernhards Text hat seit der Uraufführung vor etwas mehr als 40 Jahren ziemlich viel Staub angesetzt, der aus allen Ecken und Ritzen rieselt.

http://kulturblog.e-politik.de/archives/24718-rieselnder-staub-und-im-zentrum-ein-frustrierter-misanthrop-peymanns-die-macht-der-gewohnheit-am-berliner-ensemble.html
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