Steppe mit Wanderarbeitern

von Matthias Weigel

21. April 2015. Die Arbeit in einem Theaterensemble muss schrecklich sein. Arbeiten stets bis in die Nacht, auch am Wochenende. Die Urlaubszeiten sind vorgeschrieben, die Arbeitsverträge befristet. Die Kollegen, mit denen man zum Teil intim zusammen arbeiten muss, werden einem vorgesetzt. Weil sich das Arbeitsmodell schlecht mit anderen verträgt, spielt sich auch noch das gesamte Sozialleben in der Theaterkantine ab. Die Gehaltsgefälle für ähnliche Arbeiten sind enorm, die Stellen umkämpft. Wer kommt, wer geht, wer zusammenarbeitet, wird "von oben" nach Belieben bestimmt.

Wenn ich mich mit Ensemblemitgliedern meiner Generation unterhalte, höre ich immer öfter Klagen über diese Zustände. Natürlich sind Ensemblestellen nach wie vor begehrt, es ist ja auch eine der wenigen Möglichkeiten, als Künstler fest angestellt zu werden. Aber selten hört man jemanden, der sagt, dass der Arbeitsalltag in einem festen Ensemble etwas ganz Tolles sei. Im Gegenteil: Die Unzufriedenheit organisiert sich sogar, demnächst veranstalten Ensemblemitglieder aus ganz Deutschland in Borgholzhausen eine "Konferenz Konkret", um sich "aus der Defensive gegenüber Kommunalpolitik, Auslastungszahlen, Vereinzelung und Karrierismus" zu befreien.

Gibt es noch etwas zu bewahren?

In der Diskussion um die Castorf-Nachfolge an der Berliner Volksbühne wird nun eben dieses ach so tolle, einmalige einmalige Theaterbetriebsmodell ins Feld geführt gegen temporäre, identitätslose Projekt-Stätten. Parallel dazu werden auch noch Intendanten gegenüber Kuratoren aufgewogen. Aber gibt es wirklich noch so viel zu bewahren?

All die Star-Regisseure, Star-Ausstatter, wie stark werden die mit einem Haus identifiziert, an dem sie jedes Jahr vielleicht für sechs Wochen vorbeischauen, um in Wien, Zürich, Berlin, Hamburg manchmal sogar gleichzeitig ihre Aufgüsse zu servieren? Und ist es wirklich so viel wertvoller, wenn ein Intendant einen gehypten Geheimtipp aus dem Nachbarland einkauft, damit der nochmal das gleiche, nur mit anderem Ensemble macht – anstatt einfach die Nachbarland-Produktion als Gastspiel einzuladen? Selbst die Berliner Volksbühne zehrt doch nur noch von den guten alten Zeiten, die längst vorbei sind. Fest sind dort im Ensemble nur noch elf Schauspieler, altbekannte Volksbühnen-Gesichter wie Martin Wuttke oder Alexander Scheer schauen nur als Gäste vorbei.

Gorki Theater Ensemble 600 Juni 2013 jnm uEin Ensemble tanzt und verabschiedet sich, Maxim Gorki Theater Berlin im Juni 2013
© nikolaus merck

Und an den kleinen und mittelgroßen Theatern, wie lange bleiben dort heutzutage all die jungen Schauspieler, Jungdramaturgen, Ausstattungsassistenten, Hospitanten, Berufseinsteiger? Ein, zwei Jahre höchstens. Dann ziehen sie doch sowieso weiter, auf der Suche nach einer Stelle, auf der sie wenigstens anständig bezahlt und behandelt werden; auf der Suche nach den wenigen Theatern und Orten, mit denen sie sich (künstlerisch) identifizieren können. Nicht wenige gehen lieber von vornherein den Weg in die Freie Szene – zwar noch schlechter bezahlt, aber immerhin handelt es sich da oft um selbstgewählte und selbstbestimmte Arbeitszusammenhänge.

Der Tankwart als König

Die Vorstellung eines Ensembles, das zusammen wächst, eine Identität hat, oder auch nur irgendetwas gemeinsam hat, geht an der Realität vorbei. Es mag hier und da noch Überreste davon geben, romantische Erinnerungen an bessere Zeiten. Aber in Wirklichkeit ist die alte Ensemble-Idee schon lange tot. Geblieben ist eine Steppe mit Wanderarbeitern, in der alle paar Kilometer ein Tankwart steht, als verbliebener König im eigenen Reich, der auch noch verlangt, dass alle Welt jetzt gefälligst sein tolles Benzin loben solle, weil er sonst an eine andere Tankstelle wechselt.

Dabei hat die Generation der Peymanns, Castorfs und neuerdings Ostermeiers selbst das Ende der Ensemble-Romantik eingeläutet. In den Metropolen haben autoritäre Egos darauf geachtet, dass kein anderer Hengst neben ihnen im Stall zu groß wird, dass nicht etwas wächst, was sie nicht kontrollieren. Und in den kleineren Theatern ist es die gleiche Generation, die sich gegenseitig die hochbezahlten Führungsjobs zuschustert, bestimmt, verlängert, nichtverlängert, während nachrückende Generationen gezwungenermaßen im prekären Strudel untergehen. Es setzt dem Ganzen die Krone auf, wenn diese Alt-68er und Baby-Boomer meinen, an den neoliberalen Zuständen wären einzelne Theaterhäuser Schuld. Das ist ebenso absurd, als würde ein einzelner Berliner Kulturpolitiker für den Zerfall des alten Ensemble-Ideals verantwortlich sein.

2013 06 16 Maxim Gorki Abschied Ensemble hinterher 560 Das Ensemble ist weg.  © nikolaus merck

In Berlin wird Platz frei

Dabei ist die Minimaldefinition eines Ensembletheaters ja durchaus schützenswert: Es heißt erst einmal nichts weiter, als dass Kommunen und Länder feste Stellen an Theatermacher vergeben. Soweit, so gut, so wichtig. Und dem hat auch Berlins Kulturstaatssekretär in keinem Wort widersprochen, ein Ensembleabbau steht nicht bevor. Nur wie diese Stellen genutzt und verwaltet werden, ist ja keineswegs festgeschrieben – es wird einfach viel blind nachgemacht.

Es musste erst jemand wie der designierte Intendant Matthias Lilienthal kommen, der an die Münchner Kammerspiele alte HAU-Weggefährten mitnehmen und im Schauspielensemble auch "Performer" anstellen wird. Wie lange dauert es noch, bis weitere Stadttheater (wieder) realisieren, dass ihnen niemand vorschreibt, in welchem Zahlenverhältnis sie Schauspieler, Autoren, Filmemacher, Programmierer, Dramaturgen Performer, bildende Künstler, Philosophen oder Tänzer anstellen, die Theater machen? Dass es auch Alternativen zum Repertoirebetrieb geben kann? Dass man Regisseure, Teams, Truppen, Kollektive anstellen kann? Die sich über eine Ästhetik, eine gemeinsame Theatervision verständigen, und nicht nur Erfüllungsgehilfen einer überbordenden Spielplan-Massenabfertigung sind. Der durchschnittliche Alltag in den Ensembles scheint momentan weder für die Menschen noch für die Kunstproduktion der Weisheit letzter Schluss zu sein. In Berlin tut sich nun etwas, Platz wird frei – hoffentlich wird er genutzt, um neue, funktionierende Ensemble-Modelle zu erschaffen.

 

weigel 1 60 thomas aurinMatthias Weigel, 1986 in Marktredwitz geboren, studierte Theater- und Medienwissenschaft in Erlangen. Er ist Redakteur von nachtkritik.de und arbeitet als freier Kultur- und Videojournalist und sowie im Bereich Crossmedia in Berlin.
www.mweigel.com

 

Alle wichtigen Meldungen, Interviews und Pressestimmen zur Diskussion um die Berliner Kulturpolitik, die Zukunft der Berliner Volksbühne, die Nachfolge Frank Castorfs und die Personalie Chris Dercon finden sich in unserer Chronik zum Berliner Theaterstreit.

Hier ein Kommentar zu Chris Dercons Ernennung von Christian Rakow.

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Kommentare  
Stadttheater-Debatte XX: Es geht um Inhalte!
Danke für diesen Beitrag!!! Endlich beschreibt mal wer, was hinter dem ganzen Rumgejammer steckt... Es gibt da allerdings ein Theater, wo es definitiv anders läuft... Wo die Spieler, wie die Techniker etc. pp. sowohl dankbar als auch glücklich sind, in einem Ensembletheater partizipieren zu dürfen und das liegt an einem sehr einfachen Grund: Diesen Leuten geht es nicht um Erfolg - diesen Leuten geht es um wesentlich mehr... Es geht ihnen um Inhalte, und das ist etwas, das bleibt und hinterlässt Spuren beim Betrachter... Es ist das Theater Mülheim an der Ruhr von Roberto Ciulli!!! Die sind schon seit ihrer Gründung auf den wichtigsten Gedanken überhaupt gekommen und halten an diesen Grundgedanken fest... "Das ideale Theater sähe strukturell liquide aus, deren Beschaffenheit sich entsprechend flexibel verhält und sich immer neu nach den Erfordernissen der Kunst ausrichtet und somit nicht selbst zum bestimmenden Element wird. Eine hohe Kontinuität des Schauspielensembles ist dabei unabdinglich für intensive und essentielle Diskurse über Kunst und Leben. Doch leider reduzieren sich heute solche Diskussionen oft nur auf die Frage nach der Finanzierbarkeit von Theater. Zuschauer- und Einnahmestatistiken sind die Argumente, die den Blick auf das Wesentliche verstellen, sie bilden letztlich die Beziehung zwischen Gesellschaft und Kultur ab, sind Ausdruck einer Kultur der Ökonomie." Und die genannten Verdächtigen (Castorf, Peyman, Ostermeier, etc.) haben - wie sie bereits gut beschrieben haben, ein Monopol aus dem Theater gemacht um, sich davor zu bewahren, in die eigene Unzulänglichkeit zu blicken... Dabei ist doch seit Menschengedenken ein Künstler immer schon jemand, der unzulänglich ist und daraus schöpft und daher auch immer eingehen MUSS, dass er getoppt wird... Weil Kunst eben NICHT endlich ist!
Stadttheater-Debatte XX: besser 11 als niemand
"Selbst die Berliner Volksbühne zehrt doch nur noch von den guten alten Zeiten, die längst vorbei sind. Fest sind dort im Ensemble nur noch elf Schauspieler, altbekannte Volksbühnen-Gesichter wie Martin Wuttke oder Alexander Scheer schauen nur als Gäste vorbei."

Elf Schauspieler sind in meinen Augen immer noch besser als gar kein Ensemble.
Im Fall der Volksbühne muss man außerdem sehen, dass zwar die Zahl der vertraglich gebundenen Ensemblemitglieder recht klein erscheint, darüber hinaus aber in einer vorbildlichen Kontinuität mit einem festen Stamm an Gästen, die in der äußeren (und wahrscheinlich auch inneren) Wahrnehmung dann ja irgendwie doch dazugehören (Leuten wie Scheer und Wuttke eben) gearbeitet wird.
Stadttheater-Debatte XX: bleibt hinter Kantinengesprächen zurück
Ah wieder ein 'Totsager'. Und nur Beispiele aus der unendlich faden Haupstadt-Klatschpresse. Wütend bin ich jetzt auch. - Als Regisseur, der sich vorgenommen hat, das sogenannte Stadttheatersysten 'von innen heraus' mit zu reformieren und (ja!) auch neue Zusammensetzungen von Ensembles zu etablieren und Projekte gleichwertig neben Textinterpreationen zu stellen u.v.m., behaupte ich jetzt ganz dreist und zwischen zwei Produktionen an unterschiedlichen Ensembletheatern: der obige Artikel bleibt an Konkretheit und Differenziertheit weit hinter den Kantinengesprächen zurück, die wir, die Freunde der Teamarbeit, des gemeinsamen Experimentierens und der Kontinuität an ganz unhippen Stadttheatern täglich führen und in denen wir versuchen, die Zukunft zu entwerfen. ---Send.
Stadttheater-Debatte XX: pauschales Urteil
Der Gipfel der Anmaßung, dieser (...) Artikel!!!!! Laut Vita auf der eigenen Website keinerlei eigene Erfahrung im Ensemble-Theater, als Schauspieler, Regisseur, Mitarbeiter, Hospitant oder irgendwas - und trotzdem ein derart pauschales Urteil über eine Theaterstruktur (Ensemble & Repertoire) fällen, als hätte er jede Menge Erfahrung und die darin arbeitenden Theaterschaffenden abzutun, als hätte er Ahnung davon. Und eine gelegentliche Unterhaltung mit einem Ensemble-Schauspieler seiner Generation ist da kein Ersatz.
Klar, Ensemble funktioniert mal besser und mal schlechter, es besteht immer auch Reformbedarf im Theater, das ist ne Binsenweiheit. Aber lass die Betroffenen das gefälligst selber machen! Tausenden von Schauspielern, Regisseuren und Theatermitarbeitern derart zu bevormunden, wie dieser überheblich-besserwisserische Artikel es tut, ist wirklich unfasslich arrogant und beschränkt! Den Artikel (...) braucht im Theater absolut niemand!!!!
Stadttheater-Debatte XX: die Logik des Marktes
Es geht doch in der ganzen Debatte nicht darum, ob und wieviele Ensemblemitglieder an einem Haus beschäftigt sind und ob sie sich als Schauspieler oder Performer oder wie auch immer bezeichnen. Es geht auch nicht darum, ob und wie sich die Theater den Herausforderungen unserer Zeit stellen. Das ist nicht der Punkt. Es geht hier um die berechtigte Befürchtung, dass mit Castorf und dem Volksbühnenensemble eine Haltung verschwindet: die Haltung, dass Theater Sand im Getriebe einer Gesellschaft sein darf und muss, oft unbequem und folglich auch unökonomisch. Wenn Tim Renner schreibt, dass Subventionen immer auch Investitionen sind, hat er den Sinn davon und den gesellschaftlichen Auftrag von Theater nicht verstanden. Es geht eben nicht darum, dass Theater investiertes Geld gewinnbringend oder mehrwertstiftend zurückgibt. Subventionen gibt es, um Raum zu schaffen für wichtige Diskurse und unbequeme Stimmen. Mit der alten Volksbühne droht nun eine der letzten Bastillonen gegen neoliberalistisches Kosten-Nutzen-Denken zu verschwinden. Ja: Insofern ist Theater konservativ, weil werterhaltend. Es steht für Werte wie Begegnung und Tiefe, fordert von seinen Zuschauern Musse, Geduld und Beharrlichkeit. Wer ins Theater geht, muss sich einlassen. Gutes Theater steht für etwas ein, was in vielen Lebensbereichen der neoliberalistischen Marktgläubigeit geopfert wurde. Castorfs Fünfstundenabende sind auch Monumente gegen das kapitalistische Rationalisierungsdenken. Grund genug, den Geist der alten Volksbühne zu erhalten. Theater dürfen nicht wie Unternehmen aus Marketing- oder Imagegründen einfach umstrukturiert werden. Das ist ein irreversibler Vorgang, der Gesellschaft und Kultur verflacht und unterwandert. Die Logik des Marktes hat gefälligst nicht in alle Lebensbereiche vorzudringen!
Stadttheater-Debatte XX: Sie werden staunen!
Lieber Herr Weigel, natürlich gibt es nur noch wenige Ensemble in Deutschland, die diesen Namen verdienen. Aber das liegt daran, wie diese Häuser geführt werden. Das deutschsprachige Ensemble-System ist weltweit einmalig und wenn sie sich in anderen Ländern mal mit Schauspielern ihrer Generation unterhalten sollten, werden sie feststellen, daß es in Deutschland ein Seufzen auf hohem Niveau ist. Diese Struktur ist da und kann jedes Jahr neu erfunden werden! Es ist schade, daß es so wenige Städte gibt, die nach mutigen Neuentwürfen suchen. Jedoch müßte dieses Neusuche nicht eine Abkehr vom Ensemblegedanken bedeuten, sondern könnte ihn gerade in den Mittelpunkt stellen. Wie es übrigens, so glaube ich, alle wirklich inspirierenden Stadttheater, die in ihrer Stadt verankert und notwendig sind, machen. Das deutschsprachige Ensembletheater ist eine Chance, die man nicht leichtfertig verspielen sollte. Die freie Gruppe, und der freie Künstler, der ums Überleben kämpft ist globale Realität. Und da sie es offensichtlich noch nicht erlebt haben, Herr Weigel, wünsche ich Ihnen, daß sie einmal erleben können, was es bedeutet, wenn ein Theater ein Ensemble hat. Sie werden staunen!
Stadttheater-Debatte XX: richtiger Einspruch
Ein richtiger Einspruch, finde ich. Auch wenn man sich im Klaren darüber sein muss, dass durchaus auch in den Etagen der Kulturpolitik in Rostock, Wuppertal, Dessau etc. mitgelesen wird und man dort sicher dankbar ist, wenn man die Magazine der Argumentationswaffen mit passenden Argumenten von Nachtkritik-Artikeln und Threads laden kann. Es ist womöglich Wasser auf die falschen Mühlen. Trotzdem - oder gerade deswegen: Die Argumente von Theaterseite fühlen sich immer stumpfer an. Ich kenne einige Ensembletheaterbetriebe von innen und von aussen und finde es immer weniger hilfreich, wenn man immer gleich das Gespenst einer kompletten kulturellen Versteppung an die Wand malt, wenn irgendwo ein solcher Theatertempel in seiner gegenwärtigen Form infrage gestellt wird. Die Gleichsetzung eines Stadttheaters mit der kompletten kulturellen Versorgung einer ganzen Region ist doch längst Verhältnisblödsinn! Wir müssen beweglicher werden!
Stadttheaterdebatte XX: das Essen und die Rezepte
Wenn das Essen schlecht ist,
heisst das noch lange nicht, dass das Rezept schlecht ist!!
Und die ach so hoch gelobten neuen Rezepte...
wie alt sind die denn!
Stadttheaterdebatte XX: Wer sind die Weggefährten?
Was heißt denn "Weggefährten", kennt die jemand mit Namen? Duldet Lilienthal auch nur einen Namen neben sich? Die blinde Stelle in Weigels Stück und in Lilienthals "Ensembletheater", mit dem er sich allerorten brüstet, ist doch die, dass er neben sich niemanden hochkommen läßt. Schon im HAU nicht.
Stadttheater-Debatte XX: Selbstbezug ohne Kritik
"sich (künstlerisch) identifizieren"; "selbstgewählt"; "selbstbestimmt"; "eine Identität" - wenn alle Kunstschaffenden in diesen Kategorien denken würden, wäre die Zeit der Ensembletheater wirklich vorbei. Pluralität; Herterogenität; interner Widerspruch; die Erfahrung, nicht nur (scheinbar) selbst zu bestimmen, sondern eben immer auch bestimmt zu werden, können im Schatten dieser Ideologie nur "schrecklich" erscheinen. Sie wird beherrscht von der Illusion der kompletten (künstlerischen und identitäteren) Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung. Von einer irgendwie kritischen Perspektive auf Kultur und Gesellschaft ist dieser Artikel weit entfernt, leider.
Stadttheater-Debatte XX: Frage
@Matthias Weigel: "neue, funktionierende Ensemble-Modelle" Die da wären??
Stadttheaterdebatte XX: nicht gerade förderlich
Nur leider sind "Pluralität und Heterogenität und interner Widerspruch" in ihrer derzeitigen Form meiner Erfahrung nach am Stadttheater nicht gerade förderlich. Besser Ideologie der Selbstbestimmung als Ideologie des Absolutismus, oder?
Stadttheater-Debatte XX: Chef selber wählen
die berliner philharmoniker wählen sich ihren chefdirigenten selbst. möglicherweise eine idee, um ein echtes "berliner ensemble" zu schaffen (vielleicht an der volksbühne?).
Stadttheater-Debatte XX: kann man nicht wählen lassen
Bei einem Orchester kann man sich auch relativ schnell einen Eindruck verschaffen, wie gut der Dirigent ist. Ein paar Probedirigate vermitteln einen guten Eindruck und dann kann das Orchester wählen. Aber auf Probe so ein komplexes Gebilde wie ein Theater zu leiten und sich dann von den vielen Mitarbeitern aller Bereiche vor und hinter den Kulissen wählen zu lassen - das geht wohl kaum.
Es gibt sie übrigens noch die Theater, die auf Ensemblegeist setzen. In denen junge Schauspieler sich entwickeln dürfen, von älteren lernen und diesen auch neue Impulse geben. In denen es keine Stars gibt, sondern in denen jeder Schauspieler mal groß und dann mal kleiner besetzt ist und die unterschiedlichsten Facetten von sich zeigen darf. Bei denen Kritiker immer wieder die Homogenität des Ensembles loben. In denen das Publikum sein Ensemble liebt ...
Stadttheater-Debatte XX: Übernahme durch Theorie
SÄMTLICHE deutsche Theater stehen kurz vor einer Übernahme durch die Theorie. Es soll den dort arbeitenden Künstlern das Ruder aus den Händen genommen werden, um es in die Hände von Theoretikern, Theaterwissenschaftlern, Eventmanagern, Dramaturgen, Redakteuren zu geben. Die Theater werden dadurch berechenbarer, weniger gesellschaftlich relevant, austauschbarer, beliebiger, schmerzloser. Dieser Vorgang ist politisch gewollt und nicht ohne Parallele in anderen Bereichen der Gesellschaft.
Theaterkünstler Deutschlands wehrt euch! Regisseure, Schauspieler, Ausstatter schmeisst die Theoretiker raus! Bevor sie es tun.
Dass Künstler das Theater bestimmen ist nicht selbstverständlich.
Die unbequemen Praktiker zu zügeln braucht es nur eines Theoretikers der die Zügel strafft. Lasst das nicht zu.
Stadttheaterdebatte XX: treffend
Treffend!
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