"Wir werden uns nicht einig!"

von Georg Kasch und Sophie Diesselhorst

12. Mai 2015. Das Gastspiel von Christopher Rüpings Stuttgarter Adaption des Dogma-Klassikers Das Fest hat unser Mobiles Kritiker-Duo Sophie Diesselhorst und Georg Kasch zu einem Kritiker-Selfie-Video im Dogma-Stil inspiriert. Motto: Gestritten wird nicht nur auf Familienfesten.

 

 

Hier gehts zur Nachtkritik der Stuttgarter Premiere.

Unsere Theatertreffen-Festivalübersicht mit Nachtkritiken und Kritikenrundschauen zu allen Premieren sowie aktuellen Texten unseres mobilen Kritiker-Duos zu den TT-Gastspielen.

 

"Wir werden uns nicht einig!"

von Georg Kasch und Sophie Diesselhorst

12. Mai 2015. Das Gastspiel von Christopher Rüpings Stuttgarter Adaption des Dogma-Klassikers Das Fest hat unser Mobiles Kritiker-Duo Sophie Diesselhorst und Georg Kasch zu einem Kritiker-Selfie-Video im Dogma-Stil inspiriert. Motto: Gestritten wird nicht nur auf Familienfesten.

 

 

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Kommentare  
tt15, Das Fest: Schnittstelle
Nicht streiten! Einfach nach Dortmund fahren. Und das "Fest" dort schauen.
Gerade wenn es um die Schnittstelle von Film und Theater geht. Und wie man trotzdem eine theatralische Spannung aufbaut und dem Druck, der sich aus der Geschichte ergibt, nicht in "Spielereien" ausweicht.
Videokritik Das Fest, TT: kein look-a-like-contest
sehr geschätzte Frau diesselhorst! sie haben den film vorher gesehen? an selben Tag? warum? es ist doch kein look-a-like-contest. hätten sie sich das Drehbuch besorgt, um sich vorzubereiten, klaro. das macht Sinn. aber quasi die Uraufführung sehen? warum? oder haben sie sich auch nochmal Leo als Romeo angeschaut, bevor sie rüpings Romeo und Julia sahen? ist nicht die Uraufführung ich weiß. warum eine Inszenierung desselben Stoffes als Vorbereitung sehen? das wird mit nicht klar. hat rüping denn behauptet, er wolle von der Dramaturgie des Films abweichen? warum sollte er das tun? warum haben sie sich das gewünscht?
TT15, Das Fest: Wer macht es sich zu einfach?
Dieses Video macht mal wieder deutlich, ganz eklatant im Fall von Sophie Diesselhorst, wie Kritiker_innen verlernt haben, zu beschreiben. Es reicht offenbar einfach so einen Satz raus zu hauen wie: "die machen es sich zu einfach". Warum? Inwiefern?
Wer macht es sich hier zu einfach?
TT15, Das Fest: Komplexität als Qualität?
Liebe Frau Diesselhorst.
Wenn DIE es sich zu einfach machen, dann würde mich doch brennend interessieren, wann und inwiefern es dann schwierig genug, komplex genug wäre. Ist schwierig, komplex tatsächlich eine Kategorie Qualität im Theater. Mir scheinen ihre Argumente in dem kurzen Video aus den Fingern gesaugt, während Georg Kasch sehr genau beschreiben kann, was ihn während dem Sehen beschäftigt hat und warum es in berührt hat. Theater schauen ist nicht ganz einfach, wenn sich zu viele Erwartungshaltungen vor das Gesehene stellen. Dann schaut man nur, aber Mann sieht nicht.
TT15, Das Fest: Fratze der guten Laune
Grell ist der Abend, komisch, grotesk, doch es ist ein fratzenhaftes Gesicht, das er zeigt: im aggressiven Hass des Bruders, der tattrigen Verantwortungsflucht des Großvater, der schnell in grausame Kälte umschlagenden Fürsorge der Mutter, der verbissenen Harmonieseligkeit der Schwester. Ob sie dem Außenseiter physisch zu Leibe rücken oder ihm aus dem Hintergrund als Mikrofon-verstärkter Chor der Tabubewahrer begegnen: Rüping zeichnet ein Bild kollektiver Erzählung, die sich selbst bewahren muss, um dem Einzelnen Bedeutung, ja, Identität zu verleihen. Die Familie als Ursprungs- und Rückzugsort, sie ist hier ein Käfig, der den Einzelnen gefangen hält und ihm vorspielt, dass es kein Draußen gäbe, dass er außerhalb dieser Mauern nichts sei. Am Ende, der Abschiedsbrief der Schwester ist gefunden, der Vater kurz davor zu gestehen, zieht sich einer der Schauspieler alle Pullover, alle Identitäten an, während sich ein anderer entkleidet und mit Konfetti entdeckt. Das nackte Ich, es ist Fiktion, die Spuren des mörderischen familiären Narrative bleiben kleben. Da gibt es keine Erlösung, blättert die Schande des Vaters nur ein neues Kapitel auf. Christopher Rüping hat einen bunten, unterhaltsamen, komischen Abend geschaffen, an dem der Zuschauer lange zu kauen hat. Das Lachen bleibt im Halse stecken, die Fratze der guten Laune grinst höhnisch. Konfettiregen war noch nie so verstörend.

Komplette Kritik: https://stagescreen.wordpress.com/2015/05/13/die-im-konfettiregen-stehen/
TT15, Das Fest: Sprache verschlagen
Ich glaube Frau Diesselhorst hat es eher die Sparche verschlagen darüber, dass man diese banale Inszenierung irgendwie gut finden kann. Und das kann ich gut verstehen.
tt15, Das Fest: kompromisslos
@6
Da werden Sie und die Frau Disshorst sich wohl sehr alleine gefühlt haben, wenn ich mich an die Begeisterung erinnere, für die der Abend hier in Berlin gesorgt hat. Und "banal"? Einfach villeicht. Kompromisslos irgendwie, hart und (bitte nicht hassen dafür) in seiner Grausamkeit schön, weil menschlich. Aber "banal"? Auf keinen Fall.
tt15, Das Fest: eine der fragwürdigsten Einladungen
@7: Kein Wunder, ich habe reihenweise (verglichen mit den anderen Abenden beim diesjährigen tt) Leute vorzeitig gehen sehen. Das ist der typische Mechanismus, der die Anzahl der Buhs schmälert.
Der Abend hat eine sehr starke Vorlage, die dringt durch, und fesselt nicht nur diejenigen, die den Text noch nicht kennen. Aber die Inszenierung ist blass bis beliebig. Wesentliche Teile der Erzählung (Küche, Frau von Michael, ...) werden weggelassen. Das letzte Wort hat der Vater, nicht die Kinder. Der Pullover-Wechsel führt nicht weiter. Vieles ist angelegt, doch kaum ein zwingender Zugriff. Eine der fragwürdigsten Einladungen dieses Jahr (die ich Petras gleichwohl gönne!).
tt15, Das Fest: bekannte Theatermätzchen
Was war an dem Abend kompromisslos und hart? Tausend bekannte Theatermätzchen (Konfetti, Wasserspiele, mit Scheinwerfern spielen, Witze erzählen, Popsongs singen, Catwalk) sorgten dafür, über eine totale Leere hinweg zu täuschen. Nicht ein Konflikt, nicht ein Abgrund war zu erkennen. Alles Behauptung. Allenfalls kann man dem sympathischen Ensemble danken, dass man nicht schreiend rausgelaufen ist. Um mich herum blankes Entsetzen, wie man so eine Inszenierung zum TT einladen kann. Dem Thema hat man sich jedenfalls nicht gestellt.
tt15, Das Fest: für TT-Einladung uninspiriert
@7
Also, mich haben die beiden Sophies auch auf ihrer Seite. Und die Leute, die ich hinterher sprach, auch. Banal ist vielleicht etwas hart, dafür waren die Schauspieler dann doch zu gut. Für eine TT-Einladung fand ich es aber relativ uninspiriert. Man hat zugeschaut und sich erinnert, daß der Film ziemlich toll war. Aber dafür hätte man sich auch den Film nochmal anschauen können.
tt15, Das Fest: interessanter Ansatz
@7 - also, ob #6 da wirklich so allein war? Das mit den Begeisterungsstürmen ist halt immer so ne Wahrnehmungsfrage; ich habe mit sehr vielen Zuschauern gesprochen, denen es eher mäßig gefallen hat.
Ich selber fand die Aufführung hatte einen interessanten Ansatz mit immer wieder guten Ideen und Szenen, aber im Überaktionismus blieb dann doch viel an Differenzierung auf der Strecke - und es entstanden für mich dadurch auch gar keine Bilder.
Allerdings war ich vor 14 Jahren auch ein großer Fan der Thalheimer-Inszenierung aus Dresden.
tt15, Das Fest: schon stark
Die nachtkritik-Kommentarleiste bleibt eben das Mätier der Meckerer, Motzer und Neider. Liegt ja auch in der Natur der Sache - Zufriedenheit muss man wahrscheinlich nicht unbedingt so in die Welt rausschreien wie Unzufriedenheit. Oftmals ergibt sich daraus aber ein falsches Bild, fürchte ich. Ich war bei der Vorstellung von "Festen" am Montag - habe zuvor bei der diesjährigen TT-Ausgabe zumindest "John Gabriel Borkman", "die unverheiratete" sowie "Die Schutzbefohlenen" gesehen - aus meiner Sicht hat "Festen" den heftigesten Eindruck nicht nur auf mich, sondern auf weite Teile des Publikums gemacht. Die Verunsicherung im Publikum war in weiten Teilen regelrecht greifbar: Darf man noch lachen über die platten und zuletzt verzweifelten Witze? Darf man hoffen, dass der hilflose Versuch, den Riss in der Familie zu überkleistern, funktioniert? Das war schon stark. Gegangen sind im Parkett vielleicht 5 Leute (den Balkon hatte ich nicht im Blick). Und der Applaus - deutlich heftiger, emotionaler als bei den anderen von mir besuchten Vorstellungen. Ich glaube, dass die Filmvorlage eine Steilvorlage für herausragende Theaterabende ist, da stimme ich meinen Vorrednern zu. Aber die muss man erstmal verwandeln können. Und aus meiner Sicht ist Rüping und seinem grandiosen Ensemble, welches unbedingt einen Preis verdient hätte, genau das gelungen.
tt15, Das Fest: bewusst an die Grenze der Albernheit
Das wilde Durcheinander ist keine Sekunde langweilig. Der Zorn auf den Täter und auf diejenigen, die wie die Mutter sein Verbrechen durch Wegschauen ermöglichten, ist deutlich spürbar. Auch wenn der Abend nicht die emotionale Intensität der Filmvorlage erreicht, kann man ihm nicht absprechen, dass das ganze Team voller Energie und Leidenschaft bei der Sache ist. Aber dann gibt es eben auch zu oft die Momente, wo “Das Fest” ganz bewusst an die Grenzen der Albernheit geht, was viele Zuschauer auch bei “Romeo und Julia” am Deutschen Theater Berlin störte.

Authentische, jugendliche Frische? Oder der zur Pose erstarrte Versuch, sich als “junger Wilder” zu präsentieren? Ein Regisseur, der polarisiert: in Stuttgart gab es zur Premiere viele Buhs, wie beim tt-Publikumsgespräch mehrfach erwähnt wurde. Nach der ersten Aufführung in Berlin waren viele begeisterte Reaktionen zu hören, am zweiten Abend blieb die Resonanz auch hier gedämpfter. Auf Christopher Rüpings nächste Inszenierungen – vor allem als zukünftiger Hausregisseur an den Münchner Kammerspielen – darf man gespannt sein.

http://kulturblog.e-politik.de/archives/24906-theatertreffen-fazit-2015-lina-beckmann.html
tt15, Das Fest: bitte beschreiben!
ICH FAND ES NICH SO STARK. ICH FAND, DASS SIE ES SICH ZU EINFACH GEMACHT HABEN. Hallo? Was ist das für ne Kritik? Das ist nur Wertung und mehr nicht, bitte beschreiben!
tt15, Das Fest: fassungslos
Ich bin fassungslos, wie ein Regisseur mit nichts als Tricks aus der postdramatischen Zauberkiste zur Bestenschau geladen werden kann. Nichts, aber auch wirklich gar nichts an diesem Abend habe ich nicht schon 200 Mal auf der Bühne gesehen. "Jeder spielt hier jeden" steht in der Jurybegründung – gibt es eigentlich auch noch Inszenierungen, in denen mal nicht jeder jeden spielt?? Diese zerstückelten Identitäten, das gibt's auch echt nur im Diskurstheater. Dieser Abend treibt dem "Fest" jede Erzählung aus. Und das soll das neue junge Regietalent sein?? Dass sieben erwachsene Theaterkritiker auf diesen Kindergeburtstag reinfallen, ist geradezu peinlich.
tt15, Das Fest: sympathisches Format
Liebe Frau Diesselhorst, lieber Herr Kasch,
ich finde es mutig so rel. ungeschützt direkt nach der Aufführung (wenn es denn so war?) "loszuplappern". Ihr unterschiedlicher Stil in der Art und Weise der Auseinandersetzung mit dem Stoff, hat mir den Gegenstand näher gebracht. Dieses Format von Kritik war mir sympathisch und hat bei mein Interesse für die Inszenierung geweckt. Dankeschön!
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