Presseschau vom 23. August 2015 – MDR FIgaro zur Thüringer Theaterstrukturdebatte

Macht Thüringen zu viel Theater?

Macht Thüringen zu viel Theater?

23. August 2015. In einem Debattenbeitrag, nachzulesen auf der Website des MDR, stellt MDR Figaro-Redakteur Stefan Petraschewsky die Frage, welche Ziele die derzeit diskutierte Strukturreform der Theater- und Orchesterlandschaft Thüringens eigentlich anpeilen könnte.

Die "Endlosspirale aus Verzicht-auf-Tariferhöhung-gegen-mehr-Freizeit" zu durchbrechen, habe sich die rot-rot-grüne Regierung in Thüringen vorgesetzt, schreibt Petraschewsky. Wenn nun aber die Förderungssumme gleich bleiben soll, müsse der "Theaterapparat reduziert" werden. Das sei der "Fluch der guten Tat".

Braucht jedes Haus ein eigenes Orchester?

Tarifgerechtigkeit - soll heißen Schluss mit den Haustarifvertägen und Bezahlung nach den Flächentarifverträgen, die Gewerkschaft und kommunale wie staatliche Arbeitgeber ausgehandelt haben - sei zwar ein "lobenswertes Ziel". Es könne aber auch andere Ziele geben. Wie "zeitgemäß" etwa seien Orchester in einer heutigen Theaterlandschaft? Brauche Eisenach "zwingend einen "Falstaff"? Oder vielleicht doch eher eine schlagkräftige Schauspieltruppe, die sich um eine neue Art des Stadttheaters bemüht, die dann mit den Begriffen Bürgerbühne, Theaterpädagogik, Kulturhaus in Grundzügen skizziert wäre?" Und dürfte man von den Erfurtern nicht doch erwarten, 30 Kilometer in die Weimarer Oper zu fahren, "zumal dann, wenn dort seit Jahren ein exzellentes Programm gemacht wird?"

Sparten-Gerechtigkeit

Zur "Tarifgerechtigkeit" gehöre auch die "Sparten-Gerechtigkeit". Nur weil die Orchester gewerkschaftlich am besten organisiert seien, dürften "Chor, Schauspieler, Ballett, Puppentheater und Sänger" nicht zuerst der Kürzung der Förderungssummen zum Opfer fallen.
Man könne ja bereits sehen, welche "Merkwürdigkeiten" so etwas zur Folge habe. Die Theater in Rudolstadt und Nordhausen etwa kooperierten seit Jahren. "Da Nordhausen kein Schauspiel hat, kommen die Rudolstädter in den Südharz, umgekehrt kommen Sänger und Chor aus Nordhausen nach Rudolstadt, wo diese Sparte fehlt. Soweit sinnvoll - nur eben, dass beide Theater jeweils ein eigenes Orchester haben, das im Stammhaus spielt. Doppelte Arbeit also: Wenn ein 'Zar und Zimmermann' auf dem Spielplan steht, proben beide Orchester das Stück. Mehr noch: Wenn in Rudolstadt der 'Faust' von Goethe angesetzt ist, sitzt das Orchester im Graben und macht ein bisschen Soundtrack. Anderswo macht dieselbe Arbeit ein Mann am Computer." Ob das nun wirklich der Weisheit letzter Schluss sei?

Die Rolle des Bundes

Und weiter: Die Orchester- und Theaterlandschaft in Deutschland stehe seit 2014 im deutschen Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes. "Wohlgemerkt: im DEUTSCHEN Verzeichnis." Was wäre eigentlich, wenn man mal in Berlin nachfragte: "Wie könnte eigentlich Euer Beitrag aussehen, um diese Orchester- und Theaterlandschaft in ihrer schönsten Ausprägung zu pflegen und zu erhalten?"

Dass Thüringen beim Thema Tarifgerechtigkeit in die Offensive gehe, sei "ein mutiger Schritt auf den richtigen Weg zu". Tarifverträge hätten allerdings aus "Vollzeitstellen inzwischen Zweidrittelstellen gemacht". Im Grunde genommen schon seit der Wende sei in Thüringen fusioniert worden, wurden Sparten geschlossen und GmbHs gegründet. Ein Ende dieser visionslosen Kulturpolitik sei "dringend vonnöten".

(jnm)

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