Offener Brief an den Rechten Krieger

von Tine Rahel Völcker

Eine Fiktion, 24. August 2015

Sehr geehrter Herr Menzel, sehr geehrter Rechter Krieger!

Es ist nun ein halbes Jahr her, seit ich im Spiegel-Magazin das erste Mal Ihren Namen las und noch meinte, Sie nicht zu kennen. Der Artikel handelte von Pegida und seinem Dresdner Umfeld, dem vermeintlich intellektuellen Hintergrund. Ich erfuhr von den Gründen Ihrer politischen Enttäuschung, Ihrem Abfallen vom Demokratieglauben, von Ihrer anschließenden Radikalisierung, die in der Gründung des rechten Jugend-Magazins "Blaue Narzisse" mündete. Sie lobten den friedlichen Charakter von Pegida, und ich wurde allmählich stutzig.

Als ich dann noch Ihr Foto sah, Ihr Portät vor dem Ernst-Jünger-Porträt, wusste ich mit einem Mal, dass Sie eine Theaterfigur sind, und welche.

Aus meinem Theaterstück herausgesprungen

2011 kamen Sie aufs Papier und ein Jahr später auf die Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses. Sie sind der rechte Krieger, einen Namen haben Sie leider nicht, für das Stück war allein Ihr politisches Handeln von Interesse.

Die Handlung gestaltet sich, was Ihre Figur betrifft, nun folgendermaßen (obwohl ich Ihnen das eigentlich nicht zu sagen brauch): ein zorniger junger Mann fühlt sich wegen seiner rechten Ansichten ausgegrenzt, er hegt einen nachvollziehbaren Hass auf den Marktstalinismus (Mark Fisher), aber legt die Misere seiner konservativen Ideologie gemäß fremden- und frauenfeindlich aus, er formiert im Lauf des Stückes einen Chor hinter sich, den Kampfbund für Europa, der eine konservative Revolution herbeisehnt – und schließlich herbeiführt. Eine Dystopie in meinen, eine Verheißung wohl in Ihren Augen.

Nun sind Sie vor einem halben Jahr aus meinem Theaterstück heraus auf den Dresdener Opernplatz gesprungen. Ich sah Ihr Foto in der Zeitschrift und habe in Ihnen den Schauspieler erkannt, Sie sahen ihm zum Verwechseln ähnlich.

Die Normalität der Gewalt

Ein halbes Jahr ist vergangen und Ihre Strategie ging auf. Nicht, dass man das nicht schon im Januar sehen konnte: Mit Ihrem überzeugenden Reden von friedlichen Absichten haben Sie eine bis dahin unübertroffene Menge an Menschen für Ihre Ansichten gewinnen können. Dass es bald darauf wieder weniger wurden, war nicht wichtig, eine neue Normalität war gesetzt. Und dann geschah das, was Sie als rechter Krieger ja schon angekündigt hatten – womit Sie in dieser Dynamik aber vielleicht selbst nicht gerechnet haben.

Der rechte Krieger bittet am Ende des ersten Akts seine Schläger, auf Gewalt und primitive Hetze so lange zu verzichten, bis die Stimmung in der Bevölkerung dazu bereit ist und Gewalt gegen die Fremden als bloße Gegenwehr aufgefasst wird.

Ein halbes Jahr später zeigen sich die Früchte. Die Gewalt kann langsam kommen. Sie ist schon da. Und die von Ihnen vielgescholtene Politik schlägt nicht Alarm, sondern reagiert mit verschärften Asylgesetzen (über die Sie natürlich nur lachen können).

Kaum besprochen werden Vorfälle wie jener, der sich vergangenen Monat im hessischen Mengerskirchen ereignete, wo im Hauseingang einer geplanten Flüchtlingsunterkunft zwei Schweineköpfe deponiert wurden, rings um das Haus Schweineschwänze und Innereien gelegt, go home stand an der Hauswand.

Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen oder ein Verbot der Hetze in Freital fordern, werden eingeschüchtert, mit Morddrohungen verfolgt, die – ein so feiges wie altbewährtes Mittel des politischen Terrors – auf Familienangehörige zielen. Dies ist auch ein Teil des Schweigens, über das geschwiegen wird: die Angst vor Ihnen und Ihrem anonymen Heer.

Oder der Fall eines Hamburger Finanzbeamten, der im Februar in einer geplanten Flüchtlingsunterkunft Feuer legte. Aus Selbstschutz, wie er sagte. Selbstschutz, das heißt hier, dass der Mann sich gegen zwei syrische Familien verteidigte, die in dem Haus nun vorübergehend wohnen. Er sagt vor Gericht, er habe mit einer Gruppe irakischer Männer gerechnet, als würde das die Tat rechtfertigen. Warum hat ein Mann wie er solche Angst vor Männern, die womöglich anders sind als er, oder vielleicht auch gerade, weil sie gar nicht so anders sind? Warum hat man Angst vor Menschen, die noch nicht einmal da sind?

Weil die Angst sich an ihrem eigenen Wahn nährt und sattfrisst – ?

Ich weiß, Herr Menzel, dass Sie sich selbst als einen sehr zufriedenen Menschen bezeichnen. Sie haben Familie, Beruf und Freundschaften, und vor allen Dingen haben Sie eine Sache, an die Sie glauben.

Goldener Reiter 560 c Makrodepecher pixelioKriegerverherrlichung: Der Goldener Reiter in Dresden © Makrodepecher / pixelio.de

Aus Bequemlichkeit wurde Ihr Kampf lange Zeit verniedlicht, Politiker sprachen von den "Sorgen der Bürger", was Ihnen natürlich missfällt, da es unheroisch und banal klingt, auf der anderen Seite jedoch eine willkommene neue Akzeptanz Ihrer Feindbilder bedeutet. Der Wahn wird normal, nicht wahr, das wurde in Ihren Augen auch Zeit? Zu bedauern bleibt nur, dass nach wie vor sich so wenige trauen, die Angst vor dem Verlust von Privilegien beim Namen zu nennen. Stattdessen heißt es: die Sorgen der Bürger ernst nehmen. Aber es meint, dass nicht alle gleich viel verdienen, es meint, dass man kraft seiner Geburt mehr verdient als andere. Sie gehen das alles naturgemäß sehr sachlich an, so sachlich wie ein Werner Best nicht wahr? (Es gab bei den Nazis bekanntlich einige Juristen, die nur von den "Fakten" her dachten und auch der ein oder andere Medienwissenschaftler war dabei).

Furcht und Ekel vor der Mittelmäßigkeit

Nun kann ich mich beruhigen: Sie sind ja bloß ein Hirngespinst von mir, Sie entspringen einer verantwortungslosen Kopfgeburt und – einem viel zu linear erzählten Stück!

Aber warum schreibe ich Ihnen das alles, sehr geehrter Krieger, Herr Menzel und malträtiere Sie so mit meinen Reden von Möntschen, wie es in Ihren Kreisen heißt?

Nun weil ich inzwischen wieder fast ein dreiviertel Jahr mit Ihnen zubringe und Ihnen als Ihre Autorin zwei drei Dinge zu Ihrer Darstellung und Ihrem Pathos zu sagen habe. Als Erstes will ich Sie loben: Sie beherrschen die Rolle, die ich Ihnen schrieb natürlich einwandfrei. Ihre Furcht und Ihr Ekel vor der Mittelmäßigkeit kommen auf der Bühne des Spiegel-Artikels – aber noch viel besser und ungehemmter in Ihrem eigenen kleinen Theater, dem Online-Magazin "Blaue Narzisse" – auf ganz ergreifende und bedrückende Weise zum Ausdruck. Es ist nur ein Jammer, dass Ihre persönliche Leistung in der Öffentlichkeit so wenig Anerkennung findet, aber der Chor wird das schon erledigen.
Wie das so ist bei jeder noch so gelungenen Theateraufführung, es geht nicht ohne Kritik.
So weichen Sie an einigen Punkten von meinem Stücktext ab und improvisieren auf eine Weise, die ich nicht nachvollziehen kann, bzw. wo ich das Gefühl habe, dass Sie uns Zuschauer für dumm verkaufen: Da ist zum einen Ihr Sprechen über Gewalt.
Im Stücktext sagen Sie:

Entscheidend ist die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für offene Gewalt.
Der richtige Zeitpunkt ist dann gekommen, wenn die Gewalttat von einem großen Teil
der Bevölkerung akzeptiert wird. Bis es soweit ist, bleibt uns nichts, als den Kampf weiter mit Worten zu führen. Uns ist dafür eine große
und anspruchsvolle Sprache gegeben.
Machen wir uns immer wieder klar, was Worte als unsichtbare Geschosse in Menschen bewirken können.
Reden ist nur dann ein fauler Kompromiss, wenn es euch nicht gelingt, eure Gegner bis ins Mark zu treffen. Es muss knallen bei euren Worten!
Warum soll das Volk uns vertrauen? Weil wir die Wahrheit sagen und vor nichts Angst haben.
Wir dürfen uns jetzt zu keinen kopflosen Aktionen hinreißen lassen. Keine primitive Hetze. Keine Schlägereien, kein albernes Reden von Exekutionen. Die Voraussetzungen für eine konservative Revolution in Europa waren nie so günstig und wir dürfen es uns jetzt nicht verscherzen.

Nun konnte ich in den letzten Monaten beobachten, wie Sie zwar nach dieser Anleitung handeln, dabei aber, selbst in Ihren Monologen, jegliche Gewalt von sich weisen, also dass Sie uns Ihre Macht, die große Verheißung der kommenden Stärke, nach der Sie sich als Figur sehnen, vorenthalten. Warum? Wenn Sie plötzlich Ihre Kameraden, die wie gewohnt von Einwanderern als kriminellem Pack und Schmarotzern sprechen, mit einem Mal der Ausländerfeindlichkeit bezichtigen, hat das zwar etwas Ehrenhaftes im alten Sinn, aber dieser alte Sinn ist hinfällig, der Chor hat Sie ja schon eingeholt, autonom zieht er los in dem von Ihnen ausgerufenen Feldzug gegen die "Überfremdung".

Nein, Sie sind kein Nazi. Das ist ja das Wunderbare: man muss kein Nazi mehr sein, um gegen Flüchtlinge zu hetzen. Und sogar um ein Flüchtlingsheim anzuzünden, muss man kein Nazi mehr sein. Das ist wirklich eine Leistung Ihrer Figur, auf die sie ganz und gar stolz sein darf, und jetzt bloß nichts zurücknehmen oder relativieren sollte, sie wird sonst unglaubwürdig und fürchten sollen wir uns doch wenigstens vor ihr!

Entmenschlichung wird in Kauf genommen

Also bitte, lassen Sie sich wieder vom grässlichen Jugendüberschuss der Entwicklungsländer reden, denn das heizt den Chor an und treibt die Handlung voran. Sie bedienen sich damit lediglich einer seit Sarrazin ohnehin salonfähigen ökonomischen Terminologie, einer Kosten-Nutzen-Rechnung und nehmen somit die Entmenschlichung und Entwürdigung der betreffenden Subjekte in Kauf. Das ist ja beinah schon harmlos langweilig. Tatsächlich wissen wir beide, geht es einem Krieger um nichts anderes: um das Austreiben aller Empathie für markierte Andere, um handlungsfähig zu sein. Die notwendige Konsequenz einer solchen Begriffsverschiebung vom Subjekt zu einem störenden Etwas ist aber seine physische Beseitigung. Das schwingt natürlich immer mit bei solch einem Sprechen, da liegt in Deutschland die Krux, und deshalb haben Sie vielleicht zuletzt Abstand von solch scharfen Begriffen genommen. Sie nehmen allerdings Ihrer Figur die notwendige Tiefe, wenn Sie hierüber nicht ab und an laut nachdenken und uns Zuschauer an diesem Konflikt teilhaben lassen.

Sie könnten erst laut verkünden, – weil Sie das in der Öffentlichkeit tun müssen –, dass Sie gegen Gewalt sind, um danach in einem zur Seite gesprochenen Monolog uns vertraulich zuzuflüstern, dass Sie im Grunde genommen ja wirklich gegen Gewalt sind, jedenfalls gegen eine formlose Gewalt, also dass Sie kein Rüpel sind, sie haben nicht umsonst Ihren Carl Schmitt gelesen; und dass es nun aber so ist, dass Sie leider durch die deutsche Geschichte mit manchen Wörtern immer wieder ein Problem bekommen, und Ihnen etwas falsch ausgelegt wird. Das ist natürlich ungerecht, das werden wir als Zuschauer verstehen. Wir werden verstehen, dass die Nationalsozialisten ironischerweise allen nachfolgenden rechten Bewegungen in Deutschland viel vermasselt haben mit ihren Wörtern wie "Sonderbehandlung". Wir werden verstehen, dass es deshalb notwendig ist, sich als moderner Rechter von den alten Nazis zu distanzieren, da darin ihr eigentliches Vergehen lag: dass sie es ihren Enkeln und Urenkeln so unnötig schwer machen, das Natürlichste von der Welt, nämlich rechts zu sein.

Wie will man mit einem Du-losen sprechen?

Ich weiß nicht, ob Ihnen schon aufgefallen ist, was für ein komisches Bild man von Ihnen in der Öffentlichkeit hat (sofern man Sie überhaupt wahrnimmt). Es heißt immer wieder, man muss mit Ihnen reden, es heißt, man kann mit Ihnen reden. Sie und ich wissen natürlich, dass das Unsinn ist. Paul Celan nannte die Nazis die Du-losen.

Wie will man mit einem Du-losen sprechen?

Einem Du-losen einen Brief zu schreiben, ist entweder Unsinn oder eine Aporie, und dass es sich bei dem Adressaten um meine Stückfigur handelt, macht die Angelegenheit nicht weniger weglos. Ohne ein Du gibt es keinen Weg, jedenfalls keinen, den ich gehe.

Es ist klar, ich schreibe Ihnen, um Sie zu provozieren. Weil es kaum eine Person geben dürfte, die mir fremder und ferner wäre als Sie. Und weil es genau darum geht, um das Fremde. Und da Sie damit vermutlich keine Erfahrung haben, sag ich's Ihnen halt: Wo man sieht, wie sich Eigenes und Fremdes ständig mischen, kann das eigene Urteil (sofern's denn ein eigenes ist!) vom Zweifel nicht mehr lassen. Und der Zweifel ist eine puritanische Nahrung: Man muss das Unverständliche mit Güte betrachten, ob man will oder nicht.

Was das politisch heißt, ist klar. Die rechte Maxime von der Eigentlichkeit ist ein Phantom.

Die besorgten rechten Bürger wünschen, dass man ihre Ängste ernst nimmt.

Und ich wünsche mir, sie würden ihre Ängste selbst einmal ernst nehmen und sich auf die Couch legen. Ja genau, sich in die jüdische Psychoanalyse begeben.

Denn der Kampf gegen "die Ausländer" und alles Fremde gilt bekanntlich einem selbst.

Zum Glück gibt's die Islamisten, die einem die inneren Mauern festigen. Zum Glück leben in Deutschland Muslime, so kann man doch von einer Bedrohung sprechen. Zum Glück gibt's aber wiederum nicht so viele in Sachsen, weil man sonst ja im Alltag etwa im Kontakt mit Eltern in der Kita mitkriegen würde, dass Muslime Individuen wie alle andern auch sind.

Carl Schmitt ließ gerade die Ähnlichkeit zwischen den assimilierten Juden und den nicht-jüdischen Deutschen (wohlbemerkt den Deutschen, wie er sie sich wünschte: intellektuell und distinguiert) keine Ruhe, und gerade das Verbindende und die verwischte Grenze schien ihn zu quälen, als er schrieb: Der Feind ist unsere eigene Frage in Gestalt.

Die Ideologie des "Ethnopluralismus"

Obwohl Sie es ja längst kennen und danach agieren, schicke ich Ihnen trotzdem nochmal meine aktuelle Stückfassung. Nachdem es nun ein halbes Jahr im deutschen Repertoire läuft – und dabei phantastischerweise ganz ohne Bühnentechnik auskommt –, habe ich es nochmal umgeschrieben und aktualisiert, Sie haben mir durch Ihre Darstellung zu wichtigen Einsichten verholfen, dafür bedanke ich mich. Lesen Sie sich und geben uns allen eine Kritik, sozusagen aus innerer Kennerschaft. Ich bin gespannt auf die Saltos, die Sie schlagen und insbesondere, wie Sie um die deutsche Geschichte herumtanzen, hoffentlich ohne große Patzer wie den folgenden: Auf der Internetseite der Identitären Bewegung, für deren ideologische Schulung Sie verantwortlich zeichnen, heißt es, die Neue Rechte unterscheide sich von der alten Rechten (und damit von allen nazistischen und rassistischen Konzepten) durch ihren neuen "Ethnopluralismus". Da sprechen Sie von der "Anerkennung und Achtung einer jeden Ethnie und Kultur und ihrer Souveränität auf ihrem geschichtlich gewachsenen Gebiet". Was daran neu sein soll, können Sie vermutlich selbst nicht sagen.

Damit machen Sie Ihre Figur aber schon wieder unnötig dumm und lächerlich. Sie sollten schon wissen, dass Hitler sich je nach außenpolitischer Lage ebendieser Argumente bediente. Und beim Juristen und Heydrich-Stellvertreter Werner Best war ebendas Kern seiner "nüchternen" nationalsozialistischen Überzeugung, nämlich das Völkerrecht lebensgesetzlich darwinistisch auszulegen. Aber das wissen Sie natürlich, denn Ihre Figur ist weder blöd noch lächerlich und vermutlich können Sie zu Recht darauf bauen, dass Sie es bei der Identitären Bewegung mit lauter Ahnungslosen zu tun haben, die sich peinlicherweise eine Argumentationslinie als die Überwindung nationalsozialistischen Denkens verkaufen lassen, die nun gerade das Gegenteil bezeugt.

So vorhersehbar und streckenweise langweilig Ihr Spiel inzwischen geworden ist, so wenig kann man Ihnen den Erfolg streitig machen. So lange vor allem Männer aus der bürgerlichen Mitte Ihnen applaudieren, kann man sagen, Ihre Figur überzeugt.

Ich verbleibe, mit gänzlich fremden Grüßen,

Tine Rahel Völcker


Mehr zum Themenkreis: Im Januar 2015 interviewte nachtkritik.de die Dresdner Theaterleiter Wilfried Schulz (Staatsschauspiel) und Dieter Jaenicke (Hellerau) zur Pegida-Bewegung in Sachsen.

 

 

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