Presseschau vom 12. September 2015 – Schweizer Medien über den "Tötet Roger Köppel"-Beitrag des Zentrums für Politische Schönheit
Marketing per Mordaufruf?
Marketing per Mordaufruf?
12. September 2015. Die Neue Zürcher Zeitung (12.9.2015) und der ebenfalls in Zürich erscheinende Tages-Anzeiger (12.9.2015) berichten über eine neue Aktion des deutsch-schweizerischen Künstlerkollektiv Zentrum für politische Schönheit, das zuletzt mit Die Toten kommen und dem Ersten Europäischen Mauerfall für Aufsehen gesorgt hatte. In dem Schweizer Arbeitslosen-Magazin "Surprise" haben die Künstler*innen nun in einem Gastbeitrag zum Mord an Roger Köppel aufgerufen: "Tötet Roger Köppel! / Köppel Roger tötet!" Köppel ist Verleger und Chefredakteur der Wochenzeitung Die Weltwoche und Nationalratskandidat für die rechtspopulistische SVP und war am 8. September in der Talkshow "Menschen bei Maischberger" zum Thema Flüchtlinge und Asylpolitik aufgetreten und hatte stärkere Solidarität mit den Einheimischen gefordert, für jene, "die hier arbeiten und Steuern zahlen, die rechnen müssen und vielleicht keinen sicheren Job haben".
"Der Aufruf zum Mord an Köppel kann als eine Reaktion auf dessen Auftritt im deutschen Fernsehen verstanden werden", so Andreas Tobler im Tages-Anzeiger, der als Vorbilder dieser Aktion Christoph Schlingensiefs Aufruf zum Mord an Helmut Kohl (u.a. 1997 bei der Documenta in Kassel) nennt – "wobei Schlingensief immer straflos blieb, da seine Aussagen einem künstlerischen Kontext zuzuordnen seien. So das Urteil der deutschen Richter." Auf Schlingensief beruft sich laut Tobler auch das "Surprise"-Magazin, das für eine Sonderausgabe zu den eidgenössischen Wahlen 80 Intellektuelle um Beiträge zu der Frage "Was braucht die Schweiz?" gebeten hatte, unter ihnen Philipp Ruch, Chefdenkter des ZPS. Die Redaktion habe Ruchs Beitrag intensiv diskutiert, sich aber für die Veröffentlichung entschieden, "da es mit Schlingensief Vorbilder gibt und die Ankündigung in den Augen der Redaktion wichtige moralische Fragen aufwerfe: 'Was darf man, was darf man nicht? Wo sind die Grenzen des guten Geschmacks? Wie geht die Schweiz mit Provokation um?'"
Tobler selbst fragt sich, ob es sich bei dem Aufruf "am Ende nur um Marketing" handelt. Schließlich verweist das ZPS darunter auf seine neue Produktion am Theater Dortmund, deren Premiere nächste Woche stattfindet. Christina Neuhaus von der NZZ findet schärfere Worte: "Damit das auch ja alle mitbekommen, haben sich die Verantwortlichen nicht entblödet, das Sujet per Mail in die helvetischen Redaktionen zu senden." Ihr "Ratschlag an die hochmoralische Künstlerschaft: Wenn Sie genügend lang über die Menschenwürde nachgedacht haben, wenden Sie sich doch der Meinungsfreiheit zu. Soll sie auch für Journalisten gelten?"
(ape)
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