Sozialversicherung: Theater Freiburg muss 400 000 Euro nachzahlen
Widerspruch eingelegt
11. November 2015. Weil es zu wenig Sozialversicherungsbeiträge für Gastschauspieler abgeführt haben soll, muss das Städtische Theater Freiburg rund 400.000 Euro nachzahlen. Das berichtet die Südwest Presse. Das Theater habe für Gastschauspieler Beiträge von der ersten Probe bis zur Premiere gezahlt und dann an den jeweiligen Spieltagen, teilte eine Sprecherin der Stadt Freiburg dem Bericht zufolge mit.
Die Rentenversicherung wolle sich, so das Blatt weiter, dazu nicht äußern, verweise aber auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. März 2013, das eine durchgehende Zahlung vom ersten Probentag bis zum letzten Gastspieltag fordere. Das Theater weist die Forderung dem Zeitungsbericht zufolge mit der Begründung zurück, die Schauspieler könnten an den freien Tagen auch andere Engagements annehmen.
Eine zweite Forderung der Versicherung beläuft sich dem Bericht der Südwestpresse zufolge auf 138.000 Euro für die Beiträge von Bühnenmitarbeitern. Das Geld habe das Theater aber bereits überwiesen. Wie das Geld für die Sozialversicherung der Gastschauspieler vom Theater aufgebracht werden soll, ist derzeit noch unklar. Eine dritte Betriebsprüfung durch die Rentenversicherung stehe noch aus. Das Theater hat den Angaben zufolge Widerspruch gegen die noch ausstehenden Beträge eingelegt.
(Südwest Presse / sle)
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Jetzt habe ich wohl verstanden, was die Freiburger gemacht haben. Und wenn ich Recht habe, ist schon ziemlich dreist.
Zur Erinnerung: Das Arbeitsentgelt eines Darstellers ist sozialversicherungspflichtig. Allerdings gelten bei KV und RV Beitragsbemessungsgrenzen, bis zu denen die Beiträge berechnet werden (alles was darüber liegt, ist beitragsfrei). Normalerweise kennt man die Monatsbeträge (KV 4.125,00 EUR, RV West 6.050,00 EUR) allerdings gibt es auch für unständig Beschäftigte Tagessätze der BBG: (KV 135 EUR, RV West 201,66 EUR).
Bei den Vorstellungsgagen hat das Theater Freiburg offensichtlich versucht eine unständige Beschäftigung zu begründen (warum das nicht geht, kann man leicht recherchieren). Das bedeutet wohl: Das Theater zahlt beispielweise eine Abendgabe von 500 EUR. Es würden RV- und KV-Beiträge von 169 EUR entstehen. Nutzt das Theater die Tages-BBG reduzieren sich die Beiträge auf 58 EUR.
Auch wenn das auf den ersten Blick ganz gut aussieht (Der Künstler hat einen höhere Netto-Gage und das Theater spart an den Lohnnebenkosten), das geht so nicht, denn das Arbeitsverhältnis ist zwar befristet aber nicht unständig.
Prof. Nix, habe ich das richtig verstanden?
Na, damit hat das Theater Freiburg ja ausgesprochen gute Erfahrungen.
Viel Glück ;-)
Damit stellen Sie den gesamten Theaterapparat in Deutschland in Frage; es gibt keine Freiheit der Kunst, solange sich Theaterleitungen bei der Verpflichtung von freien Mitarbeitern (Künstlern welchen Standes auch immer) wie Feudalherren beim Anfordern einer Dienstleistung fühlen (können/dürfen/müssen). Wird nicht geliefert, was gewünscht bzw. angewiesen wurde, kann gefeuert werden - mit einer (im Grundgesetz übrigens unter Artikel 5 nachzulesenden) Freiheit von Künstlern als Künstler nähmen Sie ja den ganzen Machterhalt weg... Wohin denn dann mit den ganzen selbsherrlichen DienstherrInnen, wohin mit Ihren komplexen Komplexen?
Ich glaube nicht, dass besonders viele Theater diese Methode der Kostenminimierung angewendet haben. Denn sie ist wirklich sehr spitzfindig argumentiert ... Das ist jedenfalls eine ziemliche Zockerei (und dann noch auf Kosten der Rentenversicherungsansprüche der Gäste) - und wer bereit ist ein Risiko einzugehen, der muss die Folgen ertragen. Die Theater werden wohl wissen, wann sie die nächste Betriebsprüfung der Sozialversicherungsträger haben werden ... also fleißig Rückstellungen bilden.
Ich denke (und erwarte), dass ein konservativ haushaltender Geschäftsführer/Verwaltungsdirektor die Finger von solchen Methoden lässt.
@5
Aber ich dachte das ist (abschließend?) geklärt:
"Gastspielverpflichtete Schauspieler (...) sind in den Theaterbetrieb eingegliedert und daher grundsätzlich abhängig beschäftigt."
(Statusfeststellung von Erwerbstätigen, 13.04.2010)
Hier der Link:
http://www.aok-business.de/fileadmin/user_upload/global/Fachthemen/Rundschreiben/2010/rds_20100413_Statusfeststellung_aktualisiert.pdf
Ich kenne tatsächlich diese Methode seit langem an kleineren und auch größeren Häusern (abseits der Hauptstadt) als gängige Praxis. Spontan fallen mir aus den letzten 15 Jahren, solange bin ich im Beruf, fünf Häuser im Osten der Republik ein, an denen ich es so erlebt habe. Ansonsten wären Gäste nicht finanzierbar, das hieße sonst, ein Gast wird (mindestens) per Mindestgage für die gesamte Laufzeit einer Inszenierung engagiert und für kleine Häuser ist das das, was sie eben nicht leisten können. Eigentlich verwundert mich, dass diese Methode ungewöhnlich sein soll.
diese weisungsgebundenheit stammt aus der nazizeit... sie ahnen sicher warum: weil man inhaltliche kontrolle über das haben wollte, was auf der bühne stattfindet. ich bin der meinung, wenn man das per gesetz regelt bzw. diese weisungsgebundenheit abschafft, so dass auf rechnung gearbeitet werden darf, regelt sich der rest von alleine. man kann das immer von zwei seiten sehen, schon heute verlassen angestellte schauspieler produktionen, wenn sie mit regie/ leitung nicht klarkommen bzw. künstlerisch nicht zusammenkommen und gewinnen daraus resultierende arbeitsrechtsprozesse... den rest wird der markt regeln, bin ich mir sicher... mir ist es nach wie vor ein rätsel, warum der bffs um jeden weiteren versicherungstag feilscht und nicht für diese freiheit der kunst eintritt, es wären alle sozialversicherungsrechtlichen probleme, was den status von freien schauspielerInnen betrifft gelöst...
@9
ALLE theater und auch filmproduktionen machen das so... (überprüfte information aus über 40 produktionsfirmen und weit mehr als 20 stadt- bzw. staatstheatern)
Hier gibt wohl ein Missverständnis. Die allermeisten Theater unterscheiden bei Gästen zwischen einer Gage für den Probenzeitraum (Probenpauschale) und den Vorstellungsgagen. Deshalb sind es ja Gäste und keine Ensemblemitglieder. (Bei Teilspielzeitverträgen wird anders verfahren oder gern auch bei Produktionen mit extrem hoher Vorstellungszahl in kurzer Zeit). Aber darum geht es hier doch gar nicht. Hier geht es um eine besondere (und nicht zulässige) Art der Berechnung der fälligen Sozialversicherungsbeiträge ...