Presseschau vom 11. Februar 2016 – Deutschlandradio Kultur über den Arbeitsalltag von Berliner Theatermacher*innen mit Migrationshintergrund

Deine Biographie zählt

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Berlin, 11. Feburar 2016. In einem größeren Bericht für das Deutschlandradio Kultur (11.2.2016) wirft Cara Wuchold einen Blick auf die Arbeitsrealität von Berliner Theatermacherinnen und Theatermachern mit Migrationshintergrund. Das noch von Matthias Lilienthal am HAU initiierte und von Shermin Langhoff kuratierte "Beyond Belong"-Festival habe 2006 eine Szene von neuen Künstler*innen sichtbar gemacht und vernetzt, die später am Ballhaus Nanynstraße und jetzt am Gorki Theater in Berlin ihre Zentren fand. Mit einigen der Protagonist*innen dieser Aufbruchszeit und einem neuen Gesicht auf Berlins Bühnen spricht Cara Wuchhold.

Gorki-Intendantin Shermin Langhoff erklärt, dass es ihr beim Casting fürs Gorki-Ensemble nicht um Multiethnizität gehe, sondern um "Multiperspektivität, die Biografien mitbringen“; eine Rolle spiele, "dass es spannende Biografien sind, mit Menschen, Schauspielern, Darstellern, die auch Lust haben, mit sich als Menschen als Biografien auf der Bühne umzugehen."

Nur Normalität

Über den Gorki-Hausregisseur Nurkan Erpulat erfährt man, dass er sich als Shakespeare-Experten sieht (wovon die deutsche Theaterlandschaft und auch das nachtkritik.de-Lexikon noch gar nichts wissen). Wenn er das Programm des Gorki Theaters auf einen Begriff bringen sollte, so wäre es "Democracy", so Erpulat. "Was für ein Land, was für eine Welt wollen wir haben. Für diese Themen versuchen wir neue Stoffe zu entwickeln"; und "wenn man unter anderem ein Viertel dieses Landes, nämlich Menschen mit Migrationshintergrund, auch thematisiert, empfindet man von außen, dass man eine ganz bestimmte Linie und ganz bestimmte Richtung hat. Nein, eigentlich, was wir machen ist leider nur Normalität."

Am Regiepult hat man es leichter

Neco Çelik, Filmemacher und Regisseur von "Schwarze Jungfrauen" bei "Beyond Belonging" 2006, spricht über seine Wurzeln im Hip Hop und sagt zur Theaterarbeit: "Wir Regisseure haben das vielleicht einfacher gehabt, aber die Schauspieler kamen aus den Schauspielschulen und haben keinen Platz im Ensemble bekommen. Und diese Diskriminierung ist wirklich einmalig, die immer noch anhält, und durch das 'Gorki' jetzt zum Glück noch mal ein Beweis ist, dass wirklich Qualität sich durchsetzt, ist egal, welche Herkunft du hast."

Lorna Ishema, deutsche Schauspielerin mit ugandischen Wurzeln und neues Ensemble-Mitglied am Deutschen Theater Berlin, bringt im Finale des Berichts noch einen guten Schub der Unverkrampftheit oder "Normalität", von der auch Erpulat spricht. Bei der Entwicklung von Figuren sei "es halt irgendwann egal", ob "jemand einen Migrationshintergrund hat oder nicht. Ich versuche nie dran zu denken. Das ist eher etwas, das von außen kommt, weil ich geh nicht an ne Rolle ran und sage, boah, wie streiche ich alles raus aus der Figur, oder wie spiele ich die Figur, dass jemand versteht, dass ich als Farbige die Figur spiele. Das ist mir viel zu anstrengend und das ist auch überhaupt nicht mein Job. Und wenn das jemanden stört, ja, dann tut's mir leid. Aber natürlich wünsche ich mir, dass es irgendwann einfach selbstverständlicher ist, also dass man sich diese Fragen nicht mehr stellt."

(chr)

 

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