Presseschau vom 16. März 2016 – Die Presse fasst den Rohbericht des österreichischen Rechnungshofs zum Finanzskandal am Wiener Burgtheater zusammen

Ein desaströses Bild

Ein desaströses Bild

16. März 2016. In der in Wien erscheinenden Presse fasst Karl Ettinger den Rohbericht des österreichischen Rechnungshofs zum Finanzskandal am Wiener Burgtheater zusammen. Der Bericht, der noch keine offiziellen Gegenstellungnahmen der geprüften Einrichtungen enthält, zeichne "ein desaströses Bild, wie sich die Finanzmisere mit haarsträubenden Unzulänglichkeiten während der Geschäftsjahre 2008/09 bis 2013/14 zugespitzt" habe: "Millionenauszahlungen ohne Belege; millionenteure Produktionen trotz akuter Finanzprobleme; schwere Versäumnisse bei der Bilanzierung der Personalrückstellungen; offenkundige Missstände bei der internen Kontrolle".

Besonders der früheren Burgtheaterleitung, Geschäftsführerin Silvia Stantejsky und Intendant Matthias Hartmann, wird im Bericht vorgeworfen, "nicht unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung" gehandelt und "unrichtige Daten zur Berechnung der Personalrückstellungen" an den Gutachter übermittelt zu haben, zitiert die Presse das Rechnungshof-Papier. "Die Jahresabschlüsse vermittelten zudem kein möglichst getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und standen damit auch nicht im Einklang mit den wirtschaftlichen Verhältnissen der Burgtheater GmbH."

Die Folge: Ende des Geschäftsjahres 2012/13 musste ein negatives Eigenkapital von 10,29 Millionen Euro ausgewiesen werden. Doch niemand zog die Notbremse. "Trotz unzureichender finanzieller Reserven in den Geschäftsjahren 2008/09 bis 2011/12 wurden Bühnenproduktionen durchgeführt, die die Budgets um insgesamt rund 9,63 Millionen Euro überschritten", zitiert die Presse den Bericht. Deswegen mussten Fremdmittel aufgenommen werden, die bereits 2010/11 laut dem Rechnungshof-Rohbericht das Vierfache des Ausgangswertes von Anfang 2008/09 betrugen.

(geka)

 

Einem Bericht des Wiener Standards (16.3.2016) zufolge, plant der österreichische Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) im Laufe der kommenden zwei Wochen, zu dem Bericht offiziell Stellung zu nehmen.

Am Rande einer Pressekonferenz sagte er, man werde "prüfen, ob wir daraus ableitend allfällige weitere Schritte setzen müssen. Mein jetziger Stand ist aber: Der Großteil der Anregungen wurde schon umgesetzt oder befindet sich in Umsetzung." Ostermayer betonte außerdem: "Hätten wir 2014 nicht zeitgerecht reagiert, würden wir jetzt vor anderen Problemen stehen."

(miwo)

 

Hier die Meldung vom 14. November 2015: Ex-Finanzchefin des Burgtheaters gesteht Veruntreuung.

Einen Überblick über das bisher Geschehene gibt die Chronik zur Krise des Burgtheaters. Die Hintergründe, der aktuelle Stand und die möglichen kulturpolitischen Auswirkungen sind außerdem im nachtkritik-Podcast zum Burgtheater-Skandal zusammengefasst:

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Kommentare  
Rechnungshof zum Burgtheater: Misswirtschaft schon vor Hartmann?
Im Hintergrund der Berichterstattung scheint noch immer das Scharmützel zwischen Hartmann-Freunden und Kulturminister fortzulaufen. Sahen die Hartmann-Freundlichen den Ex-Intendanten am Wochenende durch das Gutachten der Korruptions-Staatsanwaltschaft entlastet, bringt die Gegenseite jetzt den eigentlich noch unveröffentlichten Rechnungshofbericht an die Öffentlichkeit, der Hartmann und Stantejsky gleichermaßen in die Pflicht nimmt. Wobei mir die Unterschiede in der Aufgabestellung nicht völlig klar sind: beim Staatsanwalt geht es um ein Strafverfahren, welche Konsequenzen hat der Rechnungshofbericht? Ein strukturell anderer Ansatz der Staatsanwaltschaft scheint für Hartmann zu sprechen: deren Gutachten nahm Akten bis zurück ins Jahr 2004 in den Blick, während der Rechnungshofbericht nur die Ära Hartmann untersucht hat. Sollte die Misswirtschaft, wie die Staatsanwaltschaft nahzulegen scheint, schon vor der Ära Hartmann existiert haben, würde das zumindest die Optik dieser Angelegenheit verändern.
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