Presseschau vom 31. März 2016 – Die Süddeutsche Zeitung vergleicht das Wiener Burg- mit dem Wiener Volkstheater
Bloß nichts falsch machen
Bloß nichts falsch machen
31. März 2016. In der Süddeutschen Zeitung vergleicht Wolfgang Kralicek das Wiener Burg- mit dem Wiener Volkstheater. Beide würden jetzt von einer Frau geleitet, Karin Bergmann hier, Anna Badora da, beide haben Geldprobleme. „Das Burgtheater muss sparen, nachdem sich im Zuge der Affäre um undurchsichtige Kassentransaktionen millionentiefe Löcher im Budget aufgetan haben; das Volkstheater ist ohnedies chronisch unterdotiert.“
Wenigstens künstlerisch habe die arme Schwester unter Anna Badora zuletzt stark aufgeholt: „Im Vorjahr war das krisengebeutelte Burgtheater noch zum 'Theater des Jahres' gewählt worden, in der laufenden Spielzeit macht das Volkstheater das lebendigere, spannendere Programm.“ Dort traue man sich was, probiere verschiedene Spielformen aus, setze stark auf ausgeprägte Regiehandschriften. Und auch wenn das nur teilweise aufgehe, "ist es immer noch spannender als das brave Theater, das derzeit im Burgtheater geboten wird. Das Volkstheater will was, das Burgtheater will bloß nichts falsch machen.“
(geka)
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So auf die Frage nach Sparzwang und "nicht sonderlich mutigem" Spielplan:
"Karin Bergmann: Ich finde Elfriede Jelineks "Die Schutzbefohlenen" in der Burg durchaus eine starke Ansage. In den beiden großen Häusern haben wir diese Spielzeit drei Ur- und eine Erstaufführung. Wir packen wichtige Themen an, haben junge Regisseurinnen ans Haus gebunden. Aber meine Libido ist nicht, das Publikum mit sperrigen Arbeiten vor den Kopf zu stoßen. Ich brauche die Sicherheit, dass unser Stammpublikum die Inszenierungen annimmt."
Zum Engagement Claus Peymanns als Uraufführungsregisseur für das neue Handke-Stück:
"Karin Bergmann: Peymann hat mit "Die Unschuldigen" eine seiner besten Arbeiten der vergangenen zehn Jahre abgeliefert. Ich bin glücklich, wenn ich sehe, wie toll der Abend rennt. Wir haben viele junge Leute im Publikum, die erstmals sehen, wie dieser Altmeister den Bühnenapparat anwirft. Allein, was da an Light- und Sounddesign zu erleben ist, unabhängig von den tollen Schauspielern: Das hat es seit Jahren an der Burg nicht mehr gegeben."
Auf die Frage, ob der Kulturminister Josef Ostermayer einen Sonderstatus genieße, weil er sich oft im Burgtheater-Backstage-Bereich aufhalten dürfe:
"Karin Bergmann: Was bedeutet Sonderstatus? Ostermayer ist stellvertretend für die Republik Österreich der Eigentümer des Burgtheaters. Es stimmt, er kommt ab und zu bei Premieren nach der Vorstellung hinter die Bühne, um den Schauspielern und dem Team zu gratulieren."
Was sollen diese aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate?
Frau Bergmann hat am Burgtheater allein in diesem Jahr vier Millionen Euro eingespart, und gleichzeitig noch eine Million überplanmäßig dazuverdient.
Da sprechen Taten deutlicher als Worte.
Bergmann hat vier Millionen eingespart und eine dazuverdient:
Minus vier, plus eins, macht bei einem Jahresbudget von bisher 50 Millionen: 47 Millionen.
Ist das Burgtheater jetzt arm?
Und was ist eigentlich mit diesem legendären Hundert-Punkte-Plan mit Sparvorschlägen: Warum ist der nie veröffentlicht worden? Den hätt ich gern gesehen. Da hätte es vielleicht was zu Lachen gegeben.
Und solange das B-Theater (kleiner Sparvorschlag) weiter Schauspielern wie Michael Heltau ein Gehalt bezahlt, der meines Wissens seit 30 Jahren kein Theater mehr spielt, braucht Frau Bergmann bei den Büroklammern nicht mit dem Sparen anzufangen.
(Anmerkung der Redaktion: Laut Wikipedia-Artikel spielte Heltau "seine letzte Rolle am Burgtheater (Akademietheater)" 1999, nämlich den Mann in Edward Albees "Spiel ums Baby". Das wären dann also eher 17 als 30 Jahre. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Heltau)
Schönen Gruß an Karin Bergmann: Der Minister Ostermayer ist nicht "der Eigentümer des Burgtheaters".
Frau Bergmann sagte "stellvertretend".
Lieber Tobias, der Minister Ostermayer ist auch nicht stellvertretend der Eigentümer des Burgtheaters.
Niemand rollt die eigentlichen Probleme auf: Frau Bergmann hat zum Team Bachler gehört, und hatte viel mit diesem alten System der langen Payroll zu tun.
Aber wieder zurück in die Gegenwart. Warum ist Frau Stantejsky eigentlich noch einmal Geschäftsführerin des Burgtheaters geworden, obwohl erst an Drei gerankt? Wieso bekam der Erstplatzierte, noch nicht einmal ganz am Flughafen Wien angekommen, um zurück nach D zu fliegen, einen Anruf der Head-Hunterin, die (damalige) Ministerin (die nicht beim Bewerbungsgespräch dabei war) wünsche sich eine Frau auf der Stelle, und im Zweitsatz, vor allem aber Herr Springer wolle am Bewährten festhalten?
Wie korrupt ist ein System wirklich, indem fingiert ausgeschrieben, eine Ministerin vorgeschoben und im Nachhinein blamiert wird, und das System einfach am Laufen gehalten wird. Und hierbei handelt es sich nicht um irgendeine Ausschreibung, sondern um die des Chief Economist des größten Schauspielhauses der Welt, in dem seit einiger Zeit einiges nicht mehr gerade lief, wie sich nun Zug um Zug herausstellt.
Die Aufsichtsratsprotokolle und die der Findungskommissionen sollten freigegeben werden zur Recherche und publizistischen Verwertung.
Das Theater kann froh sein, dass der Erstplatzierte nicht das entgangene Gehalt einklagt.
Der Erstplatzierte sollte sich im Nachhinein eher gratulieren, dass er die Theaterwirtschaft nicht in dem damaligen Zustand übernehmen musste. Obwohl, es wäre sicher noch einiges zu retten gewesen.
Michael Heltau (Doyen) und Elisabeth Orth (Doyenne) dürfen von der Direktion nicht in Ruhestand versetzt werden, weil....
"Ein Doyen oder eine Doyenne ist auch ein besonderes Mitglied des Theaters, ursprünglich des Wiener Burgtheaters. Diese Ehrenauszeichnung tragen jeweils eine Dame und ein Herr im Ensemble, meistens die dienstältesten Ensemblemitglieder, und somit bleiben sie bis zu ihrem Ableben engagiert. Sie dürfen nicht in Ruhestand versetzt werden und haben Recht auf eine den Burgtheater-Gepflogenheiten entsprechende Bestattung."
Liebe Susanne Peschina
Vielen Dank für Ihre Erklärung des Begriffs "Doyen/Doyenne", die ich ebenso auf Wikipedia gefunden habe.
Nur würde ich gern fragen: Ist das in Stein gemeißelt? Und ist es zeitgemäß?
Überlegen wir uns nur einmal, ein welches Geldgeschenk so eine Doyenschaft darstellt, wenn sie - wie im Falle Heltaus - über 17 Jahre (und ein paar werden noch kommen) dauert: Ich gehe dazu von einem - hypothetischen - Monatsgehalt von 6000 Euro aus, das wirkliche ist wahrscheinlich etwas höher. 6000 mal 14 (pro Jahr) über 17 Jahre, macht: 1'428'000 Euro (in Worten eine Million Vierhundertachtundzwanzigtausend). Und das alles, während Heltau keine weiteren Rollen angenommen hat. Nach einem finanziell ja bereits außerordentlich gesegneten Erwerbsleben.
Ist das nötig? Ist es zeitgemäß?
Und sollte Karin Bergmann hier vielleicht mal mit dem Sparen anfangen (wenn sie wirklich sparen will)?
Davon dürfen Sie ausgehen. Die Gagen der Älteren liegen bei 6000 aufwärts, und werden Jahr um Jahr noch inflationiert, also angeglichen. Sagen wir einmal 2 Mio für die beiden Dienstältesten und dann noch einmal fünf, sechs Unantastbare unter den Älteren, dann haben wir schon einmal eine Belastung von 6 x 2 Mio über einen Zeitraum von 20 Jahren.
Dann wäre es doch an der Zeit, endlich einmal diese Satzung zu ändern.
Ist das nicht Krise genug, um endlich mal ein Zeichen zu setzen, Frau Bergmann?
Wenn man also den Doyen nicht abschaffen möchte, ist Michael Heltau die absolut ideale Wahl dafür und sein Verhalten der Position gegenüber absolut korrekt.
Dass der Aktivbezug so viel mehr bringt als die Bundestheaterpension glaube ich nicht, vor allem wenn man bedenkt, dass ab einer gewissen Zahl von Auftritten auch noch extra bezahlt wird.
Aber das ist sicher nicht das Problem. Die Gagen sind zu hoch in Wien, vor allem die der Regisseure und Gaststars. Die Strukturen sind starr und bürokratisch. Die umgelegten Kosten pro Abend liegen bei über 100.000 Euro, das soll sich jeder hier lesende einmal auf der Zunge zergehen lassen. Auch das ist Weltspitze im Schauspiel und kein Grund zur Freude. Wenn man all das eingrenzt, was offensichtlich zur finanziellen Schieflage beigetragen hat, kommt man in richtige Fahrwasser. Der neue Aufsichtsrat sollte das zügig richten.
Man könnte die Theater-Immobilie am Ring sicher gut in einen Einkaufstraum verwandeln, im Ergeschoß Boutiquen diverserer Luxusmarken unterbringen, und Bellevue-Appartements für Scheichs und Russen auf dem Dach einbauen.
Da unterschätzen Sie den österreichischen Staat. Bei aller Kritik am finanztechnischen Chaos der letzen Jahre, aber Theater darf in Wien ruhig auch was kosten. Und das finde ich eingentlich auch gut so.
natürlich möchte ich nicht das Burgtheater sanieren. Aber ich finde es bedenklich, wie wenig zum Beispiel der Tanz in der Stadt bekommt oder die Freie Szene, und wie umfangreich das Burgtheater dagegen mit Mitteln ausgestattet ist. Jedes andere Theater im deutschsprachigen Raum wäre nach einer solchen Finanzkrise in die Knie gegangen.
Ich sehe nur keine Veränderungen und das ist bedenklich, denn die nächste Krise kann sehr schnell wieder kommen. Zudem sollte das System endlich transparenter gestaltet werden; es sind Steuermittel, die hier verwendet werden, öffentliche Gelder. Und da darf schon ein wenig Transparenz erwartet werden, oder was meinen Sie?
Finden Sie das chic, wenn Abend für Abend über 100.000 Euro verbraten werden?
Ich bin mir da nicht so sicher, ob Sie den Staat da ganz richtig einschätzen. Die Freiheit und die Wichtigkeit, die Theater noch im vorigen Jahrhundert genossen hat, scheint mir immer mehr zu weichen. Mit dem Hinweis wie viel es kostet und wie vergleichsweise kleine Bevölkerungsgruppen davon profitieren, wird es immer mehr an die Leine genommen und instrumentalisiert und den Theaterbesuchern ein schlechtes Gewissen erzeugt. Argumente der Volksbildung und politischen Bildung einerseits, immer teuer werdende Preise, Verkaufszahlen und Tourismusunterstützung andererseits werden über die Medien als Entschuldigung für das „teure Theater“ publiziert.
Kaum je die Freude an Kreativität, Poesie, Spannung, Überraschung, an „Bockssprüngen“ und „Infragestellungen“.
Genau diese Wertigkeiten wollte die Wiener Kulturstadträtin Ende der 90ziger Jahre verteidigen als sie von einem Ideologieresort sprach. Die verbalen Prügel von Politik und Medien waren stark (wenn Sie damals in Wien gelebt haben, werden Sie sich sicher erinnern) und bald musste sie sich auch von ihrer Position verabschieden.