Herren und Knechte

von Dirk Pilz

14. Juni 2016. Der Bühnenverein hat mitgeteilt, die Arbeitsbedingungen für darstellende Künstler in den Stadt- und Staatstheatern sowie Landesbühnen seien "weitgehend zufriedenstellend". Das hätten die Beratungen der diesjährigen Jahreshauptversammlung ergeben. Beraten musste man also immerhin, um festzustellen, dass die Bezüge der darstellenden Künstler mit durchschnittlich 2.700 bis 3.100 Euro brutto das Urteil "weitgehend zufriedenstellend" verdienen.

Ahnte man beim Bühnenverein, dass diese Aussage für Entsetzen und Empörung unter den Betroffenen, den darstellenden Künstlern vor allem, sorgen würde? Wahrscheinlich, er hat in seiner Pressemitteilung ja Begründungen geliefert.

Besser als in vielen anderen Ländern Europas

Zufriedenstellend seien die Arbeitsbedingungen, sagt der Bühnenverein, weil die Repertoire- und Ensemblebetriebe den Schauspielern, Sängern und Tänzern eine wenn auch befristete, aber doch oft mehrere Jahre andauernde Beschäftigung biete. Das sei in "vielen anderen Ländern Europas" anders, da gehe es den Künstlern schlechter.

Vollends zufriedenstellend sei die Situation jedoch nicht. Zum einen wachse der Rationalisierungsdruck auf die Bühnen, zum anderen neige man in bestimmten Berufen zur "Überstrapazierung", eben bei darstellenden Künstlern, aber auch unter den Regieassistenten zum Beispiel. In der Freien Szene gehe es ihnen aber noch schlechter, die öffentliche Projektförderung sei zu gering.

Ich habe diese Sätze zwei Mal, drei, vier Mal gelesen, ich konnte nicht glauben, was da steht.

Der Vergleich mit "vielen anderen Ländern" benutzt das typische Argument von Herrschenden, die ihre Knechte darauf verweisen, dass es anderen Knechten noch schlechter ergehe, man solle sich nicht aufregen. So lässt sich jede Ungerechtigkeit legitimieren. Es wurden in der Geschichte auch schon die verschiedensten Ungerechtigkeiten auf diese Weise entschuldigt, ich möchte lieber nicht aufzählen, welche.

kolumne 2p pilzKünstler in Rumänien haben es schlechter, ja, und noch schlechter als in Rumänien steht es in Albanien, leider. Es gibt auch schlimmere Schicksale als Stadttheaterschauspieler in Deutschland zu sein, man darf ruhig darauf hinweisen. Aber wer es tut, provoziert die Nachfrage, wie es um die Einkünfte der Verfasser solcher Mitteilungen bestellt ist, also um die der herrschenden Intendanten und Funktionäre. Sie sind nicht nur weitaus höher als in vielen anderen Ländern, sondern auch von vielen anderen in den deutschen Stadttheatern. Darüber sagt der Bühnenverein nichts, er hält die Lohnunterschiede offenbar für unproblematisch.

Der Verweis auf den Rationalisierungsdruck und die öffentliche Hand ist dagegen geradezu albern, weil er suggerieren soll, der Bühnenverein sei fremden, bösen Mächten ausgeliefert, gegen die man nichts unternehmen könne. Aber der Bühnenverein ist nicht nur selbst auch Arbeitgeber, es ist seine Aufgabe, diesem Rationalisierungsdruck entgegen- und auf die öffentliche Hand einzuwirken. Das eigene Versagen wird damit anderen als Schuld zugeschoben.

Die Politik der Alternativlosigkeit

Auf andere zu verweisen ist ohnehin die stete Strategie, um von der eigenen Bühnenvereinspolitik abzulenken. Ihr oberstes Ziel ist es, die herrschenden Verhältnisse zu zementieren. Jede Kritik an ihnen wird vom Bühnenverein traditionell dämonisiert – man erntet sofort den scharfen Einwand, das Stadttheatersystem abschaffen zu wollen und den Untergang der reichen deutschen Theaterlandschaft zu befördern. Im übrigen sei, so heißt es dann gern, von der Tarif- bis zur Arbeitsrechtspolitik erstens alles furchtbar kompliziert und zweitens das Vorgehen des Bühnenvereins alternativlos.

So sprechen alle, die am bloßen eigenen Machterhalt interessiert sind. Man könnte natürlich auf eine andere Tarifpolitik hinwirken, wenn man denn will. Man gefährdet auch nicht das Theatersystem, indem man gegen strukturbedingte Ungerechtigkeit vorgeht. Aber der Bühnenverein hält auch sie augenscheinlich für weitgehend zufriedenstellend. Das ist die zentrale Botschaft.

Selber schuld, wer Künstler im Stadttheaterbetrieb wird

Sie hat verheerende Wirkungen, nach innen und nach außen. Nach innen in den Stadttheaterbetrieb, weil der Bühnenverein unmissverständlich zu verstehen gibt, dass er nicht der Vertreter der Künstler ist. Er verspielt das Vertrauen derer, ohne die es gar kein Theater gibt. Wenn ein Interessenverband seinen Interessenten mitteilt, dass sie leider einen Beruf gewählt haben, der zu Überstrapazierung, also Ungerechtigkeit führe, woran sich nichts ändern lasse, wendet er sich gegen die eigene Klientel. Man hält ihnen schnöde entgegen: Selber schuld, wer Künstler im Stadttheaterbetrieb wird und sich ausbeuten lässt. Das ist zwar dreist, aber vor allem alarmierend: Es ist immer ein Verfallssymptom, wenn sich Institutionen gegen sich selbst wenden.

Die Wirkungen nach außen, in den sonstigen Kulturbetrieb und die Gesellschaft generell, sind nicht weniger beängstigend, weil sich die Strukturzustände an den Stadttheatern niemand mehr vermitteln lassen. Man versuche sie jemand zu erklären, der nicht zum Theatersystem gehört; es ist aussichtslos.

Um eine Neiddebatte geht es bei all dem übrigens nicht, man muss das betonen. Intendanten und Funktionäre sollen meinethalben gut verdienen, sie machen einen aufreibenden, verantwortungsvollen Job. Aber das Strukturgefälle in den Stadttheaterbetrieben braucht eine Begründungsgrundlage, um zukunftsfähig zu sein. Es gibt sie nicht, deshalb schweigt der Bühnenverein dazu auch. Das kann nicht mehr lange gut gehen. Es wird so zerstört, was geschützt werden soll: das Theater.

 

dirk pilz5 kleinDirk Pilz ist Redakteur und Mitgründer von nachtkritik.de. In seiner Kolumne "Experte des Monats" schreibt er über alles, wofür es Experten braucht.


 
Die letzte Kolumne "Experte des Monats" lobte William Shakespeare lieber nicht.

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Kommentare  
Kolumne Bühnenverein: aus dem Off
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass NACHTKRITIK inzwischen (oder schon immer?) zum Forum der Frustrierten und Beleidigten geworden ist. Hoffen Sie, Herr Pilz, mit Ihrem Beitrag wieder auf mehr Klickzahlen der Studierenden und arbeitslosen Künstler, die jetzt wieder eine wochenlange Debatte anfangen können gegen ihre Arbeitgeber (oder eher Nichtarbeitgeber, denn sie sitzen eben nicht im Theater sondern im Hippster-Kaffee und reden jeden Tag über ihre spannenden Off-off-off-Projekte...).
Was soll das? Wenn ich mich für den Theaterberuf entscheide, weiß ich, was kommt. Und schauen Sie mal außerhalb der deutschen Grenzen, wie die Künstlerszene dort finanziert ist. Jammerjammer Deutschlandjammer.
Kolumne Bühnenverein: Zwitter-Stellung
Das wirklich Spannende am Deutschen Bühnenverein ist die Tatsache, dass er sich über die Jahre überhaupt erfolgreich als Lobby für die Theaterlandschaft dargestellen konnte. Das ist er insofern, als er als Abhängiger von der öffentlichen Hand dieser gegenüber natürlich die Notwendigkeit der Theaterlandschaft darstellen muss, die eigene Existenzberechtigung will argumentativ befeuert werden. Den Angestellten gegenüber ist er schlicht der Arbeitgeberverband. Eine interessante Zwitterstellung. Die Schwäche der Gewerkschaften vor allem im Solo-Bereich dürfte - neben der im Beruf angelegten individuellen Konkurrenz und dem damit einhergehenden Wegfall der Solidarität - zweifellos mit daran liegen, dass das "Lobby-Verhalten" der Arbeitgeber den Diskursraum besetzt, den die Gewerkschaften besetzen müssten. Bei anderen Arbeitgeberverbänden geht das - zu deren Bedauern - nicht, die holen dafür Betriebsrats- und Gewerkschaftsvertreter in die Vorstände.
Man muss sich nur vergegenwärtigen, dass personell die Hälfte des Bühnenvereins aus Vertretern der geldgebenden Kommunen besteht. Ein Protest des Bühnenvereins z.B. gegen Kürzungen in Hagen setzt also letztlich voraus, dass der Vertreter der Stadt Hagen im Bühnenverein gegen seinen unmittelbaren Dienstherren opponiert. Auf diesem Weg sind die geldgebenden Kommunen dem Bühnenverein gegenüber auch halbwegs auf der sicheren Seite... zumal sich der Bühnenverein aus Beiträgen seiner Mitglieder finanziert ;-)
DAS ist nicht das eigentliche Problem des Bühnenvereins, sondern das eigentliche Problem scheint mir zu sein, dass die Mitglieder und der Bühnenverein als Ganzes der eigenen Selbststilisierung zum Lobbyverband aufgesessen sind - sie sind aber zuallererst Tarif"partner". Und da man zwar Lokführer durch Computer ersetzen kann, worüber die Deutsche Bahn gerade nachdenkt, aber Schauspieler, Sänger, Musiker dank der Bowmanschen Kostenfalle nicht... haben wir ein Problem, dass mir persönlich nur erkennbar scheint, wenn die Fronten klar benannt werden. Ob das Problem dann auch lösbar wäre wage ich nicht zu beantworten.
(Dass mittlerweile Kulturpolitiker sich nicht mehr als Lobby für die Kultur, sondern als Stadtbeamte gegen(!)über der Kultur verstehen und damit Intendanten gezwungen sind, die Lobbyarbeit in den Kommunen zu leisten wäre ein weiteres Thema... Solange das noch so war, könnte der Verein sich vielleicht sogar zu Recht als Lobbyverband verstanden haben, jetzt aber schlägt die Finanzknappheit der Kommunen direkt in den Verband durch und entzieht ihm sein Selbstverständnis. Die Kulturpoliker haben die Fronten gewechselt, wechseln müssen. Und die Schuldenbremse kommt erst noch...)
Kolumne Bühnenverein: die gleichen Argumente
@Hinweis "Was soll das?" möchte man Sie auch fragen. Ich bin ein gut verdienender Kulturschaffender, frage mich aber, was Sie zu dieser Einlassung bewegt. Darf an dem System nichts verändert werden? Benutzen Sie bewusst die gleichen Argumente, die Pilz beim Bühnenverein kritisiert?
Kolumne Bühnenverein: hat nicht verstanden
Auch Herr Pilz hat nicht verstanden, was der Bühnenverein ist und wie er funktioniert. Schade.

(Holla, Sam,
wir freuen uns, wenn Sie uns Aufklärung zuteil werden lassen.
jnm)
Kolumne Bühnenverein: Spiegelbild sein, in jeder Hinsicht
Danke Herr Pilz!

Lästig ist tatsächlich und vor allem der notorische Hinweis auf die Situation der Theaterschaffenden in den anderen Ländern oder in der freien Szene. Schlimm genug, dass es Künstlern in vielen Ländern nicht gut geht. Aber wir dürfen uns nicht daran messen. Ein Theatersystem sollte der Spiegel einer Gesellschaft sein, und zwar in allen Belangen, nicht nur künstlerisch, sondern auch strukturell und systemisch.

Wenn man sich ein Theater mit der Entwicklung der Stoffe, Materialien, Texte und Formate künstlerisch so weit entwickelt wie in D, sollten die Produktionsweisen dem angeglichen werden. Sonst zerbricht das Theater irgendwann an dem Widerspruch zwischen Inhalt und Form, Vorder- und Hinterhaus, Kunst und Administration, Wille und Vorstellung.

Wenn man internationales Theater zitiert, dann bitte auch vollständig, dann sollte man auch darauf hinweisen, was zumindest in einigen dieser Länder an Reformen umgesetzt worden ist, welchen Status dort die einzelnen Künstler haben, und dass es tatsächlich völlig neue, reformierte Elemente in der Arbeit der Theater gibt.

Ein wichtiger Fakt darf nicht vergessen werden. Der Bühnenverein weist gerne auf seine eigene Ohnmacht hin, was den zitierten Rationalisierungsdruck der Gesellschaft betrifft, oder die sinkenden Zuschüsse.
Aber im selben Bühnenverein sitzt doch die Politik, sitzen die Verantwortlichen der kommunalen und Landesadministrationen. Wenn der Kulturdirektor der Stadt X und der Ministerialdirektor des Landes Y dort sitzen und das Theater A in deren Zuständigkeit gekürzt wird, dann ist deren Achselzucken nichts anderes als ein Einverständnis. Auch in der Politik kann man kämpfen, für höhere Kulturetats, zum Beispiel. Es geht immer noch etwas. Oder aber man lässt es willentlich geschehen, wie zuletzt in Rostock, in Hagen, in Wuppertal, in Karslruhe, und und und

Der Bühnenverein hat sich bislang nicht deutlich distanziert von der Kürzungspolitik der Kommunen und Länder. Er hat immer noch kein Kommuniqué veröffentlicht, das alle Städte und Bundesländer unterzeichnet haben, in dem Theater sind, und in dem festgeschrieben wird, dass die Etats in Zukunft mindestens gehalten werden. Erst wenn es eine solche Verpflichtung gibt, ist der Bühnenverein wirklich handlungsfähig. Bis dahin bleiben die Treffen des DBV harmlose Reiseveranstaltungen.

Werter Hinweis,

am vorvergangenen Wochenende waren in Bonn STELLVERTRETEND
250 künstlerische Mitarbeiter der öffentlichen Theater und haben über die problematische Situation an den deutschen Theatern gesprochen. Dabei handelte es sich nicht um im Café sitzende Hipster (Sie haben ja wirklich idyllische Vorstellungen), sondern um Theatermitarbeiter in aktueller Anstellung. Auch geht es hier um kein Bashing.

Vor dem Hintergrund der anstehenden Probleme:
► ungerechte und hierarchische Leitungsstrukturen
► fehlende Möglichkeiten der Mitbestimmung
► ungerechte Bezahlung, v.a. im Hinblick auf die anderen Mitarbeiter
► unzureichende Vertragsformen
► eine reformbedürftige Nichtverlängerungsregelung
► grenzwertige Arbeitszeiten und Stundenlöhne

gibt es doch tatsächlich akuten Handlungsbedarf, oder?

Das in den Theatern etwas geschehen muss ist doch klar, sonst hätte der Bühnenverein nicht eingelenkt. In der Intendantengruppe gibt es eine Reihe ausgezeichneter, progressiver Köpfe die sich auf Augenhöhe mit ihren Mitarbeitern bewegen. Wir dürfen sicher sein, dass sich in den nächsten Jahren etwas bewegen wird. Es muss. Dirk Pilz hat ein Szenario gezeichnet, das keine Alternative lässt.

p.s.: und die sogenannte "Strukturreform" in MVP, die von den Offiziellen im Bühnenverein abgesegnet wird, ist alles andere als ein Segen - ein großes Armutszeugnis. Bitter.
Kolumne Bühnenverein: überzogene Forderungen
Diesen "ausgezeichneten, progressiven Köpfen" hat das Ensemble Netzwerk gerade keinen Gefallen getan. Dass der Bühnenverein so reagiert hat liegt auch an deren Forderungen. Meine Freundin ist Assistenzärztin, ich bin Sozialpädagoge. Wir leben in Mainz und gehen regelmäßig ins Theater. Ein Anfangsgehalt von 3.000 Euro hat keiner von uns nach einem längeren Studium als dem von Schauspielern realisiert. Das ist völlig überzogen. Wie sehr solche Forderungen aus der Welt sind beleuchtet dieser aktuelle Artikel, in dem auch die Intendenten unser Regon zu Wort kommen:

http://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/kultur/theater/berechtigte-kritik-oder-realitaetsfern-diskussion-um-situation-von-schauspielern-entbrannt_16979931.htm

Der Bühnenverein hat so reagiert weil er es konnte. Ermöglicht hat ihm diese Verweigerungshaltung das Ensemble Netzwerk.
Kolumne Bühnenverein: schön ist das nicht
Vieles in dieser scheinbar endlosen Diskussion kommt mir zynisch vor.

Nicht zuletzt die durchschnittlichen Einkommenszahlen, die hier genannt werden. Oder habe ich etwas verpasst als ich langjährig ausgebildet, engagiert und hellwach für deutlich weniger bis zu 60 Stunden die Woche und das über Monate an verschiedenen Stadttheatern gearbeitet habe? Vielleicht waren das Extrembeispiele oder ich einfach zu dumm und bequem zum guten verhandeln (das Volkstheater war eines der Häuser). Wobei, es gab Kollegen, die weniger verdient haben noch. Es herrscht ein Riesenfilz und an den Theatern gibt es alles gute und schlechte unserer Gesellschaft - nur eben noch krasser. Idealismus und Aufopferung, Engagement und blanken Egoismus. Zu meiner Erheiterung unvergessen der Intendant, der in gut bayerisch - fränkischer Manier seinen Dienst täglich gegen zehn mit einer Zeitung unter dem Arm begann, um dann nach dem Mittagspäuschen von drei Stunden seine Inszenierungen anhand alter Regiebücher aus dem 19ten Jahrhundert im Wirtshaus durchzugehen und auch Hof zu halten. Brauchte man eine Entscheidung, gabs die im Wirtshaus, wenn überhaupt. Soviel zu den hart arbeitenden Intendanten.

Irgendwie konnte man es verstehen, hat doch hier jemand am Ende seines Künstlerlebens noch einmal die Hand aufgehalten und wolte auch mal vedienen - dachte man.

Ausserhalb stehenden lässt sich das nicht vermitteln, ist der Deutsche im Allgemeinen, wenn er denn ausgebildet ist, ja einen irgendwie anständigen Lohn und Umgang gewöhnt, oder? Heute, zumal in Berlin, ist das ja auch nicht mehr sicher. Aber vermutlich geht es tiefer und hat mit der Sicht auf den Künstler, als Menschen, der ja bereit ist brotlos zu leben, zu tun. Als ob der grundsätzlich ein Verächter dessen sein müsste, was sich mit Geld kaufen lässt.

Schön ist das nicht, schon gar nicht, wenn der eigene Dienstherr sich über diesen Weg selber die Taschen füllt oder sich im Glanze der Leistungen seiner Mitarbeiter ein Gläschen Schampus einfüllt beim nächsten Empfang. Aber im Theater arbeiten halt auch nur irendwie ganz normale Menschen.
Kolumne Bühnenverein: Durchschnittsgehalt?
Ich frage mich immer, wie der deutsche Bühnenverein auf ein Durchschnittsgehalt von 2700-3100€ kommt. Wenn das nur wirklich das Durchschnittsgehalt wäre.... denn alle, die ich kenne, arbeiten für unter 2000 brutto, oft auch nach 10 Jahren noch für das Anfängergehalt von 1750€. Bei einer 6-7-Tage-Woche. Über 2700-3100€ brutto würden wir uns freuen.
Kolumne Bühnenverein: noch immer Anfängergehalt?
@8 Wenn jemand 10 Jahre ununterbrochen am Theater gearbeitet hat, dann hat er, bzw. sie in dieser Zeit von den Tariferhöhungen profitiert, die jedem nach NV-Bühne beschäftigtem Arbeitnehmer zugutekommen. Es verwundert daher sehr, wenn es Menschen geben sollte, die nach 10 Jahren angeblich immer noch für das Anfängergehalt arbeiten müssen. Falls das tatsächlich so sein sollte, was ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen kann, wenden Sie sich an die GdBA, bzw. an den Personal-, bzw. Betriebsrat. Wenn es innerhalb dieser Zeit schon keine außerordentliche Gagenerhöhung gegeben hat, dann haben die Kollegen mit Sicherheit die Tariferhöhungen erhalten. Anders verhält es sich natürlich bei Häusern mit Haustarifvertrag, aber auch da erscheint mir ein so langer Zeitraum nicht glaubwürdig
Kolumne Bühnenverein: zufrieden heißt friedlich
Macht. Es ist ohne jeden Zweifel eine Machtdemonstration. Der Bühnenverein kann es sagen, weil er der Bühnenverein ist. Ein tautologischer Fatalismus, der diese Bewegung, der ersten bundesweiten Ensembleversammlung, gleich unter seine Fittiche nimmt. Sorglos sozusagen. Denn was können diese Menschen wirklich ausrichten? Jeder weiß, dass die Forderung nach mehr Lohn bei Schauspielern und Schauspielerinnen ins Leere zielt. Natürlich zeigt man viel Verständnis für ein solches Begehren. Aber am Ende werden wieder Demut und Dankbarkeit siegen. Wie immer. Man muss dankbar sein und demütig diesen Beruf überhaupt bezahlt zu bekommen, denn eigentlich ist er doch nichts mehr, als ein unentgeltlicher Spaß, ein Vergnügen. Man stelle sich eine Demonstration von Schauspielern vor, die mehr Lohn verlangen! Wer wird das schon ernst nehmen? Im Ernst, die Leute werden lachen, und weiter ihrer Wege gehen Verdienen die meisten doch selber kaum mehr. Das die Arbeitszeiten fast nicht kalkulierbar sind. Man immerzu von neun Uhr bis Abends um elf verfügbar sein soll. Ja nun. Das hätte man doch wissen können. Und jeder, der nicht rund um die Uhr für den Theaterbetrieb verfügbar ist, verliert sofort an Wert. Es ist der organisierte Ausnahmezustand, der den Betrieb aufrecht erhält. Wie sollte man ihn reformieren können? Kämpft er doch eigentlich ständig um das Überleben, um den eigen Erhalt. Sich als absolut gefährdet zu betrachten und zugleich als total schützenswert ist sein Lebenselixier. Haben sie schon mal versucht einen tot kranken Patienten zu reformieren! Das geht gar nicht. Der tot kranke Patient lebt davon, dass man sich permanent um ihn kümmert. Immer für ihn da ist. Ihn zu vernachlässigen wäre eine tödliche Schande. Er würde sterben. Hundertprozentiger Einsatz, am besten rund um die Uhr, und auch am Wochenende, nur das kann ihn retten. So stellt sich der Theaterbetrieb selber dar, als unverzichtbar und zugleich permanent vom Tode bedroht. Wer kann in einer solchen Lage wagen seinen Lohn zu hinterfragen?! Nur Undankbare!

Zufriedenstellend. Was für ein wunderbares Wort. Was für ein mächtiges Wort. Sagt es doch: Das man davon ausgehen kann, dass der Betroffene weiterhin friedlich gestellt bleiben wird. Und zugleich zeigt man ihm die Instrumente, was wäre wenn nicht, wenn er doch rebellierte, obwohl er doch nur demütig und dankbar sein sollte an der Hochkultur überhaupt teilnehmen zu dürfen. Der Patient Theater muss tot krank bleiben, denn sonst könnte man seine Mitarbeiter ja nicht ewig an sein Bett fesseln. Würde er genesen, mein Gott! Das wäre vielleicht das Ende. Das kann sich niemand leisten. Immerhin hat man nun so viele städtische Berufe um diese handvoll noch verbleibenden Schauspieler versammelt. Wo sollten die dann alle hin, wenn sie nicht weiter am Totenbett um das Theater kämpfen würden?! Nein! Nein! Es muss und kann nur so weitergehen wie bisher. Wir stellen den Patienten ruhig und kämpfe alle weiter rund um die Uhr um sein Überleben, auch mit reduzierter Mannschaft und gekürztem Etat. Wir geben den Patienten nicht auf. Das ist die Devise. Alle hängen ab von diesem eingebildeten Kranken, der nie sterben wird. Und nur im Ausnahmezustand weiter leben kann. Es lebe das Theater. Es lebe die Schauspielkunst.

Ehrlich. Ich liebe dieses Gebilde. Diese gut durchorganisierte Panikattacke. Mögen die Spiele nie enden wollen. Und für die richtige Bezahlung muss man nur einen Impresario finden, einen Mäzen. Die Stadtväter und Mütter sind da wohl nicht mehr die richtigen Partner. Sie finden man könnte das Ableben des Patienten auch anders organisieren, kostengünstiger. Das müssen sie sich irgendwo abgeguckt haben. Aber egal. Das Theater kriegen auch die nicht tot.
Kolumne Bühnenverein: Hochkultur pflegt Ungerechtigkeit
Und das die Hochkultur die Ungerechtigkeit pflegt, liegt in ihrem Wesen. Das ist nur natürlich. Ist sie doch ein Abbild ihrer selbst. Wer könnte sich der Hochkultur verweigern, nur wegen ein bisschen mehr Lohn?! Die Hochkultur ist der Lohn. Und auch dann noch, wenn sie unter niedrigen Umständen zu Stande kommt.
Kolumne Bühnenverein: meine Assistenten-Gage
Die Geschichte mit der zehnjährigen Berufserfahrung und der Anfängergage kann ich auch nicht glauben. Während meiner Zeit als Regieassistent habe ich immer mindestens 1800 Euro (Anfänger, sehr kleines Stadttheater und auch schon achtJahre her) und 2300 Euro (mittleres Staatstheater) verdient. Und Regieassistenten sind am Theater ja bekanntlich diejenigen, die wirklich am schlechtsten dran sind...
Kolumne Bühnenverein: wie errechnet sich der Durchschnitt
Mich würde auch sehr eine Auflistung interessieren wie in den verschiedenen Tätigkeiten und Hierarchiestufen sich dieses Durchschnittsgehalt ergibt und vor allem verteilt.
Kolumne Bühnenverein: präpotent
# 12:
Guter Witz! So was Präpotentes. Sofort Auflistung der Theater! Besonders das "sehr kleine Stadttheater". So was Blödes.
Kolumne Bühnenverein: nochmal die Assistenzarzt-Freundin
@ #6: Bitte keine Pseudo-Logik: Ihre Assistenzarzt-Freundin verdient laut https://gehaltsreporter.de/gehaelter-von-a-bis-z/aerzte.Arzt.html 65.000 Euro im Jahr, sonst hat sie verdammt schlecht verhandelt. Das ist deutlich mehr als 3.000 Euro/Monat, oder? Bei einer 40-Stunden-Woche, nicht wahr? Und sie kann sich demnächst auf ein Facharztgehalt von über 100.000 Euro jährlich freuen. Davon können selbst Schauspielstars der Theaterszene nur träumen.
@ #1: Interessante Argumentation. Menschen, die sich für bessere Verhältnisse und gegen Ungerechtigkeit einsetzen, sind also Ihrer Ansicht nach "beleidigt und frustriert". Hm. Dann sind ja im Prinzip alle Theater der Republik "beleidigt und frustriert", wenn sie Ungerechtigkeit in unserer Welt anprangern und Missstände aufdecken. Aha. ;-)
Kolumne Bühnenverein: nächste Verhandlungsrunde
Eine kleine Internetrecherche von 5 Minuten stellt dar, was die "zufriedenen Menschen" selbst so beziehen:
Oliver Reese, Frankfurt, 2012: 240.000 Euro plus x (nachtkritik)
Claus Peymann, Berliner Ensemble, 2012: "etwas über 200.000 Euro" (welt.de)
Klaus Weise, Generalintendant der Bonner Bühnen, 2012: 350.000 Euro (hna.de)
Joachim Lux, Thalia Theater Hamburg 2014: 168.000 Euro (bffk.de)
Karin Beier, Schauspielhaus Hamburg 2014: 185.000 Euro (bffk.de)
Stuttgart: "Die Intendanten in Schauspiel, Ballett und Oper bekamen
demnach zwischen 173.000 Euro und 204.000 Euro. Rund 240.000 Euro soll im Jahr 2008 der Generalmusikdirektor Manfred Honeck bekommen haben." (Reutlinger Generalanzeiger, 2012)

Als kommunaler Haushaltspolitiker und Theaterfreund stelle ich mir nun die Frage, wie lange ich diese Diskrepanz zwischen Leitungs- und Schauspielergagen im Theater in meiner Kommune noch mitmachen will. Schwer erträglich, dass mein Intendant mehr verdient als mein Oberbürgermeister. Und noch schwerer erträglich, wenn man sich bei dem Gehalt dann so aus dem Fenster lehnt und diese Pressemitteilung über "zufriedenstellende Zustände" veröffentlicht. Ich werde also mal schauen, wann und wie ich bei der nächsten Verhandlungsrunde intervenieren kann. Denn ich glaube nicht, dass ein Intendant nicht auch für 80.000 Euro/Jahr zu finden wäre. Das ist doch ein attraktiver Job. Und wenn man doch schon Gehälter um die 40.000 Euro/Jahr für zufriedenstellend hält, ist doch das Doppelte ein sehr großzügiges Angebot.
Kolumne Bühnenverein: Oberfranken
@#14 Keine Ahnung, was an den von mir genannten Gagen präpotent sein soll. Aber die 1800 Euro gab es an einem Landestheater in Oberfranken. Googeln können sie wohl selber. Die Gage haben übrigens alle an dieser Bühne beschäfftigten Regieassistenten bekommen.
Kolumne Bühnenverein: dem Grauen ein schnelles Ende
Was mir überhaupt nicht so recht in den Kopf will: Warum läuft der Betrieb in Rostock eigentlich einfach so weiter? Da ist doch keine Hoffnung mehr. Das Schauspielensemble wird abgewickelt werden. Wieso gibt es keine Reaktion der Schauspieler und Schauspielerinnen?

Sie könnten doch ebenso ihre Verträge fristlos kündigen.

Natürlich ist das eventuell mit Sanktionen verbunden. Aber wenn man als Gruppe gemeinsam kündigt, sofort, das wäre doch mal ein Zeichen.

Warum dieses langsame Sterben?! Die Leute können ihre Sachen packen und gehen. Das war`s. Jeder würde es verstehen. Dort gibt es für das Schauspieltheater keine Zukunft mehr. Nur noch im Gastspielbetrieb.

Jeder Einzelne sollte sich sofort darum kümmern, wie seine Zukunft aussehen könnte. Es macht einfach keinen Sinn mehr weiter zu spielen.

Je eher man dem Grauen eine Ende bereitet, um so besser. Ob man nun in ein oder zwei Jahren arbeitslos wird oder gleich, spielt keine Rolle mehr.

Was hält die Menschen noch? Sie sind nicht mehr gewollt. Das war die Nachricht. Lieber jetzt woanders Schutz suchen, als später.

Etwas müsste geschehen. Jetzt.
Kolumne Bühnenverein: gerüchteweise gekündigt
@martin baucks: gerüchtweise haben die schauspieler das auch getan, bis auf ganz wenige und ein paar, die vom intendanten nichtverlängert wurden, so dass für die bevorstehende saison auch schon kein spielfähiges ensemble existiert.
Kolumne Bühnenverein: genauer hinschauen?
Seltsam. Und darüber berichtet niemand? Herr Pilz! Wollen sie da nicht einmal genauer hinschauen? Die Betroffenen befragen? Nach so einer langen Geschichte wäre das doch wichtig.
Kolumne Bühnenverein: wie die Tiere
@martin baucks: Darüber berichtet m.E. keiner, weil es zu einer großen Schädigung einer Person führen müsste, was aus politischen Gründen unzweckmäßig wäre. Für einen Dramatiker: wir hatten in Rostock die Situation, dass die Löwen einen Wolf beauftragt hatten, die Schafherde zu bewachen. Damit waren die Schafe gezwungen, mit dem Wolf zu heulen. (...)


(Anmerkung der Redaktion:
Nach nochmaliger Prüfung haben wir diesen Kommentar im Nachhinein um eine Passage gekürzt, die unüberprüfbare Tatsachenbehauptungen enthielt.)
Kolumne Bühnenverein: Alles Schafe?
zu 21
(...) natürlich kann ein Chef nicht allen gefallen, und das wollte Latchinian auch nie, gut so. Und die Mitarbeiter sind also Schafe in ihren Augen? Mit Verlaub, so fühlen wir uns nicht.
Es ist traurig, wie hier mit einem der besten Leute des Theaters umgegangen wurde. Und Sie kloppen noch drauf, offensichtlich ohne wirklich bescheid zu wissen. Mal eine Nummer runter schalten mit der sinnlosen Häme! Fällt auf einen selbst zurück, und schneller als einem lieb ist, Herr Heinse.


(Liebe Mitarbeiterin,
die von Ihnen zurecht beanstandete Passage haben wir nach nochmaliger Prüfung gestrichen, da es sich tatsächlich um eine unüberprüfbare Tatsachenbehauptung handelte.
MfG, die Redaktion)
Kolumne Bühnenverein: an alle Rechner
An all jene, die hier immer aufrechnen und alles haarklein ausrechnen wollen.
Der Bühnenverein hat keine verlässlichen Zahlen über Durchschnittsverdienste, denn dazu müsste er eine Umfrage gemacht haben, die hat es in den letzten 15 Jahren nicht gegeben.

Erstens:
Es mag sein, dass der DBV die Durchschnitte aus den Gehaltssummen berechnet, die er jährlich für seine Superstatistik erhebt. aber das wäre so ungenau wie unkorrekt, denn hier zählen Zusatzvergütungen etc. auch mit hinein, deshalb auch die ungenau Angabe 2700 bis 3100 Euro.

Zweitens:
2700 Brutto sind 1500 Netto, also zuviel zum Sterben, zuwenig zum Leben. Wir sprechen hier von Durchschnittsgehältern 40jähriger Familienväter oder alleinerziehender Schauspieler-Mütter. Ohne Zusatzeinkünfte, für die noch Urlaubsscheine auszufüllen sind, kann man davon mit 45 nicht leben.
Dann ist unsere junge Assistenzärtin nämlich schon Chefärztin oder hat eine eigene Praxis und verdient ein Intendantengehalt, und unser Sozialpädagoge ist Direktor eines Gymnasiums und hat 5000 - 5.500 Brutto.

Drittens:
Muss der oder die Schauspielerin früh viel verdienen, wie im übrigen auch die Tänzerin. Die Verträge sind kurz, oft gibt es ab Vierzig keine Anschlussengagements. Das muss adäquat bezahlt werden.

Viertens:
Das Geld ist in den Theatern da. Allein der Intendant kann mit jeden 10.000 Euro Zulage 3 Schauspielern eine Gagenerhöhung von 300 Euro genehmigen.
Hier geht es also auch um eine Umverteilung. Für Orchestermusiker und Techniker werden Gagen ab 3000 Euro ja auch mühelos gezahlt.

Wir reden hier über ein Theatersystem im drittreichsten Land der Welt. Es kann doch nicht sein, dass wer in 500 Jahren über Theater in D nachdenkt, nur an den Sturm und Drang und an die Klassik denkt?
Kolumne Bühnenverein: Intendantenberuf überschätzt
Lieber Stefan Kranbauer,

das ist einer der konstruktivsten Beiträge, die ich seit langem hier gelesen habe. In der Tat wird der Intendantenberuf überschätzt. Jeder der mal leitend tätig war, weiß, dass sein Einfluss, außer in der Personalpolitik, eher gering ist. Und wieso ein Intendant ungefähr soviel wert sein sollte, wie fünf oder sechs Darsteller ist kaum nachvollziehbar.

Aber wie wollen sie die Umlage auf eine Darstellergage sichern? Wenn am Theater gespart wird, dann doch meißtens strikt. Umverteilung wäre eine völlig neuer Weg.

Und lieber Ulrich Heinse, so sehr ich sie verstehe, aber Schauspieler und Schauspielerinnen sind doch nicht nur Schafe, die jubeln, wenn der Wolf verjage wurde. Das ist doch aber ein sehr schlichtes Bild. Finden sie nicht?!
Kolumne Bühnenverein: Vorwurf
#22: Es geht nicht darum, ob der Chef allen gefällt, sondern ob alle dem Chef gefallen.

Ich versuche es etwas detaillierter, zugegeben: alles von aussen betrachtet, also aus Presse und diversen Facebook-Foren.

(1) Ein Mehrspartenhaus mit einem Orchester der Grösse wie in Rostock ist mit dem von der Politik in Aussicht gestellten Betrag nicht zu finanzieren. Die Politik hat sich für eine Spartenschliessung entschieden, (wie immer man die nennt, welche Sparte auch immer, welche Hilfskonstruktion auch immer), der Finanzbetrag war der Grenzwert. Das wusste Sewan Latchinian (und hat lt. SVZ der Berufungskommission gesagt, ihm seien zwei solide finanzierte Sparten lieber als vier unsolide finanzierte Sparten - wegen dieser Äusserung ist meines Erachtens die Entscheidung für ihn gefallen.)

(2) Sewan Latchinians Versuch war dann der, mit Charme, Enthusiasmus, Charisma, Überzeugungskraft die Produktivität und die Anziehungskraft des Hauses zu erhöhen und damit den finanziellen Ertrag zu steigern, um besagter Unterfinanzierung zu entgehen und zugleich die Akzeptanz in der Stadtgesellschaft zu erhöhen. Er wollte beweisen, dass auch mit dem in Aussicht gestellten Betrag ein Vier- (oder sechs)Spartentheater funktionieren kann.

(3) ... Beliebig steigerbar war zudem vor allem die Belastung des Schauspiels - 52 Premieren im ersten Jahr, ob Übernahmen und Kleinstprogramme oder echte grössere Produktionen sind nicht seriös leistbar. (Im Musiktheater sind der Ausweitung durch die DOV enge Grenzen gesetzt.)

(4) Es standen sich also - aus meiner Sicht - zwei problematische Modelle gegenüber: dass der Spartenschliessung aus finanziellen Gründen (Politik, Löwen) und das der Extrembelastung des Ensembles, um mehr Geld einzunehmen und städtische Anerkennung aufzubauen (Intendanz, Wolf). Die Solisten des Hauses, vor allem des Schauspiels, standen zwischen Scylla und Charybdis: entweder Spartenauflösung oder unendliche Steigerung der Selbstausbeutung.

(4) Bei aller Bewunderung für die Energie, das Charisma, die Überzeugungskraft von Sewan Latchinian, aber ich habe eben die ganze Zeit den Eindruck, dass er vor allem darum kämpft, SICH beweisen zu können, beweisen zu können, dass sein Ansatz (der überarbeiteten Künstler) funktioniert. Und dass die übergreifende Verantwortung für das Theater und die Obhutspflicht über die ihm anvertrauten Kollegen hintanstehen.

Und das mache ich ihm zum Vorwurf.

Und, zurückzukommen auf die ursprüngliche Frage: Natürlich sollte diese Sicht auf die Arbeit des Intendanten Sewan Latchinian eigentlich aus der Öffentlichkeit rausgehalten werden! Seiner inhaltlichen Forderung ("Vier Sparten für Rostock") ist nämlich auch dann beizustimmen, wenn man seinen Motiven eher Egozentrik als kulturpolitische Verantwortung unterstellt. Zudem der Auslöser für die Problematik selbverständlich die zu niedrige Festsetzung der Zuwendungen durch Stadt und Land ist!

Aber dieses Forum hier ist ja keine Öffentlichkeit in besagtem Sinne ;-)
Kolumne, Bühnenverein: Ordnungsruf
mal ein kleiner Ordnungsruf: warum zum Teufel geht es hier schon wieder um Rostock? Könnte man bitte die unseelige, unsäglich langweilige Rostockdiskussion in einem der zahlreichen Rostock-Threads führen, oder am besten gleich auf der Webpräsenz der OstseeZeitung? Danke.
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