Presseschau vom 13. Juli 2016 – Der britische Dramatiker Simon Stephens im Interview mit der Süddeutschen Zeitung

"Wir dürfen nicht weinen"

"Wir dürfen nicht weinen"

13. Juli 2016.  In einem Interview von Alexander Menden für die Süddeutsche Zeitung spricht Simon Stephens, einer der produktivsten und erfolgreichsten Gegenwarts-Dramatiker Großbritanniens, ausführlich über den Brexit und den Rücktritt von David Cameron: "Ich habe mich nicht mehr so gefühlt, seit Margaret Thatcher Premierministerin war. Mein Blut geriet jedes Mal vor Wut in Wallung, wenn ich an Politik dachte."

 Eigentlich sei Stephens "ein guter Schläfer". "Aber in der Nacht, als das Ergebnis ausgezählt wurde, war ich früh wach. (..) Ich zitterte richtig, ich war den Tränen nahe. Aber wir dürfen nicht weinen, wir müssen kämpfen." Das Ganze fühle sich ein wenig an wie bei Shakespeare. "Niemand in der Opposition kann uns aus dieser furchtbaren Lage herausholen", so Stephens. Als Auslöser der schwierigen Lage, in der sich Großbritannien momentan befindet, erkennt er die Zeit, "als Margaret Thatcher in den Docklands einen zweiten Londoner Finanzdistrikt bauen ließ. Seitdem haben wir uns als Banken- und Servicekultur wiedererfungen – zu Lasten des übrigen Landes."

Ebenfalls bemerkt Stephens, dass die Politik in Westminster "mit der Realität wenig zu tun" habe. "Letzte Woche war ich in Newcastle Ich habe in den vergangenen dreißig Jahren nie ein so hohes Aufkommen an Obdachlosigkeit und öffentlichem Alkoholismus gesehen." Auf die Frage danach, ob im Theater nun Brexit-Dramen entstehen müssten antwortet Stephens: "Die Versuchung existiert. Aber wenn man zu schnell reagiert, kann man als Dramatiker auch schnell irrelevant werden." "Die Erzählung über England ist vergiftet worden, und wir müssen sie retten", erklärt er abschließend die momentan zentrale Aufgabe der Theatermacher. 

(sae)

 

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