Gütliche Einigung

28. Juli 2016. Der Trierer Stadtrat hat beschlossen, dem Intendanten des Theaters Trier Karl Sibelius eine Vertragsverlängerung bis zum 31. Juli 2020 unter geänderten Konditionen anzubieten. Das melden u.a. der Trierische Volksfreund und der Trier Reporter. Sibelius war im Frühjahr – v.a. wegen eines massiven Defizits in der Theaterkasse – in die Kritik geraten, im Juni hatte der Stadtrat ihm bereits einen Verwaltungsdirektor zur Kontrolle der Finanzen zur Seite gestellt, diese Maßnahme im Juli langfristig bestätigt und dem Theater eine Rettungs-Spritze aus Blitzer-Bußgeldern verpasst.

Das Vertragsverlängerungsangebot enthält nun nach Informationen des Trier Reporters und des Trierischen Volksfreunds eine neue Dienstordnung fürs Theater Trier, die die Idee einer Doppelspitze aus Generalintendant und Verwaltungsdirektor konkretisiert. In allen administrativen, organisatorischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten sollen sich der Generalintendant  und der künftige kaufmännische Direktor gleichberechtigt die Verantwortung teilen. In künstlerischen Fragen soll der Intendant weiterhin allein entscheiden und wird durch den Vertragsentwurf sogar verpflichtet regelmäßig als Darsteller oder Regisseur künstlerisch tätig zu werden, so die Zeitungen. Außerdem soll der Vertragsentwurf, so berichtet der Trier Reporter exklusiv, eine Verringerung von Sibelius' monatlichen Bezügen um 1700 Euro auf dann 10.000 Euro beinhalten.

Sibelius hat sich nicht direkt zu dem Vertragsentwurf geäußert, der Trier Reporter zitiert den Trierer Kulturdezernenten Thomas Egger jedoch mit den optimistischen Worten: "Wir haben gute und konstruktive Verhandlungen miteinander geführt und ich gehe deshalb davon aus, dass er dem Vertragsangebot zustimmen wird." Auch hatte Sibelius' Rechtsanwalt Andreas Ammer dem Trierischen Volksfreund gegenüber bereits zu Beginn der Woche erklärt, dass der Intendant "grundsätzlich" mit einer Doppelspitze am Theater einverstanden wäre.

Sollten Sibelius, der Stadtrat und die Verwaltung wider Erwarten keine gemeinsame Basis finden, hat das Theater Trier ab Sonntag keinen Intendanten mehr. Sibelius' aktueller Vertrag läuft am 31. Juli aus. Den Oberbürgermeister von Trier Wolfram Leibe (SPD) zitiert der Trierische Volksfreund mit der Notlösung für den Fall, dass Sibelius den Vertrag nicht unterschreibt: "Dann würde Operndirektorin Katharina John die Funktion einer geschäftsführenden Intendantin übernehmen."

Update, 3. August 2016: Wie u.a. der Trierische Volksfreund meldet, hat Karl Sibelius, Intendant des Theaters Trier, die Vertragsverlängerung unter den geänderten Konditionen angenommen.

(Trier Reporter / Trierischer Volksfreund / sd)

 

Mehr zur Situation in Trier:

Meldung vom 15. Juli 2016 – Trier rettet Theater mit Blitzergeld

Presseschau vom 29. Juni 2016 – In Trier spitzt sich die kulturpolitische Krise zu

Podcast vom 9. Juni 2016 – Was ist los am Theater Trier? Warum Intendant Karl Sibelius trotz neuer künstlerischer Maßstäbe in der Kritik steht

Meldung vom 6. Juni 2016 – Millionendefizit in Trier: Oberbürgermeister stellt Intendanten Verwaltungsdirektor an die Seite

mehr meldungen

Kommentare  
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: Zahlenmissverständnis
Bei nur 1700 Euro Gehalt (...) für eine Doppelfunktion hätte ich auch aus Protest zwei Milliönchen und mehr zu meinem Spielgeld gemacht. ;-)

(Liebe/r CK, die Zahlen sind sowieso nicht gesichert, aber Sie verstehen da auch offensichtlich etwas falsch: Der Trier Reporter schreibt von einer angeblichen VERRINGERUNG von Sibelius' monatlichen Bezügen UM 1700 Euro AUF DANN 10.000 Euro; wenn das stimmt, bekommt Sibelius bisher 11.700 Euro/Monat.)
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: trotzdem teuer
Danke für die Aufklärung. Präpositionen sind eine schwierige Sache. Irrsinn bleibt es gleichwohl: der kommende kaufmännisch Ahnungsvolle kostet sicher deutlich mehr als 1700 Euro. Sibelius kostet und kostet also unterm Strich nur. In diesen Zeiten sollte man über die Kunst reden, wenn die Basis stimmt. Nicht mit Kunst einen solchen Umgang mit Geld rechtfertigen. Aber ich gebe Trier auch kommende Spielzeit wieder eine Chance. Mögen Finanzbasis und Kunst in Einklang kommen. Oder die 'göttliche Rose' gehen.
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: unseriös
Ich finde es sehr unseriös, dass auch hier unter Datenschutz fallende Gehälter unüberprüft veröffentlicht werden.
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: offen einsehbare Gehälter
Ich finde es sehr schlimm, dass Intendantengehälter (bezahlt aus öffentlicher Hand) überhaupt unter irgendeinen Datenschutz fallen sollen. Die Gehaltstabellen des gesamten öffentlichen Dienstes (Angestellte wie Beamte) sind offen einsehbar. Womit ist denn gerechtfertigt, dass Intendantengehälter verschwiegen werden? Dass es keine gesicherten Zahlen sind, wurde ja ansonsten klar kenntlich gemacht.
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: Tarifordnung
Alle Angestelltengehälter im öffentlichen Dienst sind für jeden nachvollziehbar in den Tarifordnungen hinterlegt. Da muss sich ein Intendant Sibelius nicht mit Scham bedecken, zumal als Art but fair Erstunterzeichner, wenn die eigene Gage in ihrer Höhe veröffentlicht wird.
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: nicht gesichert
@#1
Wären die Zahlen nicht gesichert, hätte schon längst jemand widersprochen. Sie sind ganz sicher gesichert...
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: Chaos
Das ist ja lieb von Herrn Sibelius, dass er den Job auch für 10.000 machen will. Ich kann mir nicht helfen, aber ich fürchte, dass das Trierer Chaos noch lange nicht vorbei sein wird. Ich werde das nächste Mal mit dem Zug hinfahren - nicht dass ich noch geblitzt werde...
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: Feinde
@#7: Da haben Sie recht, denn der trier reporter, die AFD und diverse Kommentatoren hier, werden ihr Übriges tun, das Thema am Laufen zu halten. Solche Feinde mag man wirklich niemandem wünschen...
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: andere Reaktionen
@8: Ich gebe Ihnen ebenfalls recht, der Widerstand ist durch die von Ihnen Genannten extrem hart (…). Ich muss aber auch sagen: Ich persönlich würde, käme ich in die fragliche Lage, keine Arbeitssituation wie die in Trier eingehen. Denn unabhängig von der (…) Stimmung im Haus (…): Von den immer wieder als "enthusiastisch umjubelt" etc. bezeichneten Produktionen des Hauses, wie in von Seiten des Theaters publizierten Statements zu lesen, habe ich in mehreren Theaterbesuchen durchaus und mehrheitlich auch andere Publikumsreaktionen erlebt, die dem Jubel diametral entgegengesetzt ausfielen. So z.B. vor allem zu Spielzeitbeginn etwa in "Fidelio" und "Molière". Da taten mir die Darsteller*innen mehr als leid - und die Zuschauer irgendwie auch.
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: schlecht durchdacht
Die Stadt Trier wollte von Anfang an sparen und hat einem Intendanten auch noch die Geschäftsführung anvertraut, und dachte sich "Schön, dass sind ja auch noch mal 70.000 oder wahrscheinlich mehr im Jahr, die sich da sparen lassen. Nun selber Schuld, dass dieser Schuss nach hinten losging. Es ist total unseriös die Gewalten nicht aufzuteilen und einem künstlerischen Kopf wie Sibelius auch noch die Zahlen anzuvertrauen, obwohl er ja ein Managementstudium absolviert hat. Die Hetze, die in Trier betrieben wird, ist wirklich an Kleinbürgerlichkeit und Kleingeistigkeit nicht zu überbieten. Natürlich musste das alte Ensemble zu 90% entlassen werden. Da waren so viele Schauspieler dabei, die es sich in Trier gemütlich eingerichtet haben und nur noch ihren schlechten Routinestil runtergespielt haben, es war unerträglich. Aber das merkt dann keiner mehr. Natürlich hätte man auch behutsamer vorgehen können, nicht direkt alle auf einmal, sondern Schritt für Schritt, aber letztendlich brauch man für einen Neuanfang, ein neues Ensemble, dass hinter einem steht. Aber künstlerisch hat sich jetzt nun einiges geändert, aber per se gut ist das leider auch noch nicht alles. Schlimm waren wirklich diese Fidelio Inszenierung und der Peter Pan. Provokation bei Fidelio? Ach I wo! Pinkeln auf der Bühne, *gähn*! Das war einfach schlecht durchdachtes Theater. Punkt. Und Peter Pan, für Kinder(!!!!), war das liebloseste, was ich jemals für Kinder gesehen habe. Bühnenbild, Fantasie, Spiellust gleich null, und schlechte singende Schauspieler, muss man einfach mal sagen. Sibelius macht was, rüttelt wach, versucht Trier aus seinem künstlerischen Dornröschenschlaf zu bomben, ob das so der richtige Weg ist, ist eine andere Frage. Aber wenigsten passiert im größten Dorf in der Eifel mal was! Seine Profilneurose mit einhergehendem Selbstdarstellungsdrang und auch das Namedropping sind nervig und es leidet seine Glaubwürdigkeit, neue, junge, interessante Künstler in der Mittelpunkt zu stellen und dann eine über 70jährige Tanzleiterin zu engagieren, die ihre größte Zeit in den 80er hatte und da auch ästhetisch hängengeblieben ist, aber gut, besser als das langweilige und unmotivierte Ballett der Vorgänger ist es auf jeden Fall.
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: kunstfeindlich
@#10 Mit Sicherheit waren bei Sibelius einige künstlerisch interessantere Arbeiten zu sehen als bei Weber. Aber was nützt der Vergleich hier? Den Schaden für die Kunst richtet der neue Intendant an. Er spielt all den kunst-feindlichen Kräften in die Hände:
http://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/kultur/theater/notizen-aus-absurdistan_17249434.htm
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: versagt
@11 Danke für den interessanten Link! Klingt tatsächlich nach einem Tollhaus. Wobei man sich nach den im Artikel genannten Fakten streiten kann, welches Trierer Gebäude diese Bezeichnung mehr verdient: das Theater oder das Rathaus.

@10 Niemand hat Sibelius gezwungen, sich auf diesen Job mit genau dieser Stellenbeschreibung zu bewerben. Im Gegenteil: Er selbst hat sich ausdrücklich seiner angeblichen betriebswirtschaftlichen Kompetenz wegen gerühmt und sich darauf berufen. An anderen Theater dieser Größenordnung funktioniert eine Bündelung beider Aufgabenbereiche auch, dass es in Trier anders ist, hat wenig bis nichts mit den Strukturen des Hauses und viel bis alles mit den handelnden Personen (allen voran Sibelius) zu tun. Und wenn man dann noch sieht, wie kritiklos er auch von NACHTKRTIK porträtiert bzw. gefeiert worden ist (Text vom 21. Mai 2014), wie geschönt sein Wirken in Eggenfelden dargestellt wurde, darf man sich nicht wundern. In Trier hat nicht nur Sibelius, dort haben vor allem einmal mehr alle kulturpolitischen Kontrollinstanzen (inkl. der etablierten Medien) versagt.
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: ganze Wahrheit?
Der offene Brief der drei Regieteams (Thorleifur Örn Arnarsson, Christina Friedrich, Marco Storman) an den Kulturausschuss der Stadt Trier vom 28.06. weist tatsächlich erschreckende Arbeitsbedingungen am Theater Trier auf, wenn alles so geschehen ist wie es dort beschrieben wird.
Was allerdings seltsam ist, dass in keiner Weise der damals noch amtierende Schauspiel-Chef Ulf Frötzschner in dem Brief a) als Verantwortung tragender Spartenleiter und b) nicht mal als vermittelnde Instanz bei den beschriebenen vertraglichen und sonstigen organisatorischen Problemen genannt wird. Die Schuld wird allein und voll an Karl Sibelius geheftet - ich kann mir nicht vorstellen, dass das die ganze Wahrheit sein soll.
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: Stellungnahme
@#13
Das Schauspielensemble (in einem offenen Brief - nachtkritik berichtete) und die Regisseure (in dem vertraulichen Bericht an den Kulturausschuss, aus dem auch auf nachtkritik zitiert wurde) haben sich explizit in mehreren Stellungnahmen hinter Ulf Frötzschner gestellt, und auch sein Bemühen als vermittelnde Instanz betont.
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: Urteil pro Frötzschner
Nun ist der Fall Frötzschner auch vor Gericht entschieden worden. Alle Richter des Bühnenschiedsgerichts votierten für Frötzschner:
http://www.opus-kulturmagazin.de/nc/news/kulturnachricht/beitrag/neues-vom-theater-trier-schauspieldirektor-ulf-froetzschner-siegt-in-seiner-kuendigungsklage.html
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: Link-Hinweise
Links zur Info - frötzschner und sibelius vor dem Bühnenschiedsgericht Frankfurt

http://www.volksfreund.de/nachrichten/region/kultur/Kultur-Schlappe-fuer-Sibelius-und-die-Stadt;art764,4526159

http://www.opus-kulturmagazin.de/nc/news/kulturnachricht/beitrag/neues-vom-theater-trier-schauspieldirektor-ulf-froetzschner-siegt-in-seiner-kuendigungsklage.html

http://www.trier-reporter.de/theater-trier-froetzschners-sieg/
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: andere Rechnung
(...)

Lieber Herr Thielen,

(...) lassen Sie uns doch mal rechnen, wie es wirklich ist:

Herr F. hat einen Vertrag über 5 Jahre: 4000x12x5=240.000€ Das ist das was ihm zu steht. Punkt.

Herr F. möchte eine Saison weiter machen also 48.000€ und dann für 50.000€ gehen. Die drei Monate in denen er ungerechtfertigter Weise keine Gage bekam müssen ohnehin nachbezahlt werden. Also macht das dann 110.000€

Herr Sibelius möchte ihn sofort los werden und bietet 112.000€

Wir reden hier über 2000€ unterschied! Ich bitte Sie! Versuchen Sie hier doch nicht mit billigen Rechenbeispielen die Sau durchs Dorf zu treiben!

Ich finde es eher verwunderlich, dass Herr F. nicht mehr Geld möchte, oder seinen Vertrag erfüllen. Denn momentan hat er einfach einen Vertrag bis 2020 und dieser Verdienst steht ihm zu!
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: Vertragsfrage
Wie konte Sibelius eigentlich mit Frötzschner einen 5-Jahresvertrag abschließen? Sein eigener Vertrag stand nach nur einer Spielzeit zur Verlängerung an. Er hatte bei Vertragsabschluss mit Frötzschner also nur einen 1-Jahresvertrag. Warum durfte er Verträge schließen, die so weit über seine eigene Vertragslaufzeit hinaus gingen?
Trier bietet Sibelius Verlängerung an: merkwürdige Parallelen
Darmstadt, Bern, Trier - das sind drei Fälle, wo Intendanten nach kurzer Zeit unter komischen Umständen die Schauspieldirektoren rauswerfen. Leidtragend sind auch die Schauspieler und Dramaturgen, die zum Team gehören.
Wäre es nicht Zeit für eine vergleichende Untersuchung? Könnte Nachtkritik nicht alle drei Schauspielleiter befragen?
Komisch finde ich, wie über Trier in harten Tönen hier gekämpft wird, aber viel gemäßigtere kritische Kommentare zu Bern nicht veröffentlicht werden. Ich habe einen geschrieben und weiß noch von einem zweiten. Wurde das vom Theater Bern verboten? Das wäre sehr merkwürdig.
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