Völlige Unkenntnis, tiefgreifender Mangel an Respekt

12. September 2016. Mit einer Petition protestiert das Ensemble des Berliner Staatsballetts gegen die Ernennung von Sasha Waltz und Johannes Öhman zu Co-Intendanten des Staatsballetts ab der Spielzeit 2019/20 und fordert die unverzügliche Rücknahme dieser Entscheidung und die Einsetzung einer Findungskommission.

Staatsballett Petition 280Ensemble mit Protesttransparent
@Staatsballett Berlin
Die Ernennung von  Waltz und Öhman sei "mit der Ernennung eines Tennis-Trainers zu einem Fußball-Trainer oder eines Kunstmuseumsdirektors zu einem Chefdirigenten" zu vergleichen, heißt es unter anderem im Petitionstext. Diese Entscheidung von Michael Müller und Tim Renner zeige "die völlige Unkenntnis beider über die Traditionen und Entwicklungslinien von Tanz und insbesondere Ballett".

Inmitten des Wahlkampfes

"Besonders erwähnt werden muss", so die Erklärung des Ensembles weiter, "dass eine solche Ernennung drei Jahre im Voraus in der Ballettwelt nicht nur beispielslos ist, sondern auch die Compagnie tief verstört und beleidigt. Dass diese Ankündigung inmitten des Wahlkampfs erfolgt, lässt uns zu dem Schluss kommen, dass sie weniger künstlerisch als vielmehr politisch motiviert ist, was abermals von einem tiefgreifenden Mangel an Respekt für unsere Compagnie, unsere Tradition, unsere Kunstform und unser Publikum zeugt". Weitere Protestaktionen sollen in Vorbereitung sein.

Es ist dies der zweite Protest aus einem Ensemble heraus gegen eine Intendanz-Entscheidung aus dem Hause Müller/Renner. Im Juni hatten Teile von Ensemble und Belegschaft der Berliner Volksbühne gegen die Ernennung von Chris Dercon als Nachfolger von Intendant Frank Castorf protestiert.

(sle)

 

Hier geht es zum vollständigen Text des Protesteschreibens des Ensembles des Berliner Staatsballetts sowie der Petition.

Eine Presseschau zu den Protesten in Berlin gibt es hier.

 

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Kommentare  
Ensemble gegen Sasha Waltz: nachvollziehbar
Der Protest der Tänzer ist nachzuvollziehen, denn es geht um einen Genrewechseln, es geht um die Veränderung der Ausrichtung einer Kunstsparte, die deutlich über einen Intendantenwechsel hinausgeht, ähnlich der, ein großes Orchester in ein kleines, ein großes Opernhaus in eine Operette zu verwandeln.
Wir werden sehen, ob Sasha Waltz, die als Managerin nicht groß Erscheinung getreten ist, auch in der Lage ist, eine so große Kompanie zu leiten, geschweige denn künstlerisch mit den Tänzern zu arbeiten. Die Angst der Tänzer ist verständlich.
Vergleichbar mit der Angst des Ensembles der Volksbühne ist sie nur annähernd. Hier handelt es sich um 82 Tänzer, dort um 12 fest angestellte Schauspieler (die Volksbühne arbeitet von allen deutschen Theatern mit dem meisten Gästen).

(Das Protestschreiben der Volksbühne war von über 150 Menschen unterschrieben, darunter nicht nur Schauspieler*innen sondern auch anderweitig an der Volksbühne Beschäftigte. Freundliche Grüsse aus der Redaktion)
Ensemble gegen Sasha Waltz: Luxus-Anspruch
Sasha Waltz und Johannes Öhman hatten doch gesagt, dass sie 50% des Repertoires dem klassischen Ballett lassen wollten. Mein Gott, wenn jetzt jedes Theaterensemble jedes Mal auf die Barrikaden geht, wenn ihm die politische Entscheidung von einer neuen künstlerischen Entscheidung nicht behagt, dann werden sich diese Ensembles aber wundern, wie schnell man das Vertrauen eines Publikums verlieren kann. Was für ein Luxus-Anspruch.
Es bleibt nun mal nicht immer alles so, wie es ist. Ich finde die Entscheidung für die beiden neuen Ko-Intendanten jedenfalls nach wie vor super.
Ensemble gegen Sasha Waltz: Berliner Sonne
Genau, die Belegschaft entscheidet über die Besetzung von Führungspositionen. Wo kämen wir denn sonst hin! Ist ja auch so in Wirtschaft, Verwaltung und Politik. Überall! Ach, nee, einen Moment... Da ist es ja genau umgekehrt, da entscheiden die Besitzer, Anteilseigner, Aktionäre, Wähler! In Berlin scheint die Sonne offenbar besonders heißt zu brennen.
Ensemble gegen Sasha Waltz: aufgedonnertes Gehüpfe
Ach, der Herr Waßmann nun schon wieder. Schon einmal etwas von Mitbestimmung gehört? Oder waren Sie jemals im Ballett? Wissen Sie, wie da die Uhren ticken. Nach Berlin kommen die Leute auch aus Moskau und anderen Städten Europas, um hier das Ballett zu sehen. Meimnen Sie, die werden hier noch kommen, um das aufgedonnerte pathetische Gehüpfe von Sasha Waltz & Cie zu sehen. Eher weniger. Schuster bleib bei Deinem Radialsystem.
Ensemble gegen Sasha Waltz: Einspruch
@ 3
Ich frag mich, wo bei dir die Sonne so scheint, lieber Prospero. Es entscheiden also "Besitzer, Anteilseigner, Aktionäre, Wähler!" Genau in der Reihenfolge. Punkt! Umgekehrt wäre das ja Demokratie, oder wie das heißt. Und was sind eigentlich die, über die entschieden wird? Dummes Wahlvieh? Besitzen die nichts? Man muss ja nicht für die unmittelbare Mitbestimmung sein, aber ich dachte, wir waren da schon mal weiter. Aber gut, wer das Geld hat darf entscheiden, wir leben ja schließlich nicht im Sozialismus.
Ensemble gegen Sasha Waltz: Schluss mit Verklärung
@Stefan B.
Im vorliegenden Fall sind "Besitzer, Anteilseigner, Aktionäre, Wähler" sozusagen identisch, weil das Berliner Staatsballett öffentlich finanziert wird. Ihren polemischen Versuch, eine Reihung zu konstruieren, lassen Sie also besser, werter Mitdiskutant. Und demokratisch legitimiert - d.h. Vertreter der obigen, steuerzahlenden Besitzerriege - ist nicht das Ensemble, sondern die von ihm angegriffenen Herren Müller und Renner. Hören Sie doch bitte auf, Egoismus und Anmaßung als urdemokratischen Willensakt zu verklären!
Ensemble gegen Sasha Waltz: mutige Entscheidung
@3 Baryshnikowa, dann gehen Sie doch nach Moskau... ich finde es eine mutige und richtige Entscheidung für Sasha Waltz. Und dieses Geschwätz eines Staatsballetttänzers oder seiner Angeheirateten oder wer immmer Baryshnikowa ist, ist überheblich.Die Company von Sasha Waltz ist weltweit anerkannt. Ich war unter Malakhov oft im Staatsballett. In den letzen drei Jahren ist dort gar nichts passiert.
Dann freue ich mich auf 2019, meinetwegen auch ohne den russischen Popanz und ohne "Baryshnikowa".
Ensemble gegen Sasha Waltz: visionär
Wie wär's als nächstes mit Dirk von Lotzow als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, oder Jonathan Meese als Architekten fürs Berliner Stadtschloss....anyway das sind wirklich große politische Visionäre.Visionär meint in dem Fall , völliges Fehlen jeder Sachkenntnis des betreffenden Metiers.
Ensemble gegen Sasha Waltz: Piefkeprovinztum
@olaf: das ist eben dieses Weltstadtgroßgetue, hinter dem nur altes westberliner Piefkeprovinztum steckt. Keine Ahnung, aber viel reden, große Namen, die mit Luft gefüllt sind. Dafür steht auch die Politik von Tim Renner. Zu mehr als Freier Szene reicht der Überblick bei dem Mann nicht. Und die installiert er jetzt überall. Oh Graus! Da gehe ich lieber nach Moskau und dahin, wo die echten Weltstädte sind.
Ensemble gegen Sasha Waltz: seltsames Demokratieverständnis
@ Prospero
Also doch Stimmvieh. Stimme abgeben und Klappe halten. Kritik an Senatsentscheidungen ist unerwünscht. Was ist denn das für eine Auffassung von Demokratie? Warum soll das Ballett, oder auch ein Schauspielensemble, nicht die Zurücknahme einer Entscheidung, die der gewählte Senat Kraft seines Amtes, oder was auch immer in dazu legitimiert, fordern, oder sie zumindest in Zweifel ziehen dürfen. Diese Art von Protesten mit der Bemerkung Sonnenstich, oder Egoismus zu quittieren, ist nicht nur flapsig, sondern auch sehr eitel und zynisch. Jeder hat das Recht Politikerentscheidungen anzuzweifeln und dagegen zu protestieren. Ihr Verständnis von Demokratie als nach oben delegierte Entscheidungsvollmacht, ohne jegliche Möglichkeit der Einflussnahme, erinnert an die Türkei oder Russland. Aber da sollen die ja jetzt auch hingehen. Nach Moskau, nach Moskau! Da herrschen noch ganz andere Sitten.
Ensemble gegen Sasha Waltz: unkultivierter Stil
Der Stil, wie hier Interessenskonflikte ausgetragen werden, ist wirklich unkultiviert . Verstehen sie?! Unkultiviert ! Und der beste Beleg dafür, wie wenig Kunst dazu beiträgt eine Kultur zu verfeinern .
Ensemble gegen Sasha Waltz: weniger pathetisch
#4 Ich kenne Mitbestimmung, ich war jahrelang Mitglied eines Betriebsrats. Meine Vorgesetzten habe ich dort allerdings eher selten mitbestimmen können. Ich war auch nicht nur jemals im Ballett, sondern schon sehr oft in meinem Leben. Aber lernen Sie doch erstmal einen respektvollen und weniger pathetischen Meinungsaustausch und kommen Sie doch nicht mit so einem Pseudonym. Schönen Tag noch und viel Spaß in Moskau.
Ensemble gegen Sasha Waltz: Helene Fischer!
@8: Ja, super. Und Hartmut Mehdorn wird Regierender Bürgermeister. Und Helene Fischer wird Kulturstaatssekretärin.

Zum Glück sind ja diesen Sonntag Wahlen (@3, @5, @6, @10)! Die Wähler/inn/en können ja entscheiden, inwieweit sich der T.Renner mit Ruhm bekleckert hat.
Ensemble gegen Sasha Waltz: frühkindlicher Wunsch
Oh, Demokratie. Dazu gehört, meiner Meinung nach, dass einzelne Interessegruppen nicht ständig im Namen aller sprechen. Das ist Narzissmus, nicht Demokratie. Und dass ein Ballett, das die letzten Jahre gerade nicht so berauscht hat, nun auch über seine Neuaufstellung mitentscheiden soll, ist eher ein frühkindlicher als ein demokratischer Wunsch. Die Verwaltung (bei nk-Redakteurinnen ja nur noch: "Großmuftis", auch schon verglichen mit Putin und Erdogan - danke für das Niveaulimbo...) ist stark auf die Belegschaft zugegangen im jüngsten Arbeitskampf, was dazu führt, dass sich die Compagnie nun für die Findungskommission hält. Jeder Wechsel sorgt für Unmut in der Belegschaft eines Betriebs, das ist IMMER so. Daraus zu schließen, dass die Entscheidung undemokratisch sei, ist dagegen eher neu. Und wenn wir schon von Wahlkampf reden: Was anderes ist denn der Versuch, die Protestenergie der Volksbühne mit der unzufriedenen Compagnie kurzzuschließen und Renner/Müller zu attackieren? Großmuftis, Putins, Erdogans!


(Werter Derkann, auch andere Medien haben diese Protestenergien kurzgeschlossen, darunter der Tagesspiegel und Spiegel-Online:
http://www.tagesspiegel.de/kultur/protest-gegen-entscheidung-des-buergermeisters-berliner-staatsballett-lehnt-ko-intendantin-sasha-waltz-ab/14534008.html
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/sasha-waltz-staatsballett-proteste-gegen-designierte-intendantin-a-1111959.html
Freundliche Grüsse aus der Redaktion, Esther Slevogt)
Ensemble gegen Sasha Waltz: hin zum Stadtmarketing-trächtigen
@ 9, Kleine Korrektur:
Liebe Baryshnikowa. Große Namen haben nichts mit der „Freien Szene“ zu tun. Auch ist Sasha Waltz schon längs nicht mehr nur der freien Szene zuzuordnen. Der Staatsopernballett-Job ist vielleicht ein Versuch des Senats, die freie Szene ein wenig zu befriedigen. An Sasha Waltz hatte man etwas gut zu machen. Außerdem sind ihr internationaler Ruf sowie die Reputation in der freien Szene nach wie vor gut. Nur nützt die Berufung von Sasha Waltz weder der freien Szene etwas, noch wird es das Ensemble des Staatsopernballetts, das nun um seine klassische Ausrichtung fürchtet, zufrieden stellen.

Was die Freie Szene von der angeblichen finanziellen Besserstellung durch Tim Renner hält, die von Rüdiger Schaper in seiner Bilanz der Berliner Kulturpolitik im Tagesspiegel noch konstatiert wurde, kann man in der taz nachlesen. Nichts ist erledigt, ist das Fazit: http://www.taz.de/!5335634/

Man kann sich laufend auch auf Facebook informieren: Koalition der Freien Szene (Independent Scene Coalition) https://www.facebook.com/groups/312221555510047/

Die Berufung von Sasha Waltz ist nach Chris Dercon ein weiterer großer Besetzungscoup der Berliner Kulturpolitik. Nicht zu vergessen Paul Spieß, den neuen Direktor der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Auch er ist ein international renommierter Museumsmann, der Berlin in Sachen moderner Ausstellungsevents nach vorn bringen soll. Man möchte dem Bund in nichts nachstehen, der ja bereits Neil MacGregor als Gründungsintendanten für das Humboldt-Forum berufen hat.

Michael Müller, der den Kultursenatorenjob ja nur von Klaus Wowereit geerbt hatte, und sich auf dem Parkett zunächst wohl nicht so recht heimisch fühlte, hat den Wert von Kultur für Berlin und auch für das eigene Image erkannt. Tim Renner ist ihm da ein guter Berater. Es lässt sich neuerdings mit Kulturpolitik sogar Wahlkampf betreiben, nicht nur auf Empfängen der Berliner Wirtschaft. Die Berufung von Sasha Waltz ist so ein kluger Schachzug zum passenden Moment. Und wie es die taz in ihrem Artikel ganz richtig bemerkt: „Das alles muss nicht nur schlecht sein, demonstriert aber den Bedeutungswandel spezifischer Berliner Kulturpolitik hin zu einem Stadtmarketing-trächtigen, repräsentativen Akzent, hin zu ,Weltoffenheit und Internationalität‘, wie Müller selbst sagt.“ Die heimische freie Szene ist da nur ein schickes Accessoire, das man sich gelegentlich anheften kann. Da bekommt die magische Formel, die Müller letztens auf der Eröffnung der Pop-Kultur in Neukölln kreierte, von einem Berlin als „Stadt der Freiheit“ gleich eine ganz neue Bedeutung. Mal davon abgesehen, das sich der Regierende da auch ganz gut in einer Brandt-Kennedy-Pose gefällt. Was das an wirklich Neuem für Berlin bringt, kann man an Städten wie London schon sehen, wo Clubs geschlossen werden und die Mieten für Künstler in der Innenstadt nicht mehr bezahlbar sind. Freiheit muss man sich in Zukunft vor allem leisten können.

Das nur mal so am Rande zur Berliner Kulturpolitik, ohne die Berufung Waltz fachlich bewerten zu wollen.
Ensemble gegen Sasha Waltz: tolle Arbeit
Nicht Sasha Waltz ist zur Intendantin des Staatsballetts berufen worden, sondern das Team Waltz/ Öhmann. Diejenigen, die nun um das Staatballett und seien Qualität fürchten, sollten mal einen Blick über den " Berliner Tellerrand" nach Stockholm werfen ans Royal Swedish Ballet. Hier leistet nämlich Johannes Öhmann tolle Arbeit als Ballettdirektor mit einem klassischen Ensemble.
Allerdings würde ich Herrn Öhmann zutrauen, auch ohne Mitwirkung von Frau Waltz das Staatsballett zu leiten!
Ensemble gegen Sasha Waltz: Elefant im Kulturporzellanladen
Berlin scheint zur Stadt des Tanzes zu werden. Sasha Waltz, die sich so auf die Volksbühne gefreut hatte, die ihr Schmitz nie geben wollte, wird Dercon und mit ihm Mette Ingvartsen, Ann Teresa De Kaeersmaker und Boris Charmatz vor die Nase gesetzt. Da muss schon eine Kompensation her. Machen wir, wird Tim Renner, der Berliner Elefant im Kulturporzellanladen sich gesagt haben und das noch vor der Wahl. Wer weiß was danach kommen wird. Vielleicht ein Kultursenator oder eine -senatorin. Sicher ist sicher.
Ensemble gegen Sasha Waltz: bemerkenswert
Drei Punkte finde ich bemerkenswert:

1. Respektlos ist es, die Entscheidung über die Nachfolge im Wahlkampf zu verkünden - meines Wissens ohne größere vorherige Diskussion. So gehört sich das einfach nicht. Für solche Prozesse gibt es bessere, fairere Wege, als dass ein möglicherweise scheidender Regierungschef sich schlicht durchsetzt.

2. Mit der Berufung von zwei eher unterschiedlichen Personen versucht man wohl, es allen Recht zu machen. Das scheint die Lehre zu sein, die man aus dem Volkstheater-Debakel gezogen hat: Wir nehmen einfach einen klassischen Intendanten UND eine moderne Tanztheatervertreterin. Solches Postenvergeben hat in der Politik ja schon immer unbegrenzt funktioniert. Kriegen die beiden dann eigentlich auch ein halbiertes Gehalt?

3. Die Online-Petition scheint sich ja als neue Protestform zu etablieren. Das irritiert mich: Das ist doch irgendwie unkreativ, zu bequem und zu schnell vom Tisch zu wischen. Aber es ist ja auch ein trauriges Zeichen, wenn die Entscheidungsträger offenbar nicht in der Lage sind, das Ensemble so einzubinden, dass es sich respektiert fühlt. Da hat man offenbar bei Renners daheim überhaupt nichts aus dem Volksbühnen-Theater gelernt. Hätte man nicht, vor dem Gang an die Öffentlichkeit, mit dem Ensemble sprechen können, sich beraten lassen können? Oder hat es solche Gespräche gegeben?
Ensemble gegen Sasha Waltz: bei Null anfangen
War Kunst nicht einmal das Ding, was für Beweglichkeit, Experiment und Neugierde stand? Anscheinend befinden wir uns in einer Zeit, in der dieser Geist einer rein bewahrenden, auf den Status quo pochenden, Selbstbezüglichkeit gewichen ist. Vielleicht sollten wir alle Theater, Ensembles, Opern usw. einfach auflösen und dann in den leeren Häusern einfach bei null anfangen ?
Ensemble gegen Sasha Waltz: einfach nach Hause
Keine Ahnung, wie man etwas retten soll, das offensichtlich gar nicht gefährdet ist. Kann diese Debatte bitte schnell beendet sein? Niemand muss zurück nach Moskau. Keiner muss in Berlin auf klassisches Balett verzichten. Die Feuerwehr kann einfach wieder nach Hause fahren und die Schläuche trocknen. Kein Brand weit und breit.
Ensemble gegen Sasha Waltz: richtige Worte
Für mein Empfinden findet Rüdiger Schaper wieder einmal genau die richtigen Worte. http://www.tagesspiegel.de/kultur/streit-um-ko-intendantin-sasha-waltz-berliner-staatsballett-die-taenzer-sind-krawallerprobt/14541518.html
Ensemble gegen Sasha Waltz: verwirrend
Ich bin verwirrt. In den vergangenen Monaten haben zwei Ensembles in Berlin die Personal-Entscheidungen der Kulturverwaltung extrem negativ kommentiert und Änderungen gefordert. Dem einen fliegen hier mehrheitlich die Herzen zu, das andere wird mehrheitlich geschlachtet. Inhaltlich unterscheiden sich die beiden Kommentare jedoch gar nicht so sehr, denn beide berufen sich auf die Tradition, beide stellen die Qualifikation der zukünftigen Leitung in Frage, beide versuchen Änderungen des Profils, der Ausrichtung und Bühnenästhetik der betroffenen Einrichtungen zu verhindern. Ein bisschen verkehrte Welt ist es schon, wenn Kulturpolitiker bereit sind, schwer zu kalkulierende Risiken einzugehen – und Künstler davor zurückschrecken.
Wo ist er denn jetzt, der Unterschied zwischen der Causa Volksbühne und der Causa Staatsballett? Und – ich bin gespannt, wie die Reaktionen auf den Morgenpost-Artikel über das BE ausfallen werden.
Eine weitere Frage, die über die Einzelfälle hinausgeht: Sind (künstlerische) Kollektive wirklich per se konservativ und sträuben sich gegen (ästhetische) Veränderung?
Ensemble gegen Sasha Waltz: Sorge des Kollektivs
Künstlerische Kollektive sind per se in Sorge um den Arbeitsplatz und um den Einfluss in den Netzwerken. Und insofern natürlich konservativ.
Ensemble gegen Sasha Waltz: komplizierte Veränderungen
#22 Nein, Kollektive sind nicht per se konservativ. Auch künstlerische nicht. Aber die Konservativsten in ihnen haben die größte Angst vor Veränderungen, während die Progressivsten unter ihnen gleichzeitig die wenigste Geduld haben, ihnen die Notwendigkeit, die Schönheit und die Freude an der gemeinsamen Veränderung zu vermitteln. Das macht es halt kompliziert mit dem Ändern. Überall. Deshalb verlassen die Ungeduldigsten die Kollektive vielleicht und ziehen das Alleinarbeiten, zumindest zeitweilig, auf für sie kommende, bessere Zeiten hoffend, dem kollektiven vor?
Ensemble gegen Sasha Waltz: Standpunkte
Ich finde es schon bemerkenswert, dass der Protest des Staatsballetts als Veränderungsunwilligkeit denunziert wird. Dabei fordern die Tänzer nichts anderes als das, was z.B. hier auf nk von Kommentatoren auch ständig eingefordert wird, nämlich die Beteiligung der Ensembles an Personalentscheidungen, also Demokratisierung der Institution. Das wird plötzlich zum Beharren auf den Status Quo umgedeutet. Seltsam. Und natürlich haben die Tänzer Recht. Frau Waltz steht nicht für klassisches Ballett. Ebenso wie Dercon nicht für Theater steht. Punkt.
Ensemble gegen Sasha Waltz: Intendanten in Misskredit
Bekanntlich wird am Theater mit den Füßen abgestimmt. Nun ist dieser Vorgang keineswegs demokratisch, sondern beruht auf Chancen und einem mehrheitlichen Geschmack, in dem sich keine demokratischen Motive abbilden. Grundsätzlich ist die Annahme, es könne in der Kunst Gerechtigkeit auf der Basis demokratischer Wahlen geben, sehr zweifelhaft. Nichts desto trotz gäbe es Möglichkeiten zu Besserung. Nur bildet in diesem Zusammenhang ein bestehendes Ensemble auf Grund seiner subjektiven Zusammensetzung, immerhin besteht seine Zusammenkunft eben aus einer solch personengebundenen Entscheidung, kein demokratisches Gremium ab. Im Gegenteil, es ist eine reine Interessensvertretung einer spezifischen Dekade, welcher der Vorteil gewährte wurde andere Inzeressen auszuschließen. Von daher werden diese Interessensgemeinschaften sinnvollerweise zeitlich begrenzt, um in Folge anderen Interessen in der Kunst wiederum temporär Raum geben zu können. Dies ist nun mit der Doppelspitze geschehen, und auf eine Weise, die man ausbalanciert nennen darf, was bisher nicht der Fall war.

Unabhängig davon scheint es so, als ob das Intendantensystem immer mehr in Misskredit gerät, und historisch abgelöst werden soll, was im Rückschluss keinesfalls heißen kann, dass nunmehr Ensembleentscheidungen immer zugleich demokratischer seien, denn, wie gesagt, beruht ja die Zusammensetzung eines Ensmbles wiederum auf einer Intendantenentscheidung, die allgemein als undemokratisch kritisiert wird. Eine solche Entscheidung kann als von seiner Ursache her gar nicht demokratischer sein, schließt sie doch soviele Optionen im Vorfeld aus. Ein Ensemble besteht eben nicht aus legitimierten Wahlmännern und Frauen und ist somit nicht demokratisch legitimiert für die Mehrheit Entscheidungen zu fällen.

In diesem speziellen Fall aber hilft es, sich an einer ganz einfachen Wahrheit zu orientieren, auch ohne dass schon ein gerechteres System installiert wurde: Niemand muss vor der Künstlerin Sasha Waltz gerettet werden. Kein Tänzer, kein Zuschauer und auch kein Kommentator. Von Sasha Waltz geht, und vor allem in dieser Doppelkonstellation, keine Gefahr aus vor der irgendein Mensch geschützt oder gerettet werden müsste. Eine solches Ansinnen ist im Kern kunstfeindlich und verachtungswürdig.
Ensemble gegen Sasha Waltz: Link
http://www.radioeins.de/programm/sendungen/modo1619/wissen-denken-meinen/jens-balzer.html
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