Presseschau vom 27. Oktober 2016 – die Süddeutsche Zeitung über den Glaubensstreit ums Globe Theatre und seine Noch-Intendantin Emma Rice
"Abstruses Reinheitsgebot"
"Abstruses Reinheitsgebot"
27. Oktober 2016. "Dass Emma Rice es nicht ganz leicht haben würde in ihrer neuen Rolle als Künstlerische Leiterin des Londoner Globe Theatre, war bereits klar, bevor sie den Posten im Frühjahr antrat", schreibt Alexander Menden in der Süddeutschen Zeitung. Gestern verkündete die Geschäftsführung des Theaters, Rices Vertrag werde bereits im April 2018 enden. Obwohl Rice hervorragende Besucherzahlen vorzuweisen hat. Woran liegt's also?
In der Begründung der Geschäftsführung geht es um die Verwendung von elektrischen Scheinwerfern und modernem Sounddesign in den Inszenierungen, die unter Rices Ägide produziert wurden. Das Globe sei als "radikales Experiment" gegründet worden, um zu erforschen, "wie Shakespeare und seine Zeitgenossen arbeiteten", zitiert Alexander Menden den Globe-Geschäftsführer Neil Constable. Dies solle "auch weiterhin der zentrale Glaubenssatz unserer Arbeit sein".
Das klinge, so Menden, "nicht zuletzt deshalb bizarr, weil der Eindruck entsteht, die Entscheidungsträger hätten nicht gewusst, welche Art Theater sie mit ihrer neuen Chefin einkauften". Mit seinem Trachten nach mehr elisabethanischer Authentizität – "ein abstruses Reinheitsgebot, dem keine Bühne des 21. Jahrhunderts gerecht werden könnte" – habe der Globe-Vorstand offengelegt, was das hübsche Fachwerkgebäude an der Themse nach seinem Willen sein solle: Freilichtmuseum, Touristenattraktion plus Shop, "Echokammer der Selbstvergewisserung eines kulturellen Konservatismus, der seit dem britischen EU-Referendum immer stärker den nationalen Diskurs bestimmt". "Es dürfte schwer sein, nach diesem Vorgang einen Nachfolger von Format für Emma Rice zu finden."
(sd)
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