Milo Rau-Gastspiel in Frankfurt abgesagt
Der Jugendschutz sagt Nein
31. Oktober 2016. Die Aufführung von Milo Raus Produktion Five Easy Pieces am Künstlerhaus Mousonturm in Frankfurt, geplant für den 2. bis 4. November 2016, ist abgesagt. Wie das Künstlerhaus auf seiner Website mitteilt, habe das Regierungspräsidium Darmstadt eine notwendige Genehmigung für die Aufführung nicht erteilt. Das am belgischen Produktionshaus CAMPO in Gent mit Kindern und Jugendlichen erarbeitete Stück rollt den Fall des Kinderschänders Marc Dutroux auf. Für eine solche Mitwirkung von Menschen unter 14 Jahren ist eine entsprechende Auftrittsgenehmigung erforderlich. Bereits bei den Vorstellungen an den Münchner Kammerspielen im Oktober hatte das Gewerbeaufsichtsamt Oberbayern in Raus Inszenierung eingegriffen (Nacktheitsverbot). Nun wird in Hessen den Kindern die Auftrittsgenehmigung komplett verweigert.
Das Künstlerhaus Mousonturm kündigt an, statt des Gastspiels eine Videopräsentation am 2.11.2016 im Frankfurt LAB zu zeigen, um "Einblick in die Produktion von Milo Rau und die Arbeitsweise des Produktionshauses CAMPO zu ermöglichen". Zudem ist ein Gespräch mit Stefan Bläske (Dramaturg der Produktion), Peter Seynaeve und Kristof Bloom (CAMPO), Anna Eitzeroth (Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland), Matthias Pees (Intendant Mousonturm) und weiteren Beteiligten angesetzt, die die "weit über die aktuelle Situation hinausreichenden rechtlichen Problematiken und gesellschaftlichen Fragen im Bereich künstlerischer Theaterarbeit mit Kindern und Jugendlichen" zum Gegenstand hat.
Nachtrag vom 1. November 2016. Auf Nachfrage der Theaterredakteurin des Zürcher Tages-Anzeigers Alexandra Kedves erklärt das Regierungspräsidium Darmstadt zu Nichtgenehmigung des Gastspiels: "Die Frankfurter Abteilung für Arbeitsschutz und Umwelt des Regierungspräsidiums Darmstadt hat die Arbeits- und Reisezeiten der sieben auf der Tournee eingesetzten Kinder anhand der vom Veranstalter uns zur Verfügung gestellten Daten seit November 2015 ausgewertet. Diese Prüfung hat ergeben, dass die Belastung für die Kinder insgesamt (einschließlich der Proben) zu hoch gewesen wäre und mit dem deutschen Jugendarbeitsschutz-Gesetz nicht vereinbar ist. Die beantragten Auftritte in Frankfurt mussten daher vom RP Darmstadt abgelehnt werden."
(chr)
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als interessierter theatermensch fragt man sich, wieso es da eine so offensichtliche ungleichbehandlung gibt? weiß man dazu näheres?
http://leonidluchkin.livejournal.com/189351.html
stefan z ist ja offensichtlich gut Informiert. Seinen Informationen nach hat die Absage nichts mit dem Jugendschutz zu tun. Vieleicht teilt er uns ja die Hintergründe noch mit.
Ungerecht ist das Vorgehen natürlich auch, weil in Moskau ein Sack Reis umgefallen ist.
Ist Jugendschutz nicht Ländersache? Außerdem gibt es ja auch Ermessensspielräume.
Das, und die unterschiedlichen Umstände, könnte die unterschiedlichen Ausnahmegenehmigungen aus Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen erklären.
miwo/Redaktion
"Die Frankfurter Abteilung für Arbeitsschutz und Umwelt des Regierungspräsidiums Darmstadt hat die Arbeits- und Reisezeiten der sieben auf der Tournee eingesetzten Kinder anhand der vom Veranstalter uns zur Verfügung gestellten Daten seit November 2015 ausgewertet. Diese Prüfung hat ergeben, dass die Belastung für die Kinder insgesamt (einschließlich der Proben) zu hoch gewesen wäre und mit dem deutschen Jugendarbeitsschutz-Gesetz nicht vereinbar ist. Die beantragten Auftritte in Frankfurt mussten daher vom RP Darmstadt abgelehnt werden. Die vom RP getroffene Entscheidung bezieht sich laut den gesetzlichen Vorgaben alleine auf den Einzelfall der beantragten Auftritte in Frankfurt. Gleichwohl mussten die bisherigen Auftritte und Zeiten in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden. Dies ist durch den Arbeitsschutz des RP geschehen."
Warum sollte es um Inhalte gehen? Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Die Aufführungen sollten in unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen stattfinden, sogar in unterschiedlichen Bundesländern und zudem sind Tourneeproduktionen wie „Five Easy Pieces“ mit Produktionen wie „Feuerschlange“ im Stuttgart, erst recht nicht in der Hinsicht Arbeits- und Probenauswand. Das RP Darmstadt wird triftige Gründe gehabt haben, z.B. jene, die auf Anfrage von Frau Kedves veröffentlicht worden sind. Aber es macht natürlich sehr viel Spaß, Zensur hinter behördlichen Entscheidungen zu vermuten.
http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=12559:five-easy-pieces-beim-kunstenfestival-bruessel-zeigt-milo-rau-ein-stueck-ueber-kindesmisshandlung-und-den-fall-dutroux&catid=443:kunstenfestivaldesarts-bruessel&Itemid=100190