Presseschau vom 18. November 2016 – Chefdramaturg der Münchner Kammerspiele wirft Kritikern Stimmungsmache vor

Etikettenschwindel?

Etikettenschwindel?

18. November 2016. In einem Interview mit der FAZ (18.11.2016) nimmt Benjamin von Blomberg, Chefdramaturgen der Münchner Kammerspiele, Stellung zur Kritik am Kurs des Hauses unter Intendant Matthias Lilienthal. Diese sei "aus heiterem Himmel" gekommen.

"Am Anfang ging es darum, wofür Matthias Lilienthal steht: der Straßenköter, der Typ, der irgendwann mal 'Kunstkacke' gesagt hat und unfreiwillig für das kapitalistisch-neoliberale System in Anspruch genommen wird. Man vergibt unglaublich viele Etiketten, statt hinzugucken, was gerade passiert." Es sei ein Problem für diese Stadt, "dass man nicht über Matthias Lilienthals T-Shirt-Farbe sprechen sollte, sondern über unterschiedliche Auffassungen von Theater und Ausdrucksweisen".

Als Interviewer Jörg Seewald mitteilt, ihm täten die Schauspieler leid, die wegen des Einbruchs der Besucherzahlen vor halbleeren Rängen spielen müssten, reagiert von Blomberg unwillig: "Dass Sie so ein Gefühl äußern, ist schon Stimmungsmache. Es gibt einen Umbruch im Publikum, das ist ganz logisch angesichts der Zukunftsfragen. Wir wollen ja auch junge Zuschauer. Ich hoffe, dass wir durch die unsachliche Berichterstattung nicht auch noch ein Zuschauerproblem bekommen."

(miwo)

Kommentare  
Presseschau Blomberg: ärgerlich
Super-Argumentation: Hat denn jemand tatsächlich über Matthias Lilienthals T-Shirt-Farbe gesprochen? Sind die leeren Ränge nun ein Gefühl von Seewald oder sind die faktisch spürbar leerer für treugebliebene Stammbesucher? Wieso gibt es "logisch" einen Umbruch im Publikum angesichts der Zukunftsfragen? Welcher konkreten Zunkunftsfragen? Haben die älteren, weg"gebrochenen" Zuschauer kein Interesse an Zukunft oder kein Interesse an Fragen? Oder beides? Können die Kammerspiele nur entweder bei jüngeren ODER bei älteren Zuschauern Interesse an Fragen und Zukunft wecken?? Ist nun die Berichterstattung so - wirklich unangenehm - kritisch geworden, weil es ein Zuschauerproblem gibt an den Kammerspielen? Oder umgekehrt: gibt es ein Zuschauerproblem seit die Berichterstattung kritischer geworden ist? Das ließe sich ja mit Zahlen belegen. Hat der Matthias Lilienthal anfänglich mit den o.e. Etiketten gearbeitet ohne dafür zu stehen? Oder hat er unbesehen PreisGrößeNamen-Etiketten verpasst bekommen, die partout gar nicht zu ihm passen? Wird er eventuell gar nicht unfreiwillig von einem kapitalistisch-neoliberalen System in Anspruch genommen, wie die meisten von uns, die wir es oft erst zu spät bemerken und gern auch einmal resigniert dabei belassen? - Das ist wirklich, da möchte ich der Leitung der Kammmerspiele beispflichten, eine äußerst ärgerliche und auch vom Problem der modernen Theaterästhetik ablenkende Debatte. Die auf München fokussieren möchte, was systemisch ist. Da wird dem Herrn von Blomberg nichts anderes übrig bleiben, als zukünftig viel genauer zu erklären, WAS gerade konkret ästhetisch passiert an den Kammerspielen und es sich von seinem Intendanten intern genauer erklären zu lassen müssen, als dieser das öffentlich erklären kann. Das muss er einfach einfordern von dem, wenn es da eine Ruhe reinkommen soll in die zu leistende Arbeit. Um diesen Job ist Benjamin von Blomberg absolut nicht zu beneiden.
Presseschau Blomberg: Schuldige benennen
Alle versuchen jetzt ihren Arsch zu retten und dazu ist es hilfreich, Schuldige zu benennen. Dann braucht man auch keine Theater mehr, wenn nur noch Erfolg verbindet. Nach welchen Maßstäben auch immer. Also, die Kammerspiele sind nicht erfolgreich. Und? Bitte.
Presseschau Blomberg: alles bescheuert
... im Interview steht noch die Antwort Blombergs auf die bescheurte Frage, ob Shakespeare die Kammerspiele gefallen hätten, dass ihm das Theater "als Medium" nicht liegen würde. Also dem Shakespeare. Bin ich jetzt sehr spießig, wenn ich das für eine ebenso bescheuerte Antwort halte?
Presseschau Blomberg: Trauer
Man kann es nicht mehr hören: das Theater versagt auf ganzer Linie, die Schuld liegt bei der Presse, oder dann gleich mal bei der Stadt/ihren Menschen.

Noch schlimmer: das ewige Geschwurbel über den ach so jungen Zuschauer: ist der der bessere Zuschauer, hat er irgendwelche Qualitäten, von denen nur der Herr Chefdramaturg weiss? Bringt er womöglich mehr Geld an die Kasse, sieht besser aus und verleiht einem mediokren Theaterabend durch seine Garderobe etwa Avantgarde?

Ein Trauerspiel, ein modernes, das muss man Lilienthal lassen, zumindest ist er in diesem Topic voll am Puls der Zeit.
Presseschau Blomberg: Selbstüberschätzung
Jaja - immer schön mit dem Finger auf die anderen zeigen. Das ist ja schon ganz schön peinlich, was Herr von Blomberg hier von sich gibt. Und symptomatisch für die Situation, in der die Kammerspiele sich derzeit befinden. Wenn Selbstüberschätzung den Durchblick verstellt...
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