Presseschau vom 20. Dezember 2016 – Die Süddeutsche Zeitung spricht mit Berlins Kultusenator Klaus Lederer über Mindestgagen und Chris Dercon

Soziale Gerechtigkeit und Dialogbereitschaft

Soziale Gerechtigkeit und Dialogbereitschaft

21. Dezember 2016. Berlins neuer Kultursenator Klaus Lederer will die Gehälter der Berliner Intendanten, Museumsleiter und Generalmusikdirektoren öffentlich machen. Das war bereits bekannt. Jetzt begründet Lederer dieses Vorhaben noch einmal in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (20.12.2016). Außerdem spricht er über den Stand der Auseinandersetzung mit dem designierten Intendanten der Volksbühne Chris Dercon.

Gehälter

Kulturpolitik hantiere mit dem Geld der Steuerzahler, gibt Lederer zu bedenken. Die Steuerbürger hätten "ein Recht darauf zu erfahren", wie ihr Geld verwendet werde. "Jeder kann wissen, was der Regierende Bürgermeister oder die Beschäftigten im öffentlichen Dienst verdienen. Nur in der Kultur ist das bisher nicht transparent." Zudem gelte es, auch innerhalb von Kultureinrichtungen auf "soziale Gerechtigkeit" zu achten: "Ich finde, dass das Einkommensgefälle in unserer Gesellschaft generell zu groß ist. Da spiegeln sich in den Theatern nur gesamtgesellschaftliche Entwicklungen.“

Außerdem will Lederer Mindestgagen bei öffentlich geförderten Projekten der Freien Szene durchsetzen: "Bei der Gagenuntergrenze orientieren wir uns an der Mindestgage des Deutschen Bühnenvereins. Das sind ab kommendem Jahr 1850 Euro im Monat, das ist nicht gerade luxuriös." Kunst und Kultur seien "in einigen Bereichen Vorreiter deregulierter Arbeitsverhältnisse" geworden. "Das mit der Freiheit der Kunst zu rechtfertigen, finde ich bei öffentlich geförderten Projekten etwas zynisch."

Pacta sunt servanda

Zu Chris Dercon und der Volksbühne wiederholt er das Bekannte: "Verträge müssen eingehalten werden" steht der Aussage gegenüber, dass Lederer sich mit Dercon zum Gespräch treffen will: " Ich möchte erst einmal seine Pläne kennenlernen. Kann man erwarten, dass er das Theater durchgehend im Repertoirebetrieb bespielt und das nötige Einnahmesoll erzielt?" Auch wolle er wissen, "ob die Volksbühne ein Ensembletheater bleibt oder eine Plattform für durchreisende Produktionen wird. Dazu war, auch von Dercon, sehr Unterschiedliches zu hören."

Es gehe nicht um einen Konflikt "zwischen der angeblich erstarrten, verkrusteten, Ostberlin-miefigen Volksbühne" und jemandem, "der für Innovation und Kunstbetrieb steht". Es gehe nicht "um Alt gegen Neu, oder um Provinz gegen Event und Internationalität". Diese Zuschreibungen täten allen Beteiligten unrecht. Niemand wolle Castorfs Volksbühne "auf ewig konservieren". Aber man "hätte mit ihm gemeinsam über die Zukunft des Hauses nachdenken können, statt ihn einfach zu überfahren". Jetzt gelte es zu fragen: "Wofür steht die Volksbühne? Soll sie ein Magnet für Touristen und das Stadtmarketing sein? Oder hat sie einen spezifischen Charakter, eine DNA, die man nicht einfach ersetzen kann? Und wenn das so ist, ist sie dann der richtige Ort für jemanden wie Dercon, der aus völlig anderen Zusammenhängen kommt und kaum Theatererfahrung hat?"

Es gehe darum "eine Konstellation" zu schaffen, "in der jemand, der an der Tate Modern Maßstäbe gesetzt hat, in Berlin ähnlich erfolgreiche Arbeit leisten kann? Hat er dafür an der Volksbühne oder woanders die besten Rahmenbedingungen? Ich möchte mit ihm eine Lösung finden, nicht gegen ihn. Das setzt auf beiden Seiten Dialogbereitschaft voraus.“ Am Ende steht ein Bekenntnis: "Wir müssen das gemeinsam lösen."

(geka / jnm)

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