Theater im Zeichen des Horrorclowns

von Samuel Schwarz

21. Dezember 2016. Immer wieder kann man lesen oder hören, dass der Wahlsieg Donald Trumps ein möglicher Segen für die Kunst sei, weil nun – nach den langweiligen Jahren unter einer zu vernünftigen Obama-Administration – die Kunst wieder ein Feindbild zur Verfügung habe.

Ich stelle mir für diesen Text die Frage: Wie ist das denn für den Regisseur in mir?

Die Rolle des charismatischen Tyrannen ist dem Betrieb eingebrannt

Zwar habe ich mich vor ein paar Jahren emotional von den deutschsprachigen Stadttheatern verabschiedet, sicher nicht für immer, aber sicher so lange, bis diese reformiert werden und ich mit meiner Arbeit wieder mehr in sie reinpassen könnte. Aber dieses Rollenprofil, das mir die Stadttheater anboten, war mit dem Selbstverständnis als Theaterschaffender nicht mehr wirklich vereinbar.

Donald Trump by Gage Skidmore 10Donald Trump, Role Model für Stadttheater-Regisseure?
© Gage Skidmore, CC BY-SA 3.0
Wird dieser kleine, schäbig schmutzige Stadttheater-Regisseur in mir belebt und vitalisiert durch den Wahl-Sieg von Donald Trump?

Das grundsätzliche Berufs-Profil des Stadttheaterregisseurs – so würde ich aus meiner Erfahrung wagen zu behaupten – ist durchaus "irrationalistisch" konzipiert. Damit will ich nicht sagen, dass alle Regisseure tyrannische Arschgeigen wären wie Trump. Natürlich schaffen es einige unserer Zunft sich von diesem allgemeinen "irrationalistischen" Rollenprofil zu befreien und als eine Art vernünftig-humane "Ingenieure" im Sinne Edward Gordon Craigs oder Wsewolod Emiljewitsch Meyerhold zu wirken (Ich denke an kluge Leute wie Stefan Kägi, Anne Sophie Mahler, Ruedi Häusermann et cetera, die ganz andere Techniken nutzen als die Tyrannei – sind sie die Ausnahme von der Regel? Oder sind sie gar "vernünftige" Streber, wie Annekathrin Kohout sie beschreibt?). Fehlt ihnen dieses Saftwurzelige, Schrapnell-hafte, das viele beispielsweise an Frank Castorf so bewundern – diese Nähe zur der eiskalten Front von Stalingrad und dem schwülwarmen Dschungel von Vietnam?

Toben wie Rumpelstilzchen

Wie auch immer: Die dem Betrieb eingebrannte Rolle der Regie bleibt die Rolle des charismatischen Tyrannen. Die Ausnahmen bestätigen die Regel. Und vielleicht ist – bei pessimistischer Weltsicht – die ingenieurhafte Regie der Streber ja auch nur sublimierte Aggression? Die Regieperson darf sich bei diesen zu oft immergleichen Probezeiten von acht Wochen konsequenzenlos einiges leisten, auch – oder gerade erst recht – an den besten Häusern.

Diese Regieperson darf faul sein, sie darf eine schlechte Auffassungsgabe haben. Sie darf schlechte Witze machen, sie darf vulgär sein. Ja, sie muss das Stück bei Probebeginn nicht zwingend kennen. Sie darf auch immer wieder zu spät kommen. Sie darf sich bei der Hauptprobe im Hotelzimmer einschließen, koksen, Kühlschränke auf der Probebühne ihr eigen nennen, sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken und von AssistentInnen heimfahren lassen. Ja, sie kann auch, wenn total verladen, den Assistenten den Rest der Arbeit überlassen, aber dann doch für die Regiearbeit zeichnen und sich bei der Premiere würdevoll verschämt verbeugen. Ja, diese Regie-Person kann rumtoben, schreien, kratzen, spucken, sich despektierlich über SchauspielerInnen auslassen. Sind das alles Kavaliersdelikte, die sich nie gegen sie wenden, sondern eher Kult und Marktwert verstärken?

Castorf Frank 280 c Thomas Aurin xDie charismatische Regieperson unserer Tage: Frank Castorf   © Thomas Aurin

Hauptsache ist, dass diese Regieperson eine charismatische Wirkung auf den trägen und zähen Beamten-(Theater?-)Apparat hat. Ja, diese Regie-Person hat immer auch genügend fanatisch fleißige Bienchen neben sich, die jeden irrational rausgesabberten Satz in ihre Büchlein notieren. Falls eine Schauspielerin die Regieperson als "Labertasche" – als Idiotin – wahrnehmen würde, was wohl sehr oft der Fall ist, dann ist diese SchauspielerInnen-Person sehr gut beraten, diese unfreundliche Einschätzung die Regieperson nicht spüren zu lassen. Die Regieperson würde sofort anfangen zu stampfen und zu toben wie Rumpelstilzchen und bei wiederholter Renitenz der SchauspielerIn Hilfe suchen bei der Intendanz. Bei der nächsten Probe oder Besetzungsrunde gibt es dann Abstrafung für die widerständlerische SchauspielerInnen-Person.

(Diese geheimen, aber sehr verbindlichen Regeln sind an all diesen Staatstheatern gleich – und sie garantieren sogar dafür, dass die Regieperson oft gar nicht wie Rumpelstilzchen zu "stämpfeln" braucht. Das Wissen, dass sie das Recht dazu hätte, reicht für die Disziplinierung der SchauspielerInnen meistens schon aus. Das ist Foucault’sche Biomacht in reinster Form: normierte, Körper und Geist konditionierende Regeln wie in McDonalds Filialen von Peking bis Milwaukee.)

Das kultische Re-Inszenieren des gesetzlosen Ausnahmezustands

Der tyrannische Regiewille wird an deutschen Theatern zusätzlich immer auch sekundiert von einer vernünftig argumentierenden, akademisch geschulten Dramaturgie, die den – oft bösartig willkürlichen – Zorn des Tyrannos mit sachlichen Argumentationen ummäntelt und diesen Zorn und unterdrückerisch gestaltenden Willen mit akademischem Rüstzeugs legitimiert – und das durchaus widerspruchsreich.

Die gleiche Dramaturgieperson, die gestern noch die wölfische und eher "rechte" irrationalismus-Tyrannei der Regie gegenüber einer unartigen SchauspielerInnen-Person zu legitimieren hatte, kann durchaus wenig Tage später mit dem gleichem sonoren Ton einen ideologisch ganz anders ausgerichteten "Links-Irrationalismus" der Regie rechtfertigen. Der Regie-Tyrannos hat immer recht - sogar wenn die ideologische Geschmacksrichtung der Tyrannei von einem Tag zum anderen wechselt.

Fazit: Die Regieperson muss "trump’sch" sein, wenn sie den Theaterbetrieb glücklich machen will. Dieser Zustand des Außer-Sich-Seins, dieses Brüllen auf Proben, dieses Zusammenscheißen des erstbesten Regieassistenten, dieses dauernde manische Zwischen-die-Beine-Greifen in den Inszenierungen, dieses kultische Re-Inszenieren des gesetzlosen Ausnahmezustands, diese begeisterte Zelebrierung des Irrationalismus, diese zum tausendsten Mal beschworene Bewunderung für David Lynch, Rammstein, Richard Wagner, Heart of Darkness..., diese Existenzform als Tyrannos, der/die assoziativ und sprunghaft, "bildhaft" inszeniert, ohne Teleprompter tyrannische Reden halten kann, kriegte 11/9 durch durch die gewählte gelbe Frisur eine kraftvolle Bestätigung ihrer ewig währenden faschistoiden Wirksamkeit.

Diese Wildheit, dieses Rumbrüllen, wird nun eben – mit der Wahl des Brüllers Trump – zum Problem. Da sich nun das deutsche Theater aus Legitimationsgründen ganz sicher in Stellung gegen den neuen amerikanischen Feind begeben wird kann es das – aus Credibilty-Gründen – aber eigentlich nicht mehr mit diesem Tyrannei-Rüstzeug aus dem 20. Jahrhundert machen. Die große Lüge des deutschen Stadtthaters-Betriebs wurde mit 11/9 entlarvt.

Bertolt Brecht Bundesarchiv 560 Bild 183 H0611 0500 001 Berlin Intellektuelle bei FriedenskundgebungDer freundliche Herr Bertolt Brecht auf der Friedenskundgebung des Kulturbundes 1948, links neben ihm der Dramatiker Julius Hay, rechts Staatsopern-Intendant Ernst Legal und DDR-Kulturminister Alexander Abusch  © Bundesarchiv Bild 183 H0611 0500 001, CC BY-SA 3.0 de

Was nun?

Wie wäre es mit dem Annehmen des linken Role-Models "Frank Castorf", der, wie ein berüchtiges Youtube-Video zeigt, die SchauspielerInnen ja gerne rumturnen lässt wie Trump die Escort-Girls im Trump-Tower? Funktionierte das als Akt des Widerstands gegen Trump? Linker "Irrationalismus" vs. rechtsgerichtetem "Irrationalismus" von Trump und "Satan&Darth Vader ist geil"-Bannon? Nun, ja, vielleicht möglich. Aber: nicht jeder und und jede ist Castorf.

Geht also nicht. Nein, nein, nein. Der Regietyrann kann also keine Lösung sein für aufklärerisches Sprechtheater im Zeichen von Trump.

"Performen" gegen "Trump"

Natürlich könnte die Regieperson von morgen es auch mit Brecht’scher Freundlichkeit probieren –
mit Analyse, Klarheit, Weisheit. Wie Milo Rau das – soweit ich das beurteilen kann – als einer der wenigen verfolgt (Widerrede willkommen, falls ich das falsch wahrnehmen würde), in Einbindung von Erfahrungen von Menschen aus Krisengebieten, ohne Zelebrierung des schlechten Gewissens des verschonten Kulturmenschen, der sich grämt in einer Friedenszeit zu leben.

Ja. Die Brecht’sche Freundlichkeit. Das wäre durchaus eine potente Möglichkeit. Nur: Man muss sich nur eine der zahlreichen deutschen Inszenierungen von "Das Leben des Galileo Galilei" (dem Stück der Stunde!) der letzten Jahrzehnte mal auf Youtube anschauen / anhören. In allen deutschen Inszenierungs-Versuchen, die man da finden kann, schreien die deutschen "Galileos" rum, weil anscheinend die deutschen Regisseure der letzten Jahrzehnte Galileo Galilei immer "entlarven" wollten als "fanatischen dogmatischen Rechthaber" – auch wenn das Stück von BB ganz anders konzipiert war. Eigentlich war es gedacht als ein Stück der leisen Vernunft gegen das postfaktische Nazi-Gebrüll.

Ja und es graut einem dann doch ein bißchen, dass das Brechttheater am Schiffsbauerdamm bald von einem wirtschaftsfreundlichen Intendanten geleitet wird, der sich erwiesenermaßen mehr in das wirtschaftliche Denken und Wünschen von Hochfinanz-Turm-Bewohnern eindenken kann als in wissenschaftlich-weise Brecht-Texte? Brecht wird also – zumindest für die Staatstheater – auch nicht wirklich als Waffe dienen können.

Sam Schwarz 280 Henner FehrDer White-Trash-Horroclown-Performer Samuel Schwarz  © Henner FehrNeue Idee! Ich bin ja auch Performer! Ich könnte also auch "performen" gegen "Trump", an einem dieser Performance-orientieren Stadt- oder Freie Szene Häusern wie HAU oder Kammerspiele München. Ich könnte mich beispielsweise als "White Trash"-Ausgesteuerter ausgeben. Mit gelben "Crocks" an das Bewerbungsgespräch gehen. Einen kleinen Wortschatz imitieren und dauernd Hassreden spucken (Nächstes Jahr wird das sicher voll "in" sein.)

Dann könnte es durchaus sein, dass mich eine dieser authenzitätssüchtigen Intendanz- und Kurationsmenschen als eine Art White-Trash "Horror-Clown" bucht. Ich wäre dann eines dieser vernachlässigten "Opfer der Globalisierung", Teil dieser "Mehrheit", deren Sorgen wir in den letzten Jahren anscheinend so sträflich vernachlässigt haben, wie Sebastian Baumgarten gerade behauptete. Ich dürfte also mit Plastikpistolen, als Clown Donald NachRonald verkleidet performen, vielleicht das Batman-Aurora- und/oder/auch Norwegen-Massaker nachspielen als eine Art Cosplay des Grauens.

Nein, geht auch nicht!

Da nun grad der "geilste" Ich-Performer seine Durchschlagskraft auf dem politischen Feld bewiesen hat, ist die Zurschaustellung meines "authentischen" Performanz-Wesens in der Manifestation einer handwerklos performernden Saftwurzel-WhiteTrash Horrorfigur in bestürzendem Maße sinnentleert. Was soll meine -potentiell lustvollen Schrecken erzeugende Schreck-Performance euch ZuschauerInnen noch beweisen?

Ich müsste kotzen

Da dieser Horrorclown mit seinem US-Wahlsieg gerade bewiesen hat, dass eine powervolle Ich-Performance dann am "geilsten" und wirkungsvollsten ist, wenn man ihr keine moralischen, spießigen, öffentlich-rechtlichen Zügel anlegt – müsste mir da mir da bei meiner krassen Power-Performance nicht übel werden von soviel Sinnlosigkeit?

Doch, ich müsste kotzen.

Nein. Öffentlich-rechtliches-Performance Theater-im-neoliberal-konzipierten- Performance- Kulturmarkt geht auch nicht als Werkzeug des Widerstands gegen Trump. Ist selber noch "trumpscher" als die fade Tyrannei-Simulation auf dem Regiestuhl.

Nachdenken.

Letzte Lösung.
Hurrah.
Was ich natürlich machen könnte, ist:

Die Zeichen der Zeit erkennen! Und mich zu Trump bekennen!

Ich könnte ein transmediales Tendenz-Stück für einen der Staats-Sender entwickeln. Ich könnte ein Stück schreiben, das als Ziel hat, das Wesen des soldatischen Mannes lobzupreisen. Das soldatische, heldische Wesen soll mit diesem Tendenzstück, das sich gegen "die gleichmacherische demokratische Gesetzgebung" richtet, hochgehalten werden! Ich könnte in rechtsextremer Euphorie kurz entflammen für diese neue Mission.

Was für ein Horror, was für ein "Terror"!

 

Samuel Schwarz 200Samuel Schwarz gründete 1998 die freie Gruppe 400asa, die auch mit Staatstheatern koproduziert. Seit 2006 produziert 400asa vor allem Filme, Alternate Reality Spiele und transmediale Theaterstücke. 2018 initiert und ko-kuratiert Samuel Schwarz - zusammen mit Gessnerallee Zürich, Theater Chur und anderen Institutionen 2018 mit der Digitalbuehne Zürich das Format "BB18" - eine Auseinandersetzung mit Brecht, dem Silicon Valley, Androiden, Robotik und der Zukunft der darstellenden Künste. Im Moment läuft in deutschen Kinos der Kino-Film POLDER unter dem Titel: Polder: Tokyo Heidi, Teil eines transmedialen Projekts zur Digitalisierung.

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Kommentare  
Trumpsche Regietypen: lustig und wahr
Das ist doch ein super Text, voller Spitzen und präzise beobachtet. Der tyrannische deutsche Stadttheaterregisseur als trumpischer, sexistischer Tyrann. Das ist doch auch sehr lustig und wahr ist es auch. Allerdings kann Samuel Schwarz natürlich im fernen Zürich nicht ahnen, dass nicht Ferdinand von Schirach sondern der höfliche Chris Dercon hier die Rache des Systems ist. Deswegen ist der Theaterbetrieb auch so unglücklich mit dieser Personalie.
Trumpsche Regietypen: inspirierendes Arbeiten
AAAAAAArrrgh....
Bitte, bitte. Ich hatte hier jetzt eigentlich mal schreiben wollen, daß mir dieser Text gut gefällt und ich auch brav den Links gefolgt bin. Danke!
Und außerdem dachte ich mir: bin ich mal clever und sorge durch meinen Post dafür, daß dieser Text nicht untergeht in der unsäglich schon wieder hochkochenden Berliner Lokaldebatte ('Es ist alles gesagt, es hat auch schon jeder was gesagt, aber noch nicht jeder hat alles gesagt...'). Und nun das.(#1)

Nee, im Ernst: bin voll bei Herrn Schwarz, es braucht weniger tyrannische Arschgeigen, im Theater oder anderswo. Ein Blick in die startup oder open source-Szene zeigt, wie gemeinsames, sich gegenseitig inspirierendes, erfolgreiches Arbeiten funktionieren kann. Mir scheint, daß er auch mit der Digitalbühne einen entsprechenden Ansatz sucht, leider habe ich 'Tintagiles Tod' nicht sehen können, klang aber hochinteressant.
Trumpsche Regietypen: frustriertes Rumwüten
So viel Frust... Schade. Kritik an herrschenden Verhältnissen ist das eine, aber dieses ständige frustrierte Rumwüten und Selbstbemitleiden ist m.E. nicht dienlich. Dafür gibt es Therapeuten!
Trumpsche Regietypen: Wahrheit
Die Wahrheit, endlich die über deutsche Regie-"Führern"! Wunderbar!
Trumpsche Regietypen: Duckmäusertum
Sehr guter Text! Das Absurde ist ja auch, dass Arbeit durch Tyrannei nicht besser wird, im Gegenteil. Sie wird nur anstrengender für die Tyrranisierten und einfacher für den Regietyrannen. Gleichzeitig schützt er das neoliberale System, auf das er lauthals abkotzt, indem er aus den Angestellten das letzte rausquetscht, ezeugt durch Angst und Duckmäusertum, und dadurch garantiert, dass nach 7 Wochen dann der Lappen auch wirklich hochgeht. Betriebsrat? Bürgerliche Scheisse! Ruhezeiten? Kennt ein echter Künsler nicht.
Darum sollte man den Begriff "Ensemble " durch "Rund um die Uhr zur Verfügung stehendes Menschenmaterial" ersetzen. Ein wirkliches Ensemble, was es sehr selten mal gab oder gibt, würde Widerstand leisten. Leider vorbei! Alle schimpfen auf die Liberalisierung des Theatermarktes. Vielleicht geht es da zu einem beträchtlichen Mass auch nur um Angst vor strukturellem Machtverlust. Ich kann nur sagen, seit ich"frei" arbeite, muss ich mir nicht mehr alles gefallen lassen. Das ist sehr angenehm und hat mein Spiel verbessert!
Trumpsche Regietypen: alles Männer?
Schon mal wieder so eine Klischeeorgie. Toll. Wieviele der profilierteren deutschen Regisseure sind denn bitte vom Typus Castorf? Kann man da mal Namen nennen? Und sind das echt alles Männer? Ja? Also so Leute wie Karin Beier, oder Karin Henkel, oder Jorinde Dröse, oder Susanne Kennedy, oder Yael Ronen, oder Jette Steckel, oder, oder, oder -- das sind alles schreiende tyrannische Männer? Und sonst so? Stemann? Fritsch? Marthaler? Thalheimer? Perceval? Alles Rumschreier? Alles Tyrannen? Echt? Weil das halt so ist am bösen Stadttheater, und nur in der freien Szene wahre Freiheit und respektvolle Zusammenarbeit existieren?
Trumpsche Regietypen: falsch gelesen
@Holger Syme. Sie lesen nicht genau. Es ist die Rede von Regiepersonen, nicht von Männern. Es wird zudem nicht ausgeschlossen, dass Regiepersonen ihren Job als vernünftige IngenieurInnen der Aufklärung betreiben. Es geht in dem Text um das dem bestehenden Betrieb eingebrannte Rollenprofil der (Durchschnitts)-Regie, die den Alltag prägt. Die Ausnahmen sind Ausnahmen. Und gerade Castorf wird als ganz besonderer Spezialfall behandelt - und steht gerade deshalb nicht im Fokus der Kritik. Er treibt die ihm vom Apparat zugeschriebene Rolle ins Extrem. Das verlinkte Video zeigt, wie er in übertriebener Form diese Rolle als "Pascha" ausfüllt und genau durch diese Übertreibung wird durch ihn fast schon wieder eine Utopie sichtbar - unter anderem durch den Humor und den seltsamen Schalk, die diesen Momenten auch innewohnen. Aber Castorf ist - wie der Text auch ausdrückt - eine Ausnahmeerscheinung. Sein Mut und seine Schamlosigkeit sind singulär. Wer könnte das bestreiten? Jede und jede, die aber je als Regisseurin oder SchauspielerIn in einem der Normal-Betriebe arbeitete, weiss, wie stark die beschriebenen Rollenprofile der Beteiligten den Alltag prägen. Die Vision eines "anderen" Stadttheaters - das die Beziehung Regie & Schauspiel anders definiert, hat Bertolt Brecht bereits beschrieben und an seinen Konzeptionen, dies die Kernaussage, wäre anzuknüpfen. Nur jemand, der die Kritik absichtlich nicht verstehen will, kann auf die im Text formulierte Kritik so reagieren, wie sie das tun.
Trumpsche Regietypen: Behauptungsterror
#7 "Nur jemand, der die Kritik absichtlich nicht verstehen will, kann auf die im Text formulierte Kritik so reagieren, wie sie das tun." Wie wäre es mal damit, auch andere Haltungen zuzulassen? Aber statt dessen Behauptungsterror. An wen erinnert mich das noch mal? Ach ja, Trump...
Trumpsche Regietypen: nützt nichts
Lieber Herr Schwarz, ich möchte gern Ihren Text und Ihre Kritik am Theater verstehen und wenn ich darüber etwas nachdenke, was Sie meinen, kann man das ohnehin alles nur bestätigen, so dass Ihrer Kritik ohne die Verknüpfung zu Trump eigentlich die Kritik im Sinne von Bemängeln statt differenzierend Erörtern abhanden kommt. Durch die Verknüpfung zu Trump habe ich Ihre Kritik als Polemik verstanden und, das muss ich schon so sagen dürfen - nicht als besonders gute. Weil als eine kritik, die den polemischen Umweg nimmt und dadurch ziemlich umständlich daherkommt. Das ist natürlich eine Geschmacksfrage. M.E. nutzt Ihre Polemik so nichts gegen Trump UND nichts gegen den Durchschnitts-Regietypen, den Sie als dem Betriebsgedächtnis eingebrannt beschreiben. Weil der Regietyp real ja schon kein zweiter Trump sein wird - in vielerlei Hinsicht, nicht nur, weil er/sie es nicht zum Präsidentenkandidaten gebracht hat - und das deshalb besonders absurd finden wird, sich auch nur gedanklich selbstkritisch auf den von Ihnen nahegelegten Vergleich einzulassen - Das Beste gegen solche merkwürdigen Regiepersonen ist noch immer: aussteigen aus dem Betrieb oder mit gleichen Mitteln zurück an den Absender. Auf den Kopf machen (Redewendung von Thomas Bernhard in z.B. "Wittgensteins Neffe") gegen Auf den Kopf machen...
Trumpsche Regietypen: erst der Anfang
@DR: Danke für ihre Zeilen und für die darin formulierte Kritik. Ich kann natürlich nur von mir ausgehen. Für mich persönlich ist die Wahl von Trump immer noch ein Schock. Aber ich denke, auf diesen Schock wird auch der deutschsprachige Theaterapparat reagieren- und zwar nicht nur inhaltlich, sondern auch in Bezug auf seine Strukturen. Es wird vermutlich eine neue (linke) Theaterbewegung geben, die der bürgerlichen güldenen Trump-Tower-Ästhetik (die viele Theater zelebrieren) etwas Neues entgegensetzen. Anderes. Und in dieser "anderen" Struktur wird auch die Regie anders handeln und denken müssen - wenn es diese Berufsprofil "Regie" überhaupt noch geben wird in der Bezeichnung. Der Sieg dieses Trump-Prinzips in unserer amerikanischen Partnerdemokratie stellt uns vor riesige Herausforderungen. Wer meint, dass es so weitergehen wird wie bisher, täuscht sich - denke ich. Und ich glaube auch, dass dieses neue Feindbild den prototypischen Regie-Menschen sein Berufs-Profil irritieren und verändern wird. Und die neuen Verhältnisse werden auch die Förderstellen irritieren - und es werden vermehrt alternative Strukturen gefördert werden - auf Kosten der autoritär regierten Theatern. Siehe Basel. Die "linken" Regiserungen werden auf den Trump Schock reagieren. Es wird uns alle durchschütteln. Diskussionen wie diese sind erst der Anfang einer grösseren Verwerfung.
Trumpsche Regietypen: die dunkle Seite der Macht
Lieber Samuel Schwarz,

das ist das Beste, was ich seit langem gelesen habe. Dein Text ist witzig und wahr. Wer etwas anderes behauptet hat entweder noch nicht mit diesen Regietypen gearbeitet, oder sich bereits für die dunkle (keine Kritik formulierende, aber Theater ausübende...) Seite der Macht entschieden. Sollte ich einmal in der Situation sein Regisseure verpflichten zu können, stehst Du ab heute ganz oben auf meiner Anruf-liste. Klingt hybrid - ist trotzdem so.

Und Holger Syme, ohne Ihnen zu sehr an den Karren fahren zu wollen, aber ich glaube Sie bekommen in Toronto nicht alles genau mit, denn: auf Karin Beier passt die Beschreibung; Jette Steckel und Jorinde Dröse schreien nicht (aber: leider!); Yael Ronen macht sowas von anderen Kram, als dass man sie hier gar nicht in einen (Regie-)Kontext mit den beschriebenen Regietypen setzen kann. Und vor Allem: wenn Sie glauben Thalheimer wäre ein Gegenbeispiel zu beschriebenem Typus von Regisseur, dann haben Sie den Kollegen wirklich noch nicht kennen gelernt...

Und liebe Nummer drei: was Sie da lesen ist keine Frust- sondern eine Zustandsbeschreibung - ich weiß, dass das extrem ungeil ist, aber da kann ja Samuel Schwarz nichts für...
Trumpsche Regietypen: Nachfrage zur Reform-Möglichkeit
Samuel Schwarz, ein exzeptioneller Text für den ich sehr dankbar bin. Ich verfolge seit langem Ihre hervorragende Arbeit in der Schweizer freien Szene, ihren Kampf für eine neue, direktorialere Struktur am Theaterkombinat Bern, ihren Einsatz für die Lage von freischaffenden, darstellenden Künstlern, und selbstverständlich auch ihre künstlerische Arbeit.
Was sie hier schreiben, so beunruhigt sie das hier auch dargestellt haben mögen, wirft viele Fragen auf. Warum wehren sich gut ausgebildete, erwachsene Schauspieler nicht gegen den tyrannischen Regisseur, der doch nichts weiter ist als das vorzeitige Abbild des Intendanten, der er zu sein wünscht? Zwar gibt es im Moment, vor allem Dank ensemble-netzwerk und einiger in diesem Umfeld angesiedelter, neuer Publikationen einigen, berechtigten Aufruhr gegen die Funktion und das role-model des Intendanten, aber noch immer hört man aus den Zeilen die Unantastbarkeit der uneingeschränkten Macht des Regisseurs heraus.
Das ist nicht zwingen, wie einige herausragende Modelle in der US amerikanischen off-szene der 60er Jahre ff. zeigen, bei denen Regisseure, Schauspieler und Team gemeinsam, gleichberechtigt arbeiten an der Entwicklung der Inszenierung und der Company. Das bringt Diskussionen mit sich, bis hin zu dem Umstand, dass der eine oder andere schmeisst, aber die Inszenierung besitzt bei jedem einzelnen so viel Identifikationspotential, dass sie über Jahre wie neu, gerade erschaffen erscheint.
lieber Samuel Schwarz, was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Aspekte, die man bei einer Reform der öffentlichen Theater angehen muss?
Vielleicht haben Sie ein paar Worte auf diese Frage.
Frohe Weihnachten
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