Was bedeutet Meinungsfreiheit?

7. März 2017. Das Theaterhaus Gessnerallee hat eine für den 17. März angesetzte Diskussionsveranstaltung, bei der u.a. der AfD-Politiker Marc Jongen auf dem Podium sitzen sollte, abgesagt. Es schickt dazu eine Pressemitteilung (hier im Wortlaut). Nach Ankündigung des Panels mit dem Titel "Die neue Avantgarde" war in Zürich Protest laut geworden, Kulturschaffende hatten einen Offenen Brief lanciert, in dem sie das Theaterhaus dazu aufriefen, der AfD keine Bühne zu bieten. Der Kunstwissenschaftler Jörg Scheller, designierter Teilnehmer des kritisierten Podiums, antwortete den Unterzeichner*innen des Offenen Briefs mit einem eigenen Offenen Brief.

Außerdem wurde eine Zusatzveranstaltung am 10. März im Theaterhaus Gessnerallee angekündigt, bei der gemeinsam darüber entschieden werden solle, ob die Veranstaltung "Die neue Avantgarde" im geplanten Rahmen stattfinden oder modifiziert/abgesagt werden solle. Wir berichteten.

Nachdem nun auch für die Zusatzveranstaltung von einigen der mitdiskutierenden Kulturschaffenden zum Boykott aufgerufen worden sei, schreibt das Theaterhaus in seiner Pressemitteilung: "Da wir nicht mehr davon ausgehen können, dass am 10.3. ein konstruktives Gespräch beider Lager stattfinden kann, sagen wir die Zusatzveranstaltung ab." Zur Absage der Veranstaltung am 17. März heißt es, sie stelle "aufgrund der Hitze der durch sie ausgelösten Debatte" ein zu großes Sicherheitsrisiko "für die Podiumsteilnehmer*innen, unsere Mitarbeiter*innen und das Publikum" dar.

Im Laufe dieser Debatte seien "wichtige Themen aufgeworfen worden, die dringend besprochen werden müssen: Wie können wir dem erstarkenden Autoritarismus entgegentreten? Welche Strategien sind zulässig? Was bedeutet Meinungsfreiheit? Was bedeutet Demokratie?" Man wolle diese Auseinandersetzung weiterhin "in öffentlichen und internen Runden" führen.

(Theaterhaus Gessnerallee / sd)

 

Mehr dazu:

Presseschau vom 10. März 2017 - Der Zürcher Tages-Anzeiger spricht mit AfD-Vordenker Marc Jongen über die Absage einer Diskussion in Zürich und die politischen Positionen der AfD

Stellungnahme der Operation Libero zur Absage der Diskussion (10.3.2017)

Was Raphael Urweider und Laura Huonker, beide Gegner der Podiumsdiskussion zur Absage denken, zitiert der Zürcher Tages-Anzeiger (8.3.2017)

Kolumne von Dirk Pilz zum Thema

Die Chronik einer abgesagten Diskussion mit einem AfD-Funktionär im Theaterhaus Gessnerallee (12.3.2017)

 

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Kommentare  
Absage Gessnerallee: und jetzt andersrum?
Nachdem nun die Bataillone der linken demokratischen Künstler einen großen gemeinsamen Sieg über Hitler, den Faschismus, die Mörder und Brandstifter und die Meinungsfreiheit errungen haben, könnte man an der Gessnerallee doch stattdessen einen Diskussionsabend unter lauter demokratischen Stalinisten veranstalten zum Thema des linken Selbstverständnisses, etwa mit folgender Ankündigung:

Zitat: "Wie können wir dem erstarkenden Autoritarismus entgegentreten? Welche
Strategien sind zulässig? Was bedeutet Meinungsfreiheit? Was bedeutet Demokratie?
Wir wollen diese Auseinandersetzung weiterhin in öffentlichen und internen Runden führen."

Vielleicht könnten dann die ganzen rechten Brandstifter einen Offenen Brief verfassen und zum Boykott aufrufen?

Mit erheiterten Grüßen!
Absage Gessnerallee: was verstehen Sie unter Autoritarismus?
Ich las die Absagen-Verlautbarung der Leitung der Gessnerallee-Bühne bzw. der Initiatoren der Veranstaltung. Dabei wurde ich den Eindruck nicht los, dass diese Absagen-Verlautbarung unter einem großen psychischen Druck verfasst wurde, weil sie mehrere Fehler enthielt, die nach erfolgten Selbst-Korrekturen eventuell in solchen öffentlich gemachten Verlautbarungen nicht mehr enthalten sein sollten.
So ist u.a. ein entscheidender Veranstaltungstermin als bereits vergangener erwähnt, obwohl er n a c h den Terminen anberaumt war, die ebenfalls noch gar nicht stattfinden konnten, weil ihre Termine in der nahen Zukunft lagen (10. 03. und 17. 03.) und über deren Absage an dem noch nach ihnen liegenden 23. 03. der Zeit weit voraus entschieden wurde.
Es wird weiter geschrieben, dass sich u.a. Kritiker-innen der umstrittenen geplanten Podiumsveranstaltungen „mit der Gessnerallee“ trafen. Und da möchte man, obwohl weder linken noch rechten noch extra-avantgardistischen oder extra-konservativen Geistes gern wissen, wie das vonstattengegangen sein soll, dass sich Menschen mit einer Allee treffen?
Vor allem, wenn das geschrieben wurde in einem Haus, in welchem oder für das doch gewiss Dramaturgen oder erfahrene Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt sind. Menschen, die nach eigener schriftsprachlicher Aussage ganz genau wissen, dass es ganz vollkommen ohne Diskussionen richtig ist, gegen „Populismus“, „Autoritarismus“ und „eine Renaissance reaktionären Denkens“ zu sein…

Mit Verlaub: So sehr ich nachempfinden kann, wie man ohne jede Diskussion ganz genau wissen kann, dass man gegen Populismus und eine Renaissance reaktionären Denkens sein kann, so wenig kann ich nachvollziehen, was man gegen mit diesen im selben Atemzug genannten Gesellschaftsphänomenen Autoritarismus haben kann?

Möglicherweise liegt mein Unvermögen daran, dass ich keine Schweizer Bürgerin bin und lediglich auf deutsche Wörterbücher zurückgreifen kann, die den Begriff des „Autoritarismus“ gar nicht kennen. Sie kennen den Begriff „Autorität“ und sie kennen den Begriff „Autorisation“. Sie kennen „autoritativ“ für „auf Autorität beruhend, entscheidend, maßgebend“. Aber eine weitere, imperativ das Substantiv „Autorisation“ für „Ermächtigung, Vollmacht – insbesondere zu Veröffentlichung und Übersetzung“ steigernde substantivierende Form eines Substantives kennen sie nicht. Weshalb ich Grund zu der Annahme habe, dass es sich bei der Verwendung des Begriffes „Autoritarismus“ selbst um eine populistische Formulierung handelt, die geprägt wurde und benutzt wird, weil/wenn jemand ganz grundsätzlich etwas gegen „Autorität(en)“ hat. Ein Begriff der steht für: „1. auf Leistung oder Machtbefugnis beruhendes, allgemein anerkanntes Ansehen; Geltung ODER 2. die maßgebende(n) Persönlichkeit(en), anerkannter, hervorragender Fachmann“.

Deshalb würde ich von Jedem, der es gern beantworten möchte sowie speziell von den Mitarbeitern_innen der Gessnerallee – auch als Nicht-Schweizerin – auf diesem weiterführenden virtuellen Podium nunmehr als erstes wissen:

WAS GENAU VERSTEHEN SIE UNTER AUTORITARISMUS?

Sobald mir die Mitarbeiter-innen oder Menschen, die das außer diesen mögen, das beantworten können, fällt mir gewiss eine nächste sinnvolle und der Gesamtdebatte möglicherweise dienliche Frage ein.
Absage Gessnerallee: Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Autoritarismus
Absage Gessnerallee: Plural
Der Plural bei Avantgarde war ja schon ziemlich dumm, aber diese Absage unter Druck --- da fällt einem ja kein Adjektiv mehr ein.

(Liebe*r Karl Kraus, der Plural war ein Fehler der Redaktion; der Titel der abgesagten Veranstaltung lautete "Die neue Avantgarde", was in der Meldung auch berichtigt wurde. Mit freundlichem Gruß, sd/Redaktion)
Absage Gessnerallee: Berichtigung
Der Aufruf zum Publikumsstreik kam aus feministischen Kreisen Zürcher Kunstschaffender. Dass der Aufruf von Theaterschaffenden rund um die Gessnerallee verfasst wurde, ist eine Fehlinformation. Wir bitten die Berichterstattenden dies zur Kenntnis zu nehmen.
Die Verfasserinnen des Aufrufs zum Publikumsstreik
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