Auf Worte sollen Taten folgen

Berlin, 14. März 2012. Erstmals kritisiert eine spartenübergreifende Koalition der Freien Szene Berlins die dortige Kulturförderpraxis. In einem offenen Brief wenden sich über 60 namhafte Unterzeichner aus den verschiedensten Künsten an die Stadt Berlin. Sie sprechen sich unter anderem für höhere Ausgaben für Kultur aus (finanziert durch eine Citytax), eine Förderung aus der künstlerischen Praxis heraus, die Einführung einer Honoraruntergrenze sowie mehr Transparenz und Gerechtigkeit bei der Fördermittel-Vergabe.

Kritisiert wird, dass bislang auf Stadt-Slogans wie "Kultur bewegt Berlin" wenig Taten folgen. Es gebe zwar den begrüßenswerten Willen, den Etat für die Freie Szene um 500.000 Euro aufzustocken. Allerdings kämen derzeit auch nur etwa 60 Prozent des Hauptstadtkulturfonds in der Freien Szene an, der Rest bleibe bei bereits institutionell geförderten Kultureinrichtungen wie der Staatsoper.

"Die Tatsache, dass die Summe aller institutionellen Förderungen kontinuierlich zunimmt und im Gegenzug die Mittel für freie Strukturen immer weiter abgesenkt werden, ist nicht mehr hinnehmbar", heißt es in dem offenen Brief. Man sehe die Substanz des "viel beschworenen und international gefeierten kreativen Berlins" gefährdet. "Deshalb brauchen wir eine Veränderung der Kulturpolitik."

Zusammengeschlossen haben sich Künstler aus Architektur, Bildender Kunst, Tanz, Schauspiel, Performance, Neuen Medien, Musik von Barock, Elektro, Jazz, Klassik bis zur Neuen Musik, Musiktheater, Kinder- und Jugendtheater und Literatur. Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem Ballhaus Ost, Hebbel am Ufer, Heimathafen Neukölln, Neuköllner Oper, Sasha Waltz & Guests, Sophiensaele, Tanz im August, Radialsystem V, Freie Berliner Volksbühne und Theaterdiscounter.

(mw)

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Kommentare  
Berlins Freie wollen mehr Geld: Ja zum Kulturinfarkt-Buch
Sehr gut. Nur ungünstiges Timing, dass die Diskussion um dieses Kulturinfarkt-Buch nun diese viel wichtigere Sache evtl verdrängt. Man müsste hier zusammenspannen. Das wird aber wohl leider nicht geschehen, weil zwar gerne von der freien Szene mehr Geld verlangt wird - das allein tut auch noch niemandem weh und passt ins Bild der armen Mäuschen, die kreativ sind. Die KuratorInnen der freien Szene wagen es eben dann oft nicht, den Tankern ( wie Deutsches Theater, etc. ) finanzielle Mittel streitig zu machen. Das wäre JETZT nötig - und die Thesen von diesem Buch ( von dem leider alle reflexhaft zurückschrecken und mit dem Finger draufdeuten und sagen: Pfui! ) müssten -auch wenn vielleicht an ein paar Stellen fragwürdig geschrieben oder was auch immer - benutzt werden für diesen Umverteilungskampf. Es ist ein Umverteilungskampf, Leute! Die BürgerInnen werden nie akzeptieren und auch nicht verstehen, dass nun auch noch HAU, Sophiensäle, etc mehr Geld bekommen sollen. Das Geld muss anders verteilt werden - auf Kosten der hierarchisch altmodischen und zu teuren Staatstheater -und zu Gunsten der modernen Theatern wie HAU, Ballhaus Ost, etc - und diese Umverteilung müsste man JETZT einfordern. Diese Wahrheit zu verdrängen wäre jetzt mehr als kontraproduktiv und würde solche Initiativen evtl gerade wieder vergessen machen. Auch wenn man sich dabei vielleicht beim befreundeten Dramaturgenkollegen vom Haus XY unbeliebt machen wird ( auf dessen Stelle man im Geheimen auch nicht mehr schielen dürfte! ), muss man diese Umverteilung einforden. Deshalb müssten die obengenannten Institutionen nun auch kollektiv JA sagen zu diesem Kulturinfarkt-Buch. Rein strategisch. Sonst gehen diese wichtigen und richtigen Forderungen der KünstlerInnen und freie Szene ProtagonistInnen unter. Und werden dann blitzschnell marginalsiert von der Intendanten und DramaturgInnen-Elite, die sich leider immer noch als qualitativ erhaben fühlt, nur weil sie von der Gesellschaft mehr Geld erhält.
Berlins Freie wollen mehr Geld: die offizielle Kultur ist tot
Endlich einer, der das produktive Potenzial der Thesen des Buches "Kulturinfarkt" begriffen hat. Ich denke, dass es an der Zeit ist, dass neue Leute und neue Kunst aufgebaut werden. Die offizielle Kultur ist tot. Sie benötigt neue Inhalte und die können nicht aus dem Kreis der alten Klassik-Kultur in Theater, Oper und Konzert kommen. Letztlich geht es auch um die Frage nach der Identität einer Gesellschaft und eines Staates. Der staatlich geförderte Hochkulturbetrieb kann hierfür nichts mehr bieten. Ich habe das umfassend in meinem Buch "Der europäische Ernst" dargestellt.
Berlins Freie wollen mehr Geld: was bleibt übrig?
Es ist tatsächlich kaum nachvollziehbar, dass aus dem Hauptstadt Kulturfond oft genug bein zweites Mal die großen Subventions-Betriebe gefördert werden. Wenn sich die Stadt drei Opernhäuser leistet, ein ganzes Theater praktischen zum vierten Haus umbaut und als Krönung noch Experimente außerhalb (E-Werk) bezahlt, bleibt natürlich für innovative, freie Produktionen im Musiktheater fast nichts mehr übrig. Da haben Herr Opitz und Co. recht...
Berlins Freie wollen mehr Geld: wenig Zustimmung
Das Buch ist überfällig ...

Lieber Samuel Schwarz, ich stimme Ihrem Kommentar bei NACHTKRITIK voll und ganz zu. JETZT ist der Zeitpunkt da dass sich die freie Szene auch einmal einmischt und Farbe bekennt. Ich verfolge die Reaktionen auf das Buch der "vier Kulturterroristen" seit dem ersten Tag und bin überrascht, wie wenig Zustimmung aus der freien Szene kommt.
Dieses Buch - egal wie man es inhaltlich bewertet - ist doch eigentlich ein MUSS für jeden freien Künstler und Kulturschaffenden. Was die Autoren fordern käme doch in erster Line der freien Szene zu Gute. Das Establishment rebelliert und das ist auch gut so. Aber wo bleiben die Stimme der Freien? Wo die Ideen? Kann es wirklich sein, dass sich viele zurückhalten, weil sie insgeheim auf einen Posten im öffentlich finanziertem Kulturleben hoffen?
Dann sollten Sie aber auch keine Forderungen aufstellen. Das Geld, welches die Berliner Initiative via Citytax fordert, gibt es doch bereits. Es wird nur in die Hochkultur gesteckt. Dort wo eh schon Millionen pro Jahr ausgegeben werden.
Mit Prof. Armin Klein, einem der Autoren, konnte ich heute mailen. Auch er ist der Meinung, dass die freie Szene sich hier intensiv einmischen sollte. Schließlich wären wir doch auch die die davon profitieren.
Einige Beiträge zum Thema habe ich in einer offenen Gruppe bereits veröffentlicht. ich würde mich freuen, Sie würden nur einen Blick darüber werfen. Hier der Link zum Thema: https://www.facebook.com/groups/229673013798491
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