Presseschau vom 25. April 2012 - Die Dramatikerin Marianna Salzmann im Gespräch über ihr Stück "Beg your pardon"
"Ein Charles Manson der europäischen Politik"
25 April 2012. Für die Frankfurter Rundschau (25.4.2012) und die Berliner Zeitung hat Doris Meierhenrich ein Gespräch mit der Dramatikerin Marianna Salzmann geführt.
Wer ist Marianna Salzmann?
"In Moskau aufgewachsen, lebt die Fünfundzwanzigjährige seit ihrem 10. Lebensjahr in Deutschland. Gerade hat sie das Studium 'Szenisches Schreiben' abgeschlossen und für ihr Stück "Muttermale Fenster Blau" den Kleist-Förderpreis erhalten". Heute wird im Ballhaus Naunynstraße ihr Stück "Beg Your Pardon" uraufgeführt.
Über das Mögliche sagt Salzmann:
"Scheitern steht immer am Ende von allem. Was kein Argument gegen das Versuchen ist. Beziehungen sind unmöglich, politisches Handeln ist unmöglich, Theaterstückeschreiben ist unmöglich. Aber man muss trotzdem versuchen, das Maximale aus allem heraus zu holen."
Über ihr Stück "Beg your pardon" sagt Salzmann:
Die Hauptfigur Thea mache den Fehler, dass sie glaubt, sie könne mit ihrem Ausstieg aus der Gesellschaft die Welt retten. Dass sie glaubt, sie könne damit etwas ganz Großes schaffen, während sie vergisst, bei sich selbst anzufangen. Sie schaue nicht auf ihr Kind, ihren Mann, sondern nur auf das große Ideal, die große Freiheit da draußen und das funktioniere nicht. "Das ist ihr Sündenfall und unser aller Sündenfall."
Wie sehr das Politische auf das Privatleben einwirke, wollten wir "weißen Westeuropäer" mit unseren "westeuropäischen Pässen" nicht zur Kenntnis nehmen, weil "bestimmte Gesetze" uns nicht beträfen. "Uns Privilegierten wird nie klar, wie sehr das Politische - die kleinen Nebensätze der Politiker, die kleinen Gesetzesänderungen - uns komplett verändert." Man nehme die "Residenzpflicht" der Asylbewerber als Beispiel. "Das heißt, ich darf einen Kreis von wenigen Kilometern nicht verlassen, wenn ich einen bestimmten Flüchtlingsstatus habe. Das ist menschenunwürdig. Und was in Flüchtlingslagern passiert, in Abschiebehaft ..."
Über ihre Recherchen in Dänemark sagt Salzmann:
Für ihr Stück, in dem es um Migration und Exklusion und Integration geht, hat Salzmann in Dänemark recherchiert. Warum in Dänemark? "Weil Dänemark die schärfsten Ausländergesetze hat. Aber Dänemark ist nur ein Laboratorium für ganz Europa. Die Verschärfungen dort erfolgen seit Mitte der Neunzigerjahre und wurden damals von einer links-liberalen Regierung initiiert." Salzmann sprach mit verschiedenen Politikern darunter auch Naser Khader von der Dänischen Konservativen Volkspartei. "Er ist Halb-Syrer, sein Vater kam vor langem nach Dänemark, und dieser Naser Khader sagte nun offen zu mir: Solche Leute wie meinen Vater braucht dieses Land nicht. Hier kann man sehen, wie ein persönliches Trauma Teil der Politik wird. Dieser Mann hat offenbar ein Problem mit seinem Vater. Nun macht er Gesetze, die Leute aus dem Land treiben." Der andere war Peter Skaarup, von der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei. "Ein Charles Manson der europäischen Politik."
(jnm)
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ist bestimmt durch den wunsch macht zu gewinnen.
aber diese art macht ist nicht negativ zu verstehen, sondern vielmehr als das
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