Presseschau vom 31. Mai 2012 - Die FAZ über die kuriosen Proteste beim Londoner Shakespeare-Festival
Protest und Verblendung
31. Mai 2012. Über die kuriosen Proteste gegen das israelische Nationaltheater Habima beim Londoner Shakespeare-Festival berichtete gestern bereits die Süddeutsche Zeitung und heute erklärt die Frankfurter Allgemeine Zeitung nochmal genauer, warum dieser "Kaufmann von Venedig" die Gemüter so erregt.
Es gehe hier gar nicht um die problematische Figur des Juden Shylock, so Gina Thomas in der FAZ (31.5.2012), "vielmehr galt der Zorn den Ausführenden, dem israelischen Nationaltheater 'Habima', das sich in den Augen pro- palästinensischer Aktivisten durch Auftritte in einer Siedlung der 'besetzten Gebiete' auf der Westbank der Komplizenschaft mit der israelischen Regierung schuldig gemacht habe." Wochen vor dem Gastspiel agitierten die Pro-Palästinenser für eine Absage ans "Habima" und mobilisierten prominente Figuren aus dem britischen Kulturleben, darunter die Schauspielerin Emma Thompson, den Regisseur Mike Leigh und den früheren Globe-Direktor Mark Rylance.
Was aber auch bedeute, dass den Aktivisten die Ironie eines Boykottaufrufes entgangen sein muss, weil es ausgerechnet im "Kaufmann von Venedig" mit dem das Habima in London gastiert, um eine verfolgte Minderheit geht, als die sich die Palästinenser empfinden.
"Diese Dimension aber wollten die Demonstranten nicht wahrhaben, sie wollten stören und auffallen. So fanden die zwei Vorstellungen des hebräischen 'Kaufmanns' unter höchstem Sicherheitsaufgebot statt." Draußen vor dem Globe, dem Freilichttheater an der Themse, wachte die Polizei über die sorgfältig getrennten Protestgruppen: Die Boykottgegner mit Parolen wie "Unterstützt Kultur, unterstützt Demokratie, unterstützt Israel" links vom Eingang, die Boykottbefürworter mit "Israelische Apartheid"-, "Ethnische Säuberung" - und "Palästina wird frei sein"-Sprechchören in gebührendem Abstand rechts davon. "Drinnen schritten bullige Angestellte einer privaten Sicherheitsfirma ein, sobald ein Zuschauer sich zum Protest regte, was denn auch in scheinbar koordinierter Aktion mehrere Male geschah und stets in den berühmtesten Passagen, wie Shylocks 'Hat nicht ein Jude Augen?', unterbrochen durch den Protestschrei: 'Palästinenser sind auch Menschen!'"
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