Monströsalt

von Sabine Leucht

München, 17. Juni 2012. Schwarze Säulen, rampennah aneinander gedrängt. Nichts passt zwischen sie als ein paar Streifen Licht. Dazu düstere Gitarrenklänge, über denen eine hohe Frauenstimme schwebt.
Wow!
Diesem Anfang wohnt ein Versprechen inne, wenn auch nicht unbedingt jenes, dass jetzt gleich Shakespeares "Sommernachtstraum" beginne. Aber das hat man ja zumindest schon in der lokalen Presse gelesen, dass Michael Thalheimer einer ist, der das Düstere und Kaputte aus den Stoffen hervorlockt, dem das Beliebige zuwider ist und die Tragödie nah. Das merkt man auch gleich, denn vor der Wand aus Säulen hastet jemand entlang, der offenbar verzweifelt nach einem Ausweg sucht aus der Geschichte, in die er da geraten ist.

sommernachtstraum 560 mattiashorn xEin Sommernachtstraum: (von links) Sibylle Canonica, Oliver Nägele, Götz Schulte.
© Matthias Horn
Ein schwarzer Engel, ein großer Geistervogel ist das brüllende Wesen von hinten. Von vorn ist es Sibylle Canonica, eines der wunderbarsten Erbteile des Residenztheaters aus der Ära Dorn, die im tollen Riesenensemble der Ära Kusej bislang erst ein Mal zum Zuge gekommen ist. In Albert Ostermaiers lächerlicher Strauß-Persiflage "Halali". Schwamm drüber! Nun ist sie zurück - und muss wieder unter ihren Möglichkeiten bleiben. Ihre Hippolyta soll die Frau des Theseus werden, der ihr gerade die Zunge in den Hals steckt und sie wie eine leblose Puppe gegen die Wand presst. In einer Schlacht hat der Athener sie erobert und die Amazonenkönigin bleibt im Beuteschema. Ihr Mund bewegt sich stumm, als Götz Schultes wenig empathischer Theseus fragt: "Wie fühlst du dich?" Und ihre entsetzten Augen sprechen Bände.

Ohne Komödie und ohne Sommer

In seiner ersten Münchner Inszenierung kommt Thalheimer schnell zur Sache, um die es ihm geht. Dafür ist man prinzipiell dankbar, wenn man das Stück nicht einmal mehr ansatzlos heruntergenudelt sehen will.

Doch der Abend ist eine Enttäuschung und spaltet das höfliche Münchner Publikum wie selten einer zuvor. Thalheimer treibt dem "Sommernachtstraum" allzu demonstrativ die Komödie aus und den Sommer gleich mit. Liebe ist hier, wenn brünstige Tiere aufeinanderprallen. Und Moral wird von Männern mit heruntergelassenen Hosen verbreitet.

Zweifellos, es steckt alles schon drin im Stück: Die männliche Selbstherrlichkeit, die dauernde Bedrohtheit der Liebe, die – Zaubertrank hin oder her – schnell in ihr Gegenteil umschlagen kann – und die fatale Abhängigkeit des Selbstwerts vom Blick der Anderen. Ja, in der Liebe werden Menschen auch zu Tieren und erbärmlich. Doch indem Thalheimer diese Behauptung gleich zu Beginn absolut setzt, nimmt er dem Abend den Spannungsbogen und seinen Figuren die Schattierungen.

In der Art, wie Hermia und Helena, Lysander und Demetrius als Verliebte gegeneinander die Krallen ausfahren und noch im Ekel einander anzüngeln und -lecken, gleichen sie einander wie ein Raubtier dem anderen. Der blutige Zaubertrank, den Puck hier über ihnen auspresst, tut das seine dazu. Und dass das Programmheft die menschliche Ungeheuerlichkeit, die schon Sophokles als unübertrefflich erkannte, auf das "mimetische Begehren" zurückführt, macht Thalheimers Bildsprache nicht subtiler.

sommernachtstraum 560 matthiashorn xjpgvon links: Michele Cuciuffo, Götz Schulte, Norman Hacker, Oliver Nägele, Britta Hammelstein.
© Matthias Horn 

Puppenspieler und ihre Kreaturen

Wenn sich Norman Hackers Demetrius einen abrubbelt, wird ihm klar: "Auf diese Art werd ich sie nur vertreiben". Das ist dann lustig. Wie auch jene Szene, in der die beiden jungen Liebhaber wie wilde Stiere nackt und grunzend um die bislang verschmähte Helena balzen und die Anzettler der Verwirrung – Oberon und Puck – wie Puppenspieler hinter ihnen stehen. Aber wie viel von dieser Komik ist unfreiwillig?

Oliver Nägele spielt ziemlich klasse einen kolossalen Puck, ein "Klops von einem Geist" – besonders nuanciert ist die Figur trotzdem nicht. Zusammen mit Götz Schulte, der auch den Oberon spielt (wie Canonica auch die Titania) hat er allerdings eine kurze überraschende Szene: Fast zart klingt seine Stimme, als er auf den schlafenden Menschenhaufen blickt, der kurz vor seiner Zurückverwandlung steht. Und fast panisch wird der eben noch vor Schadenfreude zuckende Elfenkönig Oberon, als seine Titania zunächst nicht erwachen will. Doch wie einige schöne Bilder, die in dem zwischenzeitlich zum Säulenwald auseinander geschobenen Bühnenbild von Olaf Altmann herumgeistern, verpufft auch dieser Anflug von Menschenliebe bald.

Menschen, wie man sie in ihrer tölpelhaften Form der Unzulänglichkeit aus dem Alltag kennt, gibt es überhaupt nur in den Handwerker-Szenen, in denen René Dumont als Regisseur herrlich die Nerven verliert und Markus Herings Zettel unnachahmlich blauäugig auf ihnen herumtrampelt. Und statt mit der Shakespeare'schen Dreifach-Hochzeit endet der Abend nach fast drei Stunden mit dem Satyrspiel der Handwerker, was, außer, dass die netten Laienspiel-Simulanten sich dann als erstes den Schlussapplaus abholen können (wonach der Rest betont devot hinzuschleicht), keinen wirklichen Sinn macht. Es sei denn, Thalheimer will nach all den Monstrositäten dem Theater als Hort der hemmungslosen Naivität, wo Texte wie "Eiapopeia Eiapopo" allen Ernstes erwogen werden, ein kleines Denkmal setzen.

Ein Sommernachtstraum
von William Shakespeare
Übersetzung und Fassung von Jürgen Gosch, Angela Schanalec und Wolfgang Wiens
Regie: Michael Thalheimer, Bühne: Olaf Altmann, Kostüme: Michaela Barth, Musik: Bert Wrede, Licht: Tobias Löffler, Dramaturgie: Sebastian Huber.
Mit: Götz Schulte, Sibylle Canonica, Oliver Nägele, Alfred Kleinheinz, Götz Argus, Andrea Wenzl, Britta Hammelstein, Michele Cuciuffo, Norman Hacker, Markus Hering, René Dumont, Sierk Radzei, Wolfram Rupperti, Robert Niemann.

www.residenztheater.de

Kritikenrundschau

Einen "viel zu langen Abend meines Missvergnügens" gibt Ulrich Weinzierl auf Welt-online (18. 6. 2012) zu Protokoll und wundert sich, dass ausgerechnet Michael Thalheimer "sonst Meister der Verknappung – diesmal einen Hang zum Überdehnten entwickelt", da sich für den Kritiker an diesem Abend die Proportionen im Beliebigen zu verlieren scheinen." Ein "Jammer", ja, eine "Todsünde wider Shakespreares Geist" ist aus Sicht dieses Kritikers auch, dass Thalheimer dem Drama jegliche Poesieausgetrieben habe. Und ein Sommernachtstraum" ohne Sommer, ohne Nacht und ohne Traum" eben keiner mehr sei. "Konsequent wendet die Regie ihre Vergrausungsmethode an: Das magische Pflänzchen, dessen Saft in Titania sexuelle Begeisterung für einen Esel weckt, ist ein Blutschwamm, erinnert an ein aus lebendigem Leibe gerissenes Herz. Selbst szenische Metaphern sind Glücks- und Geschmackssache. Schade um vergeudetes darstellerisches Potenzial." Auch gehen Weinzierl die dauerheruntergelassenen Hosen sehr auf die Nerven und er fordert: "Theater möge zur pimmelfreien Zone erklärt werden. Das hat weniger mit dem Wunsch nach einer moralischen Anstalt zu tun als mit jenem nach einer ästhetischen."

Thalheimer zeige "die Frauen als Objekte männlicher Geilheit oder dem eigenen Begehren und die Männer als triebgesteuerte Bestien, mit dem Penis als Kompassnadel," schreibt Michael Schleicher im Münchner Merkur (18.6.2012). All das stecke in diesem Stück, und es ist aus Schleichers Sicht auch immer mal wieder spannend, spannend, sich auf Thalheimers Lesart und seine Exozismusbemühungen einzulassen, da er zum Kern des Drama vorstoße. "Schade nur, dass er mit seiner Überdeutlichkeit manches zu erdrücken droht, Offensichtliches wieder und wieder herausarbeitet – und damit in der Wirkung schwächt. Auf sensible Figurenführung verzichtet Thalheimer ebenso wie er sich weigert, die (natürlich) komplizierteren Strukturen von Shakespeares Charakteren nachzuzeichnen. Das ist die größte Schwäche seiner Inszenierung, die sich so ihres Entwicklungspotenzials beraubt sieht: Nicht alles im Leben ist Hardcore."

"Bei aller Liebe zu Radikalität und vielversprechenden Antithesen könnte diese Inszenierung frei nach Shakespeare genauso gut heißen: Viel Lärm um alles," meint Rosemarie Bölts in der Sendung "Kultur Heute" beim Deutschlandradio (17.6. 2012). Für Michael Thalheimer gehe es nur noch ums "Durchpeitschen von triebgesteuerter Hassliebe. Niederträchtig, machtbesessen, rachsüchtig, monströs in der radikalen Lieblosigkeit, die schon im düsteren Bühnenbild ihren Ausdruck findet."

Thalheimer und Komödie, das funktioniert aus Sicht von Christine Dössel von der Süddeutschen Zeitung (18.6.2012) nicht so gut. In München seien Blut, Schweiß und Schwänze "die stereotypen Ingredienzien, mit denen Thalheimer aus dem 'Sommernachtstraum' ein nachtschwarzes Sexualkrüppel- und Orgien-Anti-Mysterien-Theater macht. Mit stöhnenden Frauen und wild masturbierenden Männern." Doch da Thalheimer auf Kosten des Sommernachtszaubers das Dunkle, Sexuelle, Animalische hervorhole, gebe es kaum mehr was zu lachen, "höchstens unfreiwillig - etwa wenn nach dem schluffigen Lysander (Michele Cuciuffo) auch der freakige Demetrius (Norman Hacker) die Hosen runter lässt, womit sich der zuvor geschmähten Helena (Britta Hammelstein) nun gleich zwei nackte Männer mit bloßem Geschlechtsteil präsentieren. Woraufhin sie verzweifelt ruft: 'Warum macht ihr das?' Applaus, Gelächter - das Publikum reagiert auf die mit reichlich Blut verschmierte Nacktheit der Körper nur noch mit müder Belustigung" Thalheimer mache seine Setzung gleich am Anfang so überdeutlich, dass in den folgenden zweidreiviertel Stunden dem nicht mehr viel hinzuzufügen sei. "Es gibt weder eine (erotische) Fallhöhe noch Ambivalenzen, weder Stimmungs- noch Bildwechsel, auch schauspielerische Glanzleistungen sind hier nicht drin. Man sieht nur Lüstlinge, Wüstlinge, Sklaven der sexuellen Gier."

"Beifall für die Schauspieler. Buhs für den Regisseur," notiert Gerhard Stadelmaier in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (18.6. 2012). Aus Stadelmaiers Sicht hat Thalheimer das Stück mit der "Regiedampfwalze der Konvention" platt gemacht, einen "Sommernachtsabschaum" inzeniert, keinen Sommernachtstraum. "Es ist, als peitsche und prügele eine Art Chefdramaturg namens Sexus aus der Kulisse (...) aufs (...) Personal ein – und sie winden sich in masochistischem Gezucke, das bei Männlein wie Weiblein der Devise folgt: Orgasmus sofort! Onanie en masse! Lauter Unterleibhaftige in trüb wichsendem Aufruhr." Und weil da kein Ton herauskomme, "der nicht gebrüllt, keine Geste sich zeigt, die nicht gewalttätig, keine Szene geformt wird, die nicht völlig geisteskrank geriete, jede Liebe sofort zu angeekelter Liebäh!, jedes Gefühl zu Gewalt, jede Sehnsucht zu Terror, jedes Begehren zu Horror wird (...)  fragt man sich doch: Ob nicht die Herstellung eines Hellen, Heiteren, Übersinnlichen, Schönen, C-Dur-Tollen erst die Voraussetzung wäre, um das Düstere, das g-Moll-Finstere in Shakespeares Komödie zu spüren?" Der "alte Quark" jedenfalls, den Thalheimer hier noch einmal angerührt habe, habe "ausgestunken" und gehöre aufs Altenteil.

 

Kommentare  
Sommernachtstraum, München: Thalheimers Zugriff geblieben, Rezeption verändert
die radikalität, für welche thalheimer früher gelobt wurde, wird ihm mittlerweile vorgeworfen. interessanter vorgang. mir scheint, die mittel und das verfahren, einen zugriff auf einen stoff zu formulieren, haben sich nicht verändert. man hat sich nur vielleicht satt gesehen daran. man giert nach neuem. liegt das problem jetzt damit bei thalheimer oder bei der rezeption(sindustrie)?
Sommernachtstraum, München: sich ändernde Zeiten
... das ist interessant, Clara.
Wenn man die Kritikenrundschau zu Castorfs "Der Geizige" liest, findet man meines Erachtens dasselbe Phänomen. Castorf quält die Zuschauer schon urst lange mit dramaturgisch irgendwie in seine Inszenierungen reingebastelten Videos und Fremdtexten. Jetzt plötzlich, bei diesem eher kurzweiligen Abend - da der Regisseur nicht mehr wie der Teufel vorm Weihwasser vor dem anderen Leben seiner Protagonisten zurückschreckt und die Fernsehfiguren mit leichter Hand in seine Sache mit einbaut - jetzt werden alle ungeduldig und noch die wohlmeinenden Kritiker erklären: Das sei alles Käse.
Wogegen aber "Der Spieler", der in Wirklichkeit genauso quälend ist, wenn auch kein Martin Wuttke schabernackt und über alle Stränge schlägt, als große Kunst hingestellt wird.
Könnte es sein, dass sich die Zeiten tatsächlich gerade ändern?
Sommernachtstraum, München: es lebe die Einfühlsamkeit
ja, natürlich. die Neunziger und frühen 2000'der sind abgefrühstückt. Es lebe die neue
Einfühlsamkeit!
Sommernachtstraum, München: Gier nach dem leicht Konsumierbaren
Aber gerade bei Castorf den "Geizigen" und den "Spieler" gegenüberzustellen und daran eine veränderte Rezeptionshaltung festmachen zu wollen, finde ich gewagt - zwischen beiden Inszenierungen liegt doch nur knapp ein Jahr! "Der Spieler" war einfach eine der besten Castorf-Inszenierungen, finde ich. Andererseits muss man kein Hellseher sein: Publikum wie Presse giert wieder vermehrt nach einfach konsumierbaren, ein bis zweistündigen Werken, die sich kritisch geben, aber nicht allzusehr in die Tiefe gehen. So erklärt sich doch auch der Erfolg des Wiener Schauspielhauses mit seinen Neue-Dramatik-Häppchen. Theater soll wieder unterhalten, nicht anregen, vielleicht auch anstrengen. Vielleicht in der Hoffnung, durch Boulevardisierung wieder mehr Zuschauer zu gewinnen, was ja hier und dort auch funktioniert ... Sogar die extrem intelligent programmierten Festwochen mit ihrem sehr anspurchsvollen - und vom Publikum sehr gut angenommenen - Programm brauchen da zwischendurch die Cate Blanchet-Show. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, weiss ich nicht...
Sommernachtstraum, München: Hinweis
gehts jetzt darum, was ist gute kunst? interessanter beitrag von christoph menke dazu in der zeit... anlässlich der documenta. kann man aber auch gut damit über theater nachdenken
Sommernachtstraum, München: von Kritik unangemessen abgestempelt
Wenn man eine Thalheimer-Inszenierung in München bespricht, wo er sich zum ersten Mal vorstellt, sollte man als Kritiker(-in) davon ausgehen, dass selbst in der "Theaterstadt" München nicht jedem Besucher die spezielle Ästhetik des Thalheimerschen Theaters ein Begriff ist. Schließlich liegt selbst für einen Theaterfreund Berlin ein Stück entfernt und nicht alle haben das Thalia-Gastpiel mit "Woyzeck" in den Kammerspielen gesehen. Es wäre also für eine Kritikerin vom Format der Sabine Leucht durchaus angebracht gewesen, statt ein paar Nebensächlichkeiten, einige grundsätzliche Gedanken zu Thalheimers Vorstellung von Theater zu sagen und etwa an seinem Zugriff (und nicht zuletzt dem seines Bühnebauers Olaf Altmann) auf - durchaus auf Augenhöhe mit Shakespeare - Tschechov zu erklären. Es ginge, auch im Rahmen einer Einzelkritik, darum, Verlust u n d Gewinn von Thalheimers Auseinandersetzung mit den großen Theatertexten kritisch zu beleuchten, statt mit wohlfeilen Schlagzeilen ("Monströs", "Ohne Komödie und ohne Sommer") Thalheimers antiillusionistisches Reduktionstheater als Theaterverweigerung abzustempeln. - Wie gesagt, in Berlin wäre das für eine Rezension nicht mehr unbedingt nötig gewesen, in München dagegen schon.

(Sehr geehrter Herr Gröner,
die Überschriften wurden durch den Text von Sabine Leucht inspiriert, stammen allerdings von der Redaktion.
jnm)
Sommernachtstraum, München: mehr Differenzierung, bitte
@ 2 und 4
Was wird denn das jetzt für ein merkwürdiger Rundumschlag? Von Castorf über das Wiener Schauspielhaus zu den Festwochen und das noch anhand eines Sommernachtstraums von Michael Thalheimer in München. Vergleichen wir da nicht ein wenig Äpfel mit Birnen? Aber man kann das natürlich machen. Beide haben Stiele und hängen daran an Bäumen. Manchmal fallen sie sogar herunter und das naturgemäß nicht weit vom Stamm. Es ist vermutlich etwas dran, an der Annahme, dass man Castorf mittlerweile als Saurier empfindet, da er fast verstockt an seinen alten Theatermitteln festhält, während bei den Festwochen, wo er ja lange Zeit das Wiener Pausen-Häppchen-Publikum über Stunden quälen durfte, nun die überschaubaren Multimedia-Events über die Bühne flimmern und man sich zwischendurch beim Sekt prima darauf verständigen kann, Epochales gesehen zu haben. Da werden sogar Heiner Müller und Bulgakow zur leicht verdaubarer Dutzendware. Einen Castorf muss man immer noch durchleiden, daran wird sich bis zur Rocker-Rente nichts ändern. Aber daneben geht die Zeit auch irgendwie weiter. Castorf ist nicht mehr der Maßstab der Dinge am Theater, auch wenn ihm immer noch einige Adepten hinterher hecheln. Diese 90minütigen Schauspielhäppchen aus Wien, die da so von Nr. 4 als Boulevard verschmäht werden, halte auch ich nicht alle für die dramatische Haute cuisine, aber das wollen die auch gar nicht unbedingt sein. Diese Sprachkraft und Poesie der jungen Österreicher wie Arzt oder Palmetshofer findet man in Deutschland eher selten, eine Uraufführungsbühne dieser Art schon gleich gar nicht. Berlin könnte sich glücklich schätzen, so eine Probierküche für junge Dramatik zu haben, mit dem Gorki hätte es die Chance gegeben, das zu verwirklichen. Aber auch da ist man eher einem Trend gefolgt, als wirklich experimentellem Theater mit eventuell auch neuen Regiehandschriften eine Chance zu geben. Nun wird man weiter über die Großen schimpfen, während die Talente in der Provinz vor sich hindümpeln oder für ein kurzes Gastspiel auf der großen Bühnen schnell verheizt werden. Oje, und wie passt da nun der Thalheimer wieder rein? Immer gleiche Theatermittel, düster, Gitarre, viel Theaterblut? Keine Ahnung, sagen Sie es mir. Aber zumindest hat er es jetzt schon auf 3 Stunden gebracht und nähert sich damit wohl langsam aber sicher Frank Castorf an.
Sommernachtstraum, München: das muss man erstmal hinkriegen
So, wir müssen in München erst mal Herrn Thalheimer reziperen lernen? Dann sollte der Abend ehrlicherweise heißen: Herr Thalmeier stellt sich vor...
also sorry, Theatersehweisen hin oder her: den Sommernachtstraum so langweilig hinzukriegen wie gestern Abend im Resi (außer ein paar verkrampften Lachern von Insidern schien das Publikum eher wie gelähmt), das macht dann auch jede noch so verkopfte Rezension überflüssig. Von wegen neue Sichtweisen: SO rennt heute kein "Handwerker" rum, allenfalls spiegelt diese Darstellung eine wohl etwas weltfremde Sicht aus dem Theater auf das wirkliche Leben.
Die Liebhaber fast den gesamten Abend nackt an der Rampe, Gähn! Und bei der ganzen Brutalkörperlichkeit der "Liebenden" machen die Damen dann aber vorsichtshalber doch einen Bogen ums nicht erigierte Gemächt der wenig attraktiven Liebhaber.
Herr Thalheimer sollte in der Münchner Antikensammlung mal die griechischen Vasen studieren, dann würde auch ihm die von ihm so falsch verstandene Körperlichkeit vielleicht etwas klarer. So hatte es die Erotik einer Schaumparty, nur halt mit Theaterblut.
Man hatte das Gefühl, daß die wunderbaren Siylle Canonica und Oliver Nägele mit großer innerer Distanz bei der Sache zugegen sind. Das hat wenigstens den beiden etwas Zauber zu eigen sein lassen. Um Zauber gehts ja wohl im Stück ganz unabhängig von Sehweisen oder Interpretationen. Was war zu erleben: Theseus-Hippolyta (duchgebrüllt, gekreischt), Oberon (gebrüllt), Titania (ließ ahnen, was in dem Stück steckt), Puck (um Differenziertheit bemüht, mit geringen Chancen dazu im Gesamtkonzept), Spinnweb (eine feine, stille Studie!)die Liebespaare (kreisch, verrenk, besudel, zwei unattraktive Schrumpfpimmel bei den Liebhabern, die Frauen seltsamerweise immer angezogen), bei dem was hier an Körperlichkeit vorgeführt wurde: keine Reaktion im Publikum! Die Zuschauer haben es einfach nicht ernst genommen. Das ist in München schon lange so. Die gesamte Pyramus-Thisby-Show praktisch OHNE Lacher! Das muß man erst mal hinkriegen im Theater. Doch, EINEN Lacher gabs im Publikum: wenn Helena fragt: "warum machen die das alles?"...
Sommernachtstraum, München: gekrümmt vor Entsetzen
Es war einfach gräßlich. Herr Thalheimer zitiert sich alle Nase lang selbst und hat ansonsten nur die These "Alle Männer sind ein Schwein" anzubieten. Dazu Theaterblut, Sperma, Pisse.
Ich habe mir das großformatige Programmheft vor das Gesicht gehalten und mich im Theatersitz gekrümmt vor Entsetzen.
Die armen Schauspieler - aber lange werden sie nicht leiden. Der Schlußbeifall deutet nicht darauf hin, daß die Inszenierung lange auf dem Plan stehen wird.
Wo hier die Auseinandersetzung, die oben angesprochen wird, stattgefunden haben soll, weiß ich nicht. Was ich weiß ist, daß Hr. Thalheimer das Publikum grausam langweilt. Darüber täuscht auch kein Wortgeklingel wohlmeinender Begleiter hinweg.
Sommernachtstraum, München: großartige Arbeit
München wird schon noch bemerken, was das für eine großartige Arbeit ist. Die Berliner können sich jedenfalls drauf freuen, denn Sommernachtstraum kommt unter Garantie zum Theatertreffen. Ein echter Wurf.
Sommernachtstraum, München: langweiliger Schmarrn
Worum geht es: Thalheimer inszeniert in München Shakespeares Sommernachtstraum. MICHAEL THALHEIMER ist (warum auch immer) eine "Regiegröße" in der Theaterwelt, das weckt Erwartungen. MÜNCHEN ist eine Theaterstadt mit (wohl) weltweiter Bedeutung, - unter Kennern - , das muß nicht immer wieder diskutiert werden. Die ewigen Vergleiche mit Berlin, Wien und sonstwo sind einfach überflüssig. Theater findet da statt, wo ich es gerade sehe, - rezipiere ;-).
Shakespeares SOMMERNACHTSTRAUM kennt jeder - unter Kennern - in vielfachen Inszenierungen. Jetzt kommt Michael Thalheimer zum ersten Mal nach München. Er liefert Blutspritzen, Kreischen, eine sehr technisch anmutende Bühnenmaschine, die atmosphärisch nicht unbedingt das Neueste darstellt. Das Münchner Publikum langweilt sich eindeutig in Thalheimers Münchener Sommernachtstraum-Inszenierung. Ist nun das Publikum zu blöd, zu müde, zu sehr mit Vorurteilen behaftet gewesen? Nein! Ich war dabei. Am meisten ärgert mich, daß ich mich genötigt fühle, dem Erlebten (fairerweise) doch etwas abzugewinnen. Dazu habe ich aber schon zuviel wirklich "gutes Theater" erlebt, dessen Sehweisen mich gefesselt, sprich BEGEISTERT haben. Ich muß mich entscheiden: Dieser Thalheimer-Abend ist ein großer Schmarrn, auf Kosten der (unglücklich wirkenden) Schauspieler und des Publikums. Übrigens: Wer die Sehweise Thalheimers noch verfeinert erleben will, sehe sich das Interview auf der Resi-Internet-Seite an. DER MANN WEISS ALLES, - glaubt er, - und der devote Dramaturg nickt beflissen dazu. Das macht Dramaturgie dann endgültig überflüssig...
Ach ja, vielleicht wollte Thalheimer ja provozieren? Hat er nicht geschafft. Er hat gelangweilt. Eine "Todsünde" im Theater, darüber
herrscht wenigstens Einverständnis.
Sommernachtstraum, München: Nacktheit als Metapher für Schuld?
Lieber @RatCreutz, dieses Markenzeichen "Theatertreffen" ist ja nun wirklich von vorgestern und für das, was die deutsche Theater-landschaft ausmacht, ohne jede Bedeutung. Siehe Interview Michael Thalheimer. Wenn Regie und Dramaturgie sich sooo einig sind, wie im genannten Interview zu sehen, stellt keiner mehr auch nur eine einzige Frage. Wenn das Interview von der Werbeabteilung geführt worden wäre, o.k.. Aber die Nacktheit als Metapher für Unschuld verkehren in Metapher für Schuld? Krampf, lass nach. Da muss der
siebengescheite, pseudoselbstsichere Regisseur ausnahmsweise vom
Dramaturgen auf einen heftigen (freudschen?) Versprecher aufmerksam
gemacht werden. Aber man ist sich ja so und so einig...
Neinnein, "München" als Theaterrezipienten gibt es sowieso nicht,
das sind schmarrige Worthülsen. Des Kaisers neue Kleider mögen gerne anderswo beklatscht werden. Wie sagt dort das Kind: "der ist
ja nackt!" Also abgewandelt: Die sind ja nackt! Aber warum? Gähn!
Schnarch.
Sommernachtstraum, München: mit Mid
Ob es sich noch je wieder geltend machen lassen wird, dass das Stück A MIDSUMMER NIGHT'S DREAM heisst? Und nicht A SUMMER NIGHT'S DREAM?
Sommernachtstraum, München: schwer verdaulich
Ich verstehe ja manche Poster wirklich nicht - "thaddäus" schreibt, dass er den Abend langweilig findet - soll sein. Aber dafür müssen drei lange, wutentbrannte Postings herhallten? Wo kommt da der Hass her? Thalheimer ist ein toller Regisseur, mit "Liliom" hat er eine der großartigsten Inszenierungen geschaffen, die ich je gesehen habe. Für seine Frankfurter "Medea" wurde er gerade erst gefeiert. Daneben gab es aber immer auch schwache, misslungene Arbeiten - das ist im Theater mal so. Wenn man das nicht will, wird es schnell kunstgewerblich. Sollte der "Sommernachtstraum" also missglückt sein - ich habe ihn nicht gesehen - ist das schade, warum muss in der Theatergemeinschaft da immer gleich die Häme ausbrechen? Diese Reaktionen machen die Auseinandersetzung um die Bühnenkunst immer etwas schwer verdaulich ...
Sommernachtstraum, München: muss das alles subventioniert werden?
Sommernachtstraum .... zum Glück nur Kritiken gelesen !

Kunst darf fast alles !
Die Frage ist jedoch: Muss dann auch alles subventioniert werden ?
Das Leben bleibt weiterhin spannend und rätselhaft.
Grüsse aus Augsburg
k.Häring
Sommernachtstraum, München: Bunga-Bunga-Staat
Nach vielen Reisen habe ich mich sehr auf das erste Mal "Thalheimer dahoam" gefreut.
Am Ende bin ich doch glücklich aus dem Theater gegangen, weil gerade in der letzten Szene sich für mich ein Bogen geschlossen hat und im Laientheaterspiel tiefe Menschlichkeit zu erkennen war, nachdem zuvor die Machthaber einen Berlusconi Bung-Bunga-Staat vorgeführt haben.
Bei den Schauspielern haben mir besonders Markus Hering und Oliver Nägele, der schon vor Jahren in "Aias" (von Dorn ruckzuck abgesetzt) die Lust zu einer anderen Ästhetik angedeutet hat, gefallen.

Klar, beim Schlussapplaus war dann der Saal schnell leer, aber der Rest hat gejubelt (2. Auff.).
Theatertreffen würde ich trotzdem sagen nö, natürlich auch wegen seiner Frankfurter Medea.
Smmernachtstraum, München: welch schröckliche Provokation
Da hat es Herr Thalheimer dem vermeintlich konservativen Münchner Publikum mal so richtig zeigen wollen: ganz viele nackte Männer auf der Bühne. Welch schröckliche Provokation! Dabei hätte ihm eine passable Inszenierung gelingen können. Die Handwerker-Szenen sind sehr lustig. Ich habe Tränen gelacht. Markus Hering als Zettel - ein Traum! Mit den Liebesverwirrungen hat Herr Thalheimer wohl nicht so viel anfangen können. Auf manchen selbstverliebten billigen Effekt hätte er verzichten sollen. Dass Norman Hackers Demetrius als Knallcharge endet, hätte er verhindern müssen.

Lieber Herr Thalheimer, üben Sie noch ein wenig in Berlin und kommen Sie in der nächsten Spielzeit wieder. Sie sind willkommen, aber bitte, unterschätzen Sie uns nicht!
Sommernachtstraum, München: langweilig und fad
Nach vielen,oft schlechten Inszenierungen des SOMMERNACHTSTRAUMS dachten wir : " schlimmer kann's nicht werden " .
Großer Irrtum !
Herr Thalheimer, der offenbar in irgendeiner Zeitschleife hängen geblieben ist, inszeniert mit Gekreische, Kunstblut und Nacktheit .
Huch, da erschrickt man ja !
Shakespeares Sprache, die Poesie : hingemetzelt von miesem Schülertheater und fast schon rührend dümmlichen Provokationen, die längst keine mehr sind!
Nebenbei gefragt : wieso herrscht eigentlich bei manchen Regisseuren Provokationspflicht ? Haben sie sonst nichts zu sagen ?

Es war so langweilig und so fad : wir sind in der Pause gegangen .
Sommernachtstraum, München: keine Provokation
Ich habe eine stimmige, dem Stoff sehr gerechtwerdende Inszenierung gesehen. Keine Provokation. Diesem stück haftet anscheinend ein Fluch an; "Romantik" und "Poesie" und "Shakespeare" hört man immer wieder in diesem Zusammenhang. Hat jemand das Stück gelesen? Im original? Hat jemand sich mal ernsthaft mit Shakespeare und den Welten in welchen er sein Stück ansiedelt, befasst?! Ich seh da keine Romantik. Und Thalheimer hat sich sehr ernsthaft und demütig mit dem Stoff auseinander gesetzt. Ich fand lediglich die Schauspieler z. T. etwas "faul".
Und mache mir ernsthaft sorgen um die Beschaffenheit unsrer Kritiker.
Sommernachtstraum, München: immer möglichst shocking
Es muß wohl immer blutig, nackig und möglichst "shocking" sein. Traurig, wenn manche Autoren anders keine Zuschauer mehr in´s Theater bekommen (liegt aber an den Autoren und nicht an den Zuschauern)....
Sommernachtstraum, München: überflüssig
"shocking"? Eher nicht. Vielleicht vor 40 oder 50 Jahren.
Darüberhinaus haben vermutlich die "Kulturinfarkt" Autoren mit ihren Thesen nicht ganz unrecht. Überflüssiges Theater.
Sommernachtstraum, München: Romantik als Fluch?
An Roman Tik :
Jeder sieht's anders.
Ich hab' viele Stücke von Shakespeare im Original gelesen und selbst in den Tragödien erschien mir so manches romantisch.
Doch sie schreiben über Romantik, als ob diese ein Fluch wäre.
Machen Sie sich künftig keine Sorgen um Kritiker, nur weil diese anderer Meinung sind als Sie, sondern freuen Sie sich, wenn Ihnen eine Aufführung gefallen hat und gönnen Sie den anderen ihre eigene Meinung.
Sommernachtstraum, München: nicht totzukriegen
Shakespeare überlebt

Ich habe es mir heute abend angesehen und war eher angetan. Sicher, man wird in 10 Jahren solche Inszenierungen vielleicht noch auf DVD in Theaterhochschulen ansehen, längst überlebt.

Aber ich habe gemerkt: Shakespeare ist nicht totzukriegen. So wie Bach verstümmelt selbst noch auf einem Akkordeon klingt, ist das Theaterstück noch in seiner Verschandelung erkennbar. Die guten Schauspieler tragen das ihrige dazu bei. Selbst der gröbste Genderquatsch, den das Programmheft begierig ausbreitet (mimetische Liebe, was für eine üble Genderei), kann das Stück nicht zerstören. Ich war verblüfft. Ob ich da als Schauspieler arbeiten wollte und das nicht als Zumutung empfände ist etwas anders.
Sommernachtstraum, München: Arme Liebe
Ich habe die vorletzte Vorstellung gesehen. Armer Shakespeare! Arme Liebe! Das Stück ist auf zu wenige Aspekte reduziert. Who is Thalheimer ? Trotzdem: Wundervolle Schauspieler!
Sommernachtstraum, München: Sauerei
Einige Schauspieler wurden mit dieser Inszenierung quasi vergewaltigt. Ich sah mir heute (27.1.15) die letzte Aufführung an. Es ist, obwohl ich gewiss nicht konservativ bin, eine einzige Sauerei. Shakespeare wird von Thalheimer in den Dreck gezogen. Von mir aus soll dieser Regisseur hingehen, wo der Pfeffer wächst. In München brauchen wir ihn meiner Meinung nach nicht mehr. Er soll erst mal Regie lernen! Mit völlig unnötigen und tweilweise auch unpassenden Provokationen versucht er seine krasse Regie-Unfähigkeit zu übertünchen. Sorry.
Sommernachtstraum, München: anmaßendes Urteil
@25

wer ist denn "wir", bitteschön?! ich bin selbst münchner, habe die inszenierung 2012 gesehen und fand sie ziemlich genial.
ganz schön anmassend, was sie da von sich geben. schade, dass sie nun abgespielt ist (?)...
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