Presseschau vom 7. Juli 2012 – Berliner Zeitungen betrachten den Intendanten- und Epochenwechsel an der Komischen Oper Berlin
Der Kanalarbeiter
7. Juli 2012. Zwar sei, schreibt Peter Uehling in der Berliner Zeitung, Homokis Intendanz künstlerisch keineswegs auf einem "permanenten Höhenpfad" unterwegs gewesen. Doch "die Inszenierungen von Baumgarten, Konwitschny, Calixto Bieito, Barrie Kosky, Benedikt von Peter, Nicolas Steman und anderen machten die Komische Oper zu Deutschlands zentralem Haus für musiktheatralische Provokationen. Es fiel auf, "und zwar auch durch Programmentscheidungen: Kein Haus betrieb Kinder- und Jugendoper mit solchem Ernst und solcher Sorgfalt". Auch im Operettenfach sei einiges gewagt worden.
Allerdings entpuppten sich aus Uehlings Sicht "Regisseure, die um 2007 noch Aufsehen erregten, "in weiteren Arbeiten als uninspirierte Arrangeure ihrer intellektuellen oder erotischen Obsessionen. Durch die enge Auswahl an Regisseuren steuerte Homoki sein Haus in eine künstlerische Sackgasse; "mag an anderen Häusern auch mehr scheitern als gelingen, an der Komischen Oper hatte dieses Scheitern beklemmenderweise Methode." So überraschend das Haus "Opernhaus des Jahres" geworden sei, "so schnell war der Titel weg, ja verspielt." Merkwürdig scheint dem Kritiker, dass die Politik Homoki so lange gewähren ließ. Dabei erreichte er Uehling zufolge nicht mal die angepeilten 71 Prozent Auslastung. "Kein Berliner Opernhaus wird schlechter besucht."
In diesen zehn Homoki-Jahren wurde Manuel Brug auf Welt-online vor allem deutlich: dass Andreas Homoki "einen hervorragenden, ja sogar kumpelhaften Kontakt zur Politik" gehabt hat. Anders sei es nicht zu erklären, "dass er sich trotz zeitweise der 50-Prozent-Marke entgegeneilenden Auslastungszahlen unbeschadet im Amt halten konnte. Deswegen aber auch konnte Homoki sein Theater an allen Schließungswünschen, wie sie die Berliner Opernszene immer wieder erlebt hat, vorbeimanövrieren. Die Komische Oper war immer noch ein Stück Ost-Identität, daran durfte nicht gerührt werden." In den fast 70 kleinen und großen Premieren habe sich vor allem Homokis Hang zu einem, von wütendem Aufklärungsfuror durchdrungenen Regiestil gezeigt, den er, so Brug, einerseits von Altmeistern wie Peter Konwitschny, Hans Neuenfels und Willy Decker exekutieren ließ, "die hier allerdings ihrem Lebenswerk kaum Wesentliches hinzufügten." Doch er habe auch die jungen Wilden von der Leine gelassen, "Calixto Bieito, Sebastian Baumgarten, Benedikt von Peter. Mit wechselhaftem Ergebnis. Hier schmeckte Oper oft nach Stulle, bisweilen war sie sogar fast ungenießbar. Aber er hat auch den Australier Barrie Kosky entdeckt und als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Der alte Intendant trägt gern Poloshirt, der andere Glitzerringe. "Es wird glamouröser und bunter werden an der Komischen Oper. Und auch das letzte Dogma, die Deutschsprachigkeit, wird fallen. Wir freuen uns darauf. Andreas Homoki aber tritt in Zürich ein schweres Pereira-Erbe an. Doch er ist der Kanalarbeiter der Intendanten. Er wird sich also schon durchwühlen."
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Allerdings fand ich "La Perichole" von Stemann, die im TV übertragen wurde, grauenhaft. Eigentlich habe ich nach fast vierzigjähriger Tätigkeit als Zuschauer selten so einen Mist gesehen.