Ironisch und auch zynisch

10. August 2012. "Jonathan Meese spielt meines Erachtens nicht unüberlegt mit solchen Zeichen und Symbolen", sagt Katharina Wagner im Interview mit Manuel Brug in der heutigen Ausgabe der "Welt". Meese setze Hakenkreuze etc. "ironisch und auch zynisch" ein, um eine Haltung, um unsere Geschichte kritisch anzuprangern. "Er stellt sie in einen Kontext." Sie halte Meese für "einen der größten deutschen Künstler". "Er schafft an einem Gesamtkunstwerk." Was Christian Thielemann zu Meeses Berufung nach Bayreuth sage? "Er steht diesem Abenteuer sehr aufgeschlossen gegenüber."

Evgeny Nikitin, der den grünen Hügel jüngst verlassen musste, weil er ein hakenkreuzähnliches Tattoo auf der Brust trägt (danach bestritt Nikitin, dass das Tattoo irgendetwas mit Nazisymbolik zu tun habe) hält Katharina Wagner "nach wie vor für einen großartigen Sänger". "Seine Entscheidung, in Bayreuth nicht aufzutreten, halte ich vor dem Hintergrund der Festspielgeschichte für angemessen." Jemandem, der etwas auf seiner Haut trage und zur Schau stelle, dem sei vielleicht leichter eine Gesinnung zu unterstellen "als demjenigen, der anklagt, parodiert, das in einen Kunstkontext zum Diskurs stellt, sich aber niemals persönlich zu dererlei Gedankengut bekannt hat oder dessen verdächtig ist".

Natürlich müsse die Bayreuther Bühne ein Ort sein, "wo man sich mit der Vergangenheit auch dieser Festspiele auseinandersetzt, die eben leider jahrelang eine braune war". "Wie ist der aktuelle Stand in Sachen ominöser Münchner Stahlschrank bei Cousine Amélie Hohmann, wo der nun seit Jahrzehnten der ihr persönlich zur Aufbewahrung übergebene Winifred-Nachlass liegen soll?", fragt Manuel Brug sogleich. "Der Wolfgang- wie auch der Wieland- sowie der Friedelind-Stamm der Wagner-Familie ist sich da vollkommen einig, dass der endlich geöffnet werden muss", antwortet Katharina Wagner. Sie hätten "ein Recht darauf, das einzusehen". Was drin sein werde, wisse keiner. Aber: "Es muss endlich die Zeit kommen, dass keiner mehr sagen kann, die Wagner-Familie hätten etwas zu verbergen, oder die Festspiele hätten ihre Vergangenheit nicht aufgearbeitet." Das habe sowieso alles schon viel zu lange gedauert.

(sd)

Mehr zum Thema Bayreuth und Hakenkreuze: In der vorgestrigen "Welt" analysierte Jan Küveler Bayreuths Probleme mit faschistischer Symbolik. Hier unsere Zusammenfassung.

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