Die Sprachlichkeit von Bewegung

Im Gespräch mit Sylvia Staude von der Frankfurter Rundschau (22.8.2012) zeigt sich Niels Ewerbeck, der neue Chef des Mousonturm in Frankfurt, davon überzeugt, dass jede Stadt ein anderes Theater brauche, dass jedes Theater sich auch stark an der Stadt orientieren müsse, in der es arbeite. Das betreffe "wahrscheinlich die wenigen Häuser, die auf einer internationalen Ebene arbeiten, noch mehr als ein Stadttheater".

So werde sich der Mousonturm künftig auch wieder stärker in der Stadt verwurzeln. "Wir sind ein Labor. Wir haben den Auftrag, am Rande des Anerkannten zu forschen, was natürlich die Möglichkeit des Scheiterns einschließt. Dieses Forschen muss durch Künstler vor Ort passieren, gerade auch, wenn ich mich als Teil eines internationalen Netzwerks begreife."
Er, so Ewerbeck weiter, sehe die Notwendigkeit, junge Leute zu holen. "Ich werde versuchen, eine Frankfurter Familie aufzubauen, eine Szene, die sich als Familie des Mousonturms versteht", Hochschul-Absolventen, die eine erste, zweite Produktion machen.

Befruchtende Konfrontation

Es sei klar, dass sich die Szene vor Ort nur entwickeln könne, wenn sie permanent mit sehr guten internationalen Produktionen konfrontiert werde. Und nicht nur im Rahmen von kurzen Gastspielen, sondern auch von längerfristigen Präsenzen. Wenn am Mousonturm etwa das Nature Theater of Oklahoma gastiere, dann sei die Gruppe zwölf Tage in der Stadt. Dann würden Mitwirkende in Frankfurt rekrutiert, mit denen tagsüber gearbeitet wird. Davon verspricht sich Ewerbeck eine "intensive Befruchtung".

Die lange Schließung des Mousonturmes sei nötig gewesen, um den Raum für Tanz- und Performanceproduktionen so herzurichten, dass er den Anforderungen der Künstler entspriche. Auch sei ja die Zäsur eine sinnvolle sache, wenn ein neuer Leiter anfange.

Ihn selber, so Ewerbeck, habe "nie wirklich das Sprechtheater interessiert". Sondern Formen, offene Formate, in denen "die Zeichenhaftigkeit von Körpern, von Bewegung, die Sprachlichkeit von Bewegung eine ganz große Rolle" spiele. Das Erkenntnispotential von Kunst, von dessen Existenz er überzeugt sei, entstehe nur, wenn man Themen von verschiedenen Seiten angehe. Aber er sei auch überzeugt, dass man die Lust des Publikums am aktiven Mitdenken unterstützen könne. Gerade der nicht-sprachliche Bühnendiskurs brauche "gewisse Brücken". Doch die Kunst habe das Potential, "gesellschaftlich zu verändern". Das klinge naiv – und sei es vielleicht auch –, aber wir sähen doch alle, wie eine einseitige Wissenschaftsgläubigkeit den Karren hat vor die Wand fahren lassen.

(jnm)

 

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