Fürst und Kollektiv

Mannheim, 7. Dezember 2012. In der Frankfurter Rundschau erklärt Peter Michalzik den Konflikt, den es um eine neue Führungsstruktur gibt, seit die bisherige Generalintendantin des Nationaltheaters erkrankte und ihr Amt zur Verfügung stellte. "Er ist von überraschender Heftigkeit und wird mit Ausdauer geführt." Auf der einen Seite steht Mannheims  Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD), der "ein kollektives Führungsmodell aus einem geschäftsführenden und vier Sparten-Intendanten, Oper, Schauspiel, Ballett und Jugendtheater" präferiert, entworfen vom ehemaligen Stuttgarter Intendanten Hans Tränkle. Auf der anderen Seite kämpft die CDU und die Mannheimer Liste mit Stadtrat Achim Weizel, der auch Vorsitzender der Freunde des Nationaltheaters ist, und dem ehemalige Generalintendanten Ulrich Schwab für das Generalintendantenmodell.

Auch in anderen Städten würden gerade Intendantenposten neu besetzt, weitaus geräuschloser. "Woran also liegt die Heftigkeit, mit der gerade in Mannheim diskutiert wird?", fragt Michalzik. Etwa "daran, dass das Theater für das Selbstverständnis der Stadt eine große Rolle spielt. Theaterfragen wecken in Mannheim Emotionen, die Bindung ans Haus ist höher als anderswo." Michalzik nennt drei weitere Motive: 1. Die "Generalisten" kämpfen mit ihren Modell für "jenes Theater, wo 'Ring' oder 'Faust' immer noch den Gipfel darstellen", also: "das Theater der Repräsentation, des Glanzes". 2. Für Ulrich Schwab stünden zudem "seine Lebensleistung, sein Lebensmodell und sein Erbe" auf dem Spiel: "Glaubt man an die einzigartigen Fähigkeiten einer überragenden Persönlichkeit, dann kann tatsächlich nur die, wie ein idealer Fürst, ein solches Haus leiten." 3. versuche die CDU, so "dem makellosen Image des Oberbürgermeisters ein paar Flecken zu verpassen".

Da sich im jüngsten Kulturausschuss der Stadt keine der Parteien durchsetzen konnte, beginne jetzt die Suche nach einer Lösung. Obwohl Michalzik zunächst beide Modelle neutral gegenüberzustehen scheint ("Das eine Modell baut auf Charisma, die integrative Kraft einer Persönlichkeit: es ist das Patriarchenmodell. Das andere Modell baut auf die Kommunikationsfähigkeit eines Teams: das Kollektivmodell."), neigt er sich gemeinsam mit dem deutschen Bühnenverein zu letzterem: "Das Mannheimer Theater ist ein großes Haus, und es ist tatsächlich fragwürdig, ob man es aus einer Hand sinnvoll künstlerisch führen kann. In fast allen größeren Städten sind die Theaterbereiche längst getrennt und haben eigene Intendanten."  So beantworte sich die Mannheimer Intendantenfrage eigentlich von alleine: "Will man in der ersten Liga mitspielen, sollte man eine Aufteilung der Verantwortung ins Auge fassen. Mit der Entscheidung für den Generalintendanten würden die Mannheimer dagegen deutlich machen, dass sie die Fürstentümer wie in Zeiten der Kleinstaaterei bevorzugen."

(geka)

Kommentare  
Presseschau Mannheimer Konflikt: historische Beispiele
Nein, die Entscheidung für einen Generalintendanten bei einem so großen Haus, impliziert nicht gleichzeitig einen Rückschritt in die Kleinstaaterei!
Ein Haus wie Mannheim, mit wohl weit über 500 Beschäftigten, wo jeder, der nicht einer der 4 Sparten explizit zugeordnet ist, auch einen gemeinsamen obersten Organisator braucht, bleibt wohl selbstverständlich.
Aber auch 4 neue Intendanten müssten sich verstehen, um mit den gegebenen Ressourcen, gemeinschaftlich umzugehen. Fraglich, ob man da nicht zusätzliche Leute braucht?
Oder will man in Zeiten der knappen Kassen hier auch einen, für jede Sparte eigenen, neuen Verwaltungsparat aufbauen? Das würde wohl sehr teuer werden!
Ich habe als Literaturwissenschaftler und Theatergänger/beobachter erleben dürfen, wie in Berlin gleich zweimal (beide male waren es je 4 Intendanten einem Haus) in den 90iger Jahren (auch wenn es sich hier jeweils auch um 2 Einsparten-Häuser handelte), sich eine Katastrophe anbahnte. Und zwar nach kurzer Zeit!
Das Berliner Ensemble hat es überlebt und nun wieder ein Mann an der Spitze - Claus Peymann.
Das berühmte Schillertheater flog künstlerisch auseinander und wurde letztendlich für immer geschlossen!
Presseschau Mannheim: Realität der Mehrspartenhäuser
Nein, Frank. Nein. Die Schillertheaterkeule muss jetzt wieder weggesteckt werden, denn es geht um etwas völlig anderes.

Die Fragen, denen sich die Mannheimer Politik dankenswerter Weise gerade stellt, sind vielmehr: Wie zeitgemäß ist das traditionelle Modell, ein Mehrspartenhaus von nur einem Künstler leiten zu lassen? Woher nehmen wir den "Generalisten", der es schaffen kann vier sehr unterschiedliche Sparten gleichzeitig zu denken? Warum muss man ein Theater alle paar Jahre beim Wechsel des Generals einem kompletten personellen Umbau unterziehen?

Die Realität der großen Mehrspartenhäuser ist doch ohnehin: der Generalintendant kümmert sich um seine Sparte (Oper oder Schauspiel) und delegiert die künstlerische Arbeit der anderen Sparten an die jeweiligen "Direktoren", "Spartenleiter", "Chefs" oder wie immer sie heißen, ohne diese allerdings mit der letztendlichen Entscheidungskompetenz ausstatten zu können. Solange alles gut geht - fein. Sobald es zu Konflikten kommt, gar nicht fein, denn aus einer gedachten künstlerischen Umabhängigkeit wird schnell ein unangenehmer Verteilungskampf, bei dem sich der Intendant (und damit "seine" Sparte) gegen alle anderen durchsetzen wird.
Nebenbei gibt es natürlich auch einfach extreme Unterschiede in der Arbeit von Oper / Schauspiel und Tanz und auch in der Mentalität der jeweiligen Künstler - die man kennen muss, um ein Haus gut zu leiten.
Die ersten Jahre einer Generalintendaz werden gern einmal vertändelt, weil sich der Intendant in künstlerische Prozesse einarbeiten muss, die ihn gar nicht wirklich interessieren. Damit ist er gezwungen eine Verantwortung zu schultern, der er nicht gewachsen sein kann. Das führt zu (organisatorischen) Fehlentscheidungen, die dann auf dem Kosten der Mitarbeiter korrigiert werden müssen. Diese Reibungsverluste kann man allerdings durch Trennung der Sparten in jeweils "eigene Theater" verhindern und so Ressourcen für die künstlerische Arbeit freisetzen.
Und es sei erinnert, es geht in Mannheim gerade nicht um eine "Teamleitung" sondern um eine Übertragung der Modelle aus Stuttgart oder Essen. Diese Theater arbeiten seit Jahrzehnten ohne General und das so reibungslos, dass es fast langweilig ist. Aber in beiden Städten konnten die Sparten eine jeweils eigene Indentität aufbauen.
Presseschau Mannheim: mit 7:5 Stimmen
als mitglied des kulturausschusses der stadt mannheim kann ich ihnen versichern, dass mit 7:5 stimmen entschieden wurde, dass derzeit auf die suche nach einer generalintendanz verzichtet wird. mit diesem beschluß wurde der weg für das "kollektivmodell" freigemacht. mit freundlichen grüßen aus der theaterstadt mannheim.
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