Ernst mit der Komik

21. Dezember 2012. Am Wochenende hat Herbert Fritschs Inszenierung von Der Revisor in München Premiere. Im Interview mit Christine Dössel spricht er in der Süddeutschen Zeitung, wie es zum Berufswechsel vom Schauspieler zum Regisseur kam und warum Komik eine ernste Angelegenheit ist.

Bühnenschreck zu sein war eine zeitlang das einzige, was er konnte, so Herbert Fritsch, dieses Image habe er gepflegt. "Ich habe bei Castorf an der Volksbühne zum Teil derart improvisiert, dass die Kollegen nicht mehr weiterspielen konnten, die waren oft schwer genervt von mir. Ich hatte es grundsätzlich darauf angelegt, die Zuschauer so aufzuregen, dass sie dazwischenrufen." Es habe ihm Spaß gemacht, vom Kopf her die Leute vorzuführen und mit ihnen zu interagieren. "Aber das war zu einer anderen Zeit." Heute rege ihn das nicht mehr auf, "ich will jetzt die Form".

Fritsch hatte die Volksbühne 2006 verlassen. Jetzt ist er zurück und rockt das Haus. Zu dem Berufswechsel kam es, so Fritsch, weil er als Schauspieler immer darunter gelitten habe, "dass man nicht zur Verantwortung gezogen wird. So nach dem Motto: armer Schauspieler, böser Regisseur. Ich habe aber immer schon extrem gestalterisch mitgewirkt, bei Castorf hatte ich totale Freiheit. Warum also nicht selber inszenieren?"

Der Grundansatz für vieles, was er mache, sei das Gesetzesbruch, der Regelverstoß. "Ich habe schon in den 80er-Jahren selber Filme gemacht und sehr seltsame Hörspiele, mit nur so Gekreische und Gestotter. Oder mein Langzeitfilmprojekt 'Hamlet X' - wer da alles als Schauspieler bei mir aufkreuzt! Immer, wenn ich Regie führte, habe ich mich mit allen Schauspielern gut verstanden. Als Schauspieler unter Schauspielern war das anders, da war ich ein Einzelgänger und habe darunter auch sehr gelitten. Seit ich Regisseur bin, habe ich das Gefühl, ich bin im Theater angekommen."

Um die Komödie zu retten, müsse man an der Bruchstelle wieder ansetzen. "Also auch bei der Scham von Schauspielern. Das ist eigentlich eine ziemlich ernste Angelegenheit mit der Komik. Es wurde so viel vernichtet." Mit Sprache anders umzugehen, interessiere ihn. "Was wir ringsum erleben, ist doch auch nur inszenierte Realität: Wie die Menschen sich verhalten, was sie kaufen. Da ist es doch interessant zu sagen: Ich spreche jetzt mal ganz anders."

 

Kommentare  
Fritsch in der Süddeutschen: unkollegial?
Wenn Herr Fritsch Frau Dössel erklärt, warum er nicht nur Regisseur sondern auch Bühnenbildner geworden sei, stockt einem der Atem vor soviel Chuzpe: seine pure Geldnot sei es gewesen, da die Regiegagen an "kleinen Bühnen" (Oberhausen, Magdeburg, Schwerin) so klein seien. Fritschs Anteil an den Bühnenbildern mag wohl eine Idee von ihm sein. Wie beim erwähnten Oberhausener "Tartuffe". Das geht in Ordnung. Dann aber machen seine ungezählten sogenannten "BühnenbildmitarbeiterInnen" oder AssistenTinnen selbstverständlich die genaue, fachliche und kreative Detail-Arbeit, für noch deutlich weniger Honorar - um nach der Produktion alsbald von Fritsch ebenso selbstverständlich übersehen zu werden. Der merkt das in seinem Künstler-Ego vermutlich nicht mal. Höflich formuliert: das ist einfach unkollegial.
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