Leipziger Unterschrift

25. Januar 2013. Zum Abschied von ihrem Centraltheater Leipzig veranstalten Sebastian Hartmann und sein Chefdramaturg Uwe Bautz ab März "Festwochen" – und gestalten den Theaterraum dafür radikal um. "Wir wollen ein 360 Grad-Gefühl schaffen", sagt Sebastian Hartmann im Interview mit Charlotte Töwe und Tobias Prüwer vom Leipziger Stadtmagazin Kreuzer. "Der Hintergedanke ist (…), dieses Gegenüber von Zuschauerraum und Guckkastenbühne aufzuheben, also die Fiktion von Welt, die Theater mit seinen Bildern schafft, und die Abtrennung von den auf gepolsterten Sitzen berieselten Zuschauern." Das könne man auch als Bild dafür nehmen, was das Problem von Stadttheater im Moment sei, "im Gegenüber als Ihr und Wir", sagt Uwe Bautz.

"Was wir hier von Anfang an machten", sei, so Bautz, "die Frage nach dem Schauspieler als Künstler überhaupt zu stellen. Wer spielt?" Diese Idee stecke ja auch in der "Leipziger Handschrift", für die Sebastian Hartmann stehe. Diese Handschrift, so Hartmann, die ja nicht bei ihm allein entstanden sei, sei begehrt: "Tatsächlich fragen Theater an, ob ich diese Produktionsform mitnehmen kann." Und wie er höre, fingen auch andere Theater an, diese Arbeitsweise auszuprobieren.

Hält die Krise des Stadttheaters an, fragt der Kreuzer. Und Sebastian Hartmann sagt: "Ich kann mich nicht erinnern, wann unsere Gesellschaft mal nicht in der Krise gewesen wäre." In dieser dauerhaften Umbruchsituation mit Hochgeschwindigkeit bewege sich auch das Theater. "Vielleicht reichen unsere jeweils persönlichen dramatischen Strukturen für so einen Wandel nicht aus – das untersucht ja gerade das Theater. Und da geht es weniger ums Theater als Institution, sondern den Prozess zwischen den Körpern auf der Probe. Da geht es um Demokratie, Schaffen, Kreation."

Inzwischen möge er das Wort Stadttheater "auch wieder ganz gern". "Wir sind angekommen mitten in der Stadt. Auch wenn es nach wie vor nicht genügend Leute gibt, die in dieses Theater gehen, was mich schmerzt." Er habe im übrigen sehr gern als Intendant auch Stadttheater gemacht, habe mit Freude Weihnachtsmärchen verantwortet und "die unglaublich große Jugendarbeit im Spinnwerk".

"Es ging nie darum, über 20 Jahre eine Ära zu bestimmen. Wir wollten einen Impuls setzen", sagt Hartmann außerdem abschließend. Das Leipziger Schauspiel, unter seiner Ägide Centraltheater, (das ab der kommenden Spielzeit Enrico Lübbe künstlerisch leiten wird) befinde sich "in einer historisch schwierigen Situation". "Vielleicht lernt das Publikum, dass auch ein Wechsel etwas Interessantes ist? So etwas dauert. Und für uns geht die Reise einfach weiter." Sie beide ziehe es jetzt "in die Welt".

(sd)

Mehr zur Krise des Stadttheaters? Hier.

Kommentare  
Presseschau Hartmann: Ihr und Wir
also falls das Gegenüber von Ihr und Wir tatsächlich ein "momentanes Problem" sein sollte, war das denn im Theater jemals wirklich anders? Und warum sollte es jetzt "im Moment" plötzlich auf eine besondere Art ein Problem sein, anders als vor 2500 oder 400 oder 150 oder 50 Jahren? Verstehe ich nicht...
Kommentar schreiben