Presseschau vom 6. Februar 2013 - Die Neue Zürcher Zeitung blickt zurück auf Karin Beiers Intendanz in Köln
Ein wichtiges Versprechen
6. Februar 2013. Dass die Sanierung des Kölner Schauspiels überhaupt durchgesetzt werden konnte, sei vielleicht das größte Geschenk, das Karin Beier ihrer Heimatstadt nach sechs Jahren Intendanz hinterlässt, bilanziert Hans-Christoph Zimmermann in der Neuen Zürcher Zeitung.
Die Durchsetzungsfähigkeit von Beier habe darin begründet gelegen, dass ihr Haus bereits nach zwei Spielzeiten künstlerisch unangreifbar gewirkt habe. "Dafür verantwortlich: zunächst die Intendantin selbst mit einem Kurs zwischen politischer Stellungnahme, ästhetischer Qualität und formaler Innovation." Beiers Interesse an zeitgenössischer Dramatik sei gering gewesen. "Ihre Domäne blieben die Klassiker von Hebbel über Shakespeare bis zu Euripides."
Dass Beier eine Newcomerin auf der Intendantenposition war und parallel zu der Herausforderung auch noch mit ihrem Lebensgefährten ihre Tochter grosszog, nötige Respekt ab. "Dass aus dem Haus gelegentlich Klagen über einen ziemlich ruppigen Umgangston zu hören waren, gehört allerdings auch dazu." Dass die Besucherzahlen im Durchschnittsbereich eines Schauspielhauses verharrten, sei typisch für Köln: "Die Stadt hält Spitzenklasse für ihr Naturrecht und sonnte sich wohlig im Glanz seiner Intendantin – ohne deshalb gleich das Schauspielhaus zu stürmen."
Wirklich kritisch wird Zimmermann erst am Ende: Ein Versprechen nämlich habe Karin Beier nicht eingelöst, "und das besitzt über den individuellen Fall hinaus signifikanten Charakter." Der Kölner Kulturdezernent Georg Quander hätte die heute 47-Jährige auch deshalb engagiert, weil er sich für die multikulturelle Stadt am Rhein eine stärkere Einbindung von Migranten in die Kulturinstitution Theater erhoffte. "Im Vorfeld hatte Beier vollmundig mehr Kopftücher im Publikum angekündigt. Sie engagierte zahlreiche Schauspieler mit Migrationshintergrund, setzte Stücke auf den Spielplan, die sich mit der Zuwanderungsgeschichte von Köln beschäftigen, lud Initiativen ins Haus ein – und musste schliesslich ihr Scheitern eingestehen." Dass eine zentrale Kulturinstitution in einer Stadt mit einem Migrantenanteil von nahezu dreissig Prozent hier nicht vorankomme, gebe zu denken. "Daran wird auch Beiers Nachfolger Stefan Bachmann sich messen lassen müssen."
(sd)
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(ein abendgruß an alle echten theaterprofis in nah und fern, die gustaf "den Oberprofi" gründgens mit einem "v" schreiben.
jnm)