17. Februar 2013. Man würde diesen Monolog heute gerne nochmal von ihr sehen: Barbara Nüsse in James Joyce's "Ulysses" als Penelope alias Molly Bloom. Wie sie da zwei Stunden alles rauslässt, das Druckventil öffnet, während sie auf den Mann wartet, der nach seinem langen Tag in Dublin morgens zu seiner Frau heimkehrt. Irgendwann in den 90er Jahren war das in Hamburg, wo man um Nüsses Molly-Penelope nicht herumkam, wenn man Theater sehen wollte. Sie gehörte seinerzeit zum Ensemble des Deutschen Schauspielhauses unter Frank Baumbauer, aber war, so scheint es im Nachhein, vor allem an den Hamburger Kammerspielen präsent.

faust5 arno declairBarbara Nüsse im "Faust" © Arno Declair

Schon damals hatte Barbara Nüsse bereits mehrere Leben als Schauspielerin hinter sich. Mittlerweile ist ein weiteres hinzugekommen. Neuerdings ist sie eine feste Größe am jetzigen Hamburger Thalia Theater unter Joachim Lux. Immer für eine Überraschung gut: In Luc Percevals Hamlet spielt sie Polonius als geifernden Krüppel im Rollstuhl. In Draußen vor der Tür rattert ihr Oberst wie eine Maschine, während sie dem Kriegsheimkehrer zuredet, menschlicher zu werden. Und ihr unaufgeregter Mephisto mit Neon-Teufelshörnern in Nicolas Stemanns Faust ist eines der Bilder, die einem in Erinnerung bleiben. Man könnte diese Auftritte als skurril bezeichnen, wenn sie die Rollen nicht immer auch zutiefst existenziell grundieren würde und die inneren Versehrtheiten nicht stärker als die körperlichen wirken ließe. Heute wird sie siebzig Jahre alt, und man kann sie sich in ihrer Vitalität und Entdeckungsfreude sehr zum Vorbild nehmen, chapeau. (sik)

 

Kommentare  
Barbara Nüsse: Empfehlung
Aktuelle Ergänzung zu Lob & Ruhm der Schauspielerin Barbara Nüsse, anlässlich des 70. Geburtstages, den sie im Februar vorigen Jahres feierte - das "Wiedersehen" mit dem "Penelope"-Monolog, also dem legendären letzten, dem "Molly Bloom"-Kapitel aus dem "Ulysses" von James Joyce, erarbeitet von Barbara Nüsse mit dem Regisseur Ulrich Waller und der 1989 verstorbenen Bühnen- und Kostümbildnerin Gisela Köster bereits 1986 auf dem damals noch recht frisch von den Freien Gruppen eroberten Kampnagel-Gelände in Hamburg, ist jetzt in der Tat möglich! Waller, inzwischen (nach großen Jahren an den Hamburger Kammerspielen) Chef im St.-Pauli-Theater, hat in der Neu-Inszenierung hinter die nunmehr lesend spielende Barbara Nüsse den Video-Mitschnitt von damals gesetzt; gelegentlich schaut die Schauspielerin sich nun sogar selber beim Spielen damals zu. Die damals auch optisch forcierte Erotik des furiosen (Männer)-Textes über das Werden und Immer-mehr-werden einer Frau ist jetzt komplett in die Sprache zurück genommen, bleibt aber im Video sehr präsent. Der Molly-Bloom-Monolog bleibt monströs schön wie er war; und in der Wieder-Eroberung des Materials machen Nüsse und Waller zudem immer auch den Abstand von bald 30 Jahren kenntlich - grundsätzlicher und klüger ist das Wiedersehen mit sich selber kaum auf den Punkt zu bringen. "Penelope" von heute und damals in einem ist mit der Saisoneröffnung im Hamburger Thalia Theater Teil des Spielplans geworden - mit der jetzt 71jährigen Ausnahmeschauspielerin im Dialog mit sich selber. Unbedingt ansehen!
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