Alptraumrolle Lear

8. März 2013. Für die Süddeutsche Zeitung hat Christine Dössel den Schauspieler und "Sprachziselierer" André Jung porträtiert, der an den Münchner Kammerspielen unter Intendant Johan Simons nun den Lear spielt. Dieser "leise, stets etwas scheu wirkende Schauspieler" habe nichts "Staatstragendes" an sich, wirke eher "wie der Schreiner von nebenan". Der "Lear" sei für ihn eine "'Alptraumrolle!'", das Stück "ungeheuer 'belastet', da schon so oft inszeniert und interpretiert", zitiert Dössel den 59jährigen. Er werde als Lear "sicherlich 'aktiver' sein (...), als man es von dieser Figur gewohnt sei". Vielleicht begründe eben dies Lears Fehlverhalten: "'dass er noch gar nicht reif ist fürs Abgehen'".

Ursprünglich habe der aus Luxemburg stammende Jung, der im Laufe seiner Karriere in den Ensembles von Marthaler (Zürich) und Baumbauer (Hamburg, München) glänzte und privat leidenschaftlich gern kocht, Bauer oder Tierarzt werden wollen. Stattdessen sei er nun "einer der besten, sensibelsten und bewunderungswürdigsten Schauspieler im deutschsprachigen Theater", ein "formidabler Sprecher, einer, der seine Sätze besonders fein und rhythmisch ausdrucksvoll zu strukturieren und zu intonieren versteht", so Dössel.

Jung hat, beschreibt sie, "eine ganz eigenartige, feinnervige, manchmal fast flirrend berückende Präsenz. Dick aufzutragen hat dieser Mann der leisen Töne nicht nötig, nie trumpft er auf, hebt er ab, verliert er den Boden – er ist das Gegenteil einer Rampensau, ein Meister der Konzentration und Reduktion." Sein Spiel sei immer "von hoher Eleganz. Er kann mit dem galanten Fingerspiel seiner Hand ganze Subtextladungen mittransportieren, mitdirigieren, während seine Stimme oft klingt wie gefährlicher Gesang." Seine Intensität sei "so mitreißend, dass die meisten ihn für einen Bauch- und Identifikationsschauspieler halten", was er jedoch strikt abwehre. "Er besteht darauf, 'auch mit ganz intensiver Gedankenarbeit auf der Bühne Wirkung erzielen zu können'."

(ape)

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