"Ist nicht eh alles wurscht?"

16. Juni 2013. In der Berliner Zeitung (14.6.2013) wirft Dirk Pilz noch einmal einen Blick auf das weiblich dominierte Programm der Autorentheatertage am Deutschen Theater: Dass zehn von insgesamt 15 deutschsprachigen Inszenierungen Stücken von Frauen gegolten hätten, habe das DT zu der "interessanten Feststellung veranlasst", dass die Frauen "langsam aber sicher die führende Rolle in der Gegenwartsdramatik" übernähmen. Pilz: " Das begrüßen wir, denn viel zu lange wurde das Publikum mit Stücken bräsiger und überschätzter Männer gequält."

Stammelstummel

Ob allerdings die Stücke der Frauen, wie vom DT behauptet, "kompromissloser als auch zupackender" seien als Stücke von Männern? "Wunderland" von Gesine Danckwart etwa sei einfach ein "interpunktionsloser Stammelstummelsatztext", der unter dem "seltsamen Zwang" leide, sich selbst seiner "Hochkunsthaftigkeit zu versichern". Cilli Drexels Inszenierung arrangiere diese "Textmasse" zu einem "Etüden-Etwas". Man schaue sich's an und denke: "Ist nicht eh' alles wurscht?"

Wettbewerb der Überzeichnung

"Ich wünsch mir eins" von Azar Mortazavi habe das "substanzielle Anliegen", das "Fremdsein einer Fremden unter Fremden", zu verdeutlichen. Annette Pullen am Theater Osnabrück habe leider geglaubt, die Szenen "knallfarbig fetten zu müssen". Das Ergebnis: halbnackt herumkeuchende Schauspieler, halbecht brüllend, wenn es um Verzweiflung geht. Man habe den Eindruck, "einem Szenenwettbewerb der Überzeichnung beizuwohnen".

Trost

Allein Elfriede Jelinek vermöge hier zu trösten. "Schatten (Eurydike sagt)" gehöre nicht zu ihren stärksten Texten, doch selbst die "schlappe Gummihammermethode", mit der Matthias Hartmann am Wiener Burgtheater den Text weich zu klopfen hoffte, habe ihm nicht die "Wut", die "Selbstironie" und den "philosophischen Pfiff" ausgetrieben.

(jnm)

Kommentare  
Presse ATT, DT Berlin: einfach mal Männer-Klappe halten?
kann pilz nicht einfach mal die klappe halten wenn es um frauen geht. kriegt sein unterschied gleich eine kleine krise wenn er eine "interessante feststellung" des dt liest. und muss es ein weiterer merck-mann zusammenfassen, weil sich dafür keine nk-frau gefunden hat?
Presse ATT, DT Berlin: leider hat der Mann Recht
@LE Pilz hat aber leider Recht. Muss man(n) so sagen.
Presseschau ATT, DT Berlin: Vetternwirtschaft
Dirk Pilz hat in der Berliner Zeitung über 3 von 15 Gastspielen geschrieben und daraus ziemlich oberflächliche Schlüsse gezogen. Wirklich nur ein journalistisches Gelegenheitsstückchen... Dass aber nun Nikolaus Merck seinen NK-Kollegen damit gleich eine "kleine Bilanz" ziehen lässt, ist ja wohl ein schlechter Witz. Oder einfach Vetternwirtschaft?
Presseschau ATT, DT Berlin: paternalistisch
Ist zupackende (?!) Kompromisslosigkeit, ist Kompromisslosigkeit wirklich so interessant? Und wenn ja, warum? Und hat eigentlich mal einer vom DT die Dramatikerinnen selbst gefragt, ob sie mit der Ihnen zugeschriebenen "führenden Rolle" einverstanden sind? Für mich klingt diese Formulierung furchtbar parternalistisch und gönnerhaft. Dass gerade über solche Formulierungen strukturelle Machtfragen wunderbar verdeckt und mit leeren Floskeln zugeschmiert werden können, fragt sich das hier eigentlich auch mal jemand? Und sowieso, ob nun von einem Mann oder von einer Frau geschrieben, entscheidend sind doch wohl immer nur die Texte selbst.
Presseschau ATT, DT Berlin: was ich vermisse
Die ganze frauenförderung schadet (a) den Männern und (b) den Texten, denn die richtig guten Texte schreibt ja keiner mehr - Lest mal, was TdZ im Juni an Stücken abgedruckt hat - ich bin bei jedem der drei schon in der zweiten Zeile eingeschlafen und das obwohl ich mich zwang bis zur 23 verszeile durchzuhalten - die waren alle drei schlecht - nee, ich ziehe mich nur noch zurück, und übersetze weiter, aus dem griechischen ins deutsche ... da habe ich genuss, gibt es tragische Orgasmen in Fülle - Orgasmen, ist etwas, dass ich in Gegenwartstexten vermisse, es gibt rumgespritze, aber keine rgasmen, Inga, vielleicht ist das ja das Problem?
Presse ATT, DT Berlin: Frage
Eine Frage noch: Warum heißt das hier eigentlich "Presseschau ATT", wenn nur die Berliner Zeitung vorkommt? Tagesspiegel etc. haben doch sicher auch schon irgendeine "Bilanz gezogen"??
Presse ATT, DT Berlin: Identitäten
Hallo IM lustig !
Man könnte ja meinen ich hätte geschrieben . Das ist ja toll ! Ja , Inga ! Ist das das Problem
?



Kollege
Presse ATT, DT Berlin: Nach Beschwerde ein Hinweis
@ ATT-Beobachterin
Der Tagesspiegel scheint im Laufe des ATT das Interesse an der Veranstaltung verloren zu haben. Es gibt nur einen Artikel von Christine Wahl vom Beginn. http://www.tagesspiegel.de/kultur/autorentheatertage-berlin-alphamaedchen-mit-testosteron/8304738.html
"Alphamädchen mit Testosteron" heißt es da, klingt ja fast so ähnlich wie "führende Rolle in der Gegenwartsdramatik".
Heute ist was in der Süddeutschen drin. Fazit des Perlentauchers: „Mounia Meiborg fragt sich bei den Autorentheatertagen in Berlin beinahe, warum man ihr unfertige Stücke vorsetzt, "aber dann ist wieder Pause und es gibt Wurst, Wein und Jazzmusik."“ Zumindest letzteres stimmt in jedem Fall. Vielleicht könnte Nachtkritik das netterweise für die Nichtabonennten mal zusammenfassen. Danke.

(Das wird in Kürze geschehen. Wir tanzen heute auf einer anderen Hochzeit - jnm für die Red.)
Presseschau ATT, DT Berlin: Männer-Klischee
@ IM Lustig: Mir ging es nicht um das Thema "Rumgespritze versus Orgasmen". Sie tun hier ja wirklich alles dafür, um das Klischee des - Entschuldigung - schwanzgesteuerten Mannes zu bestätigen. Es sei denn, sie meinten es als Metapher, wie es zum Beispiel auch Heiner Müller formuliert. Literatur als Sprengsatz und der Schauspieler, welcher den Text auch in den Füßen hat. Der Text, der von den Füßen her hochkommt:

"Die Tradition der Kunst ist die Tradition des Rausches, und jeder Versuch von Gesellschaften, den Rausch zu unterdrücken, führt allein dazu, daß diese Energien viel monströser aus irgendeinem nicht bewachten Gully hervorschießen. Wenn die Energien, die zwischen einzelnen Menschen strömen, kontrolliert und unterdrückt werden, entladen sie sich irgendwann in furchtbaren Massenbewegungen. Daraus entstehen Katastrophen."
Presseschau ATT: runterrutschen
@Inga: Nee, klar, ich bin einer dieser bekloppten Männer, die über den Horizont ihres Schwanzes nicht hinaus denken können! Darauf bin ich übrigens sehr stolz! Strauss-Kahn hatte es ja immerhin bis zum IWF-Chef gebracht - er gehört zu der Sorte Männer, wie ich - leider Schade, dass seine Feinde ihm im Netz katholischer Werte einfangen konnten, damit SIe in Ruhe Griechenland untereinander aufteilen können und Libyen angreifen. liebe Inga, dein Muschi-gesteuerter Feminismus (wenn du Schwanz sagst, sage ich Muschi) kann mir den Puckel runterrutschen!
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