Hitze einer Stadt

13. Juli 2013. Was vorher klein war, ist plötzlich groß: einmal im Jahr wird aus Salzburg eine Festivalstadt. Christian Mayer hat sich für die Wochenendbeilage der Süddeutschen Zeitung in den Sommerzirkus der Salzburger Festspiele begeben.

"In seiner ganzen schrecklichen Schönheit kann man Salzburg nur begreifen, wenn man der Ohnmacht nahe ist. Wenn sich die Hitze so ausbreitet, dass es selbst in den schattigen Gassen der Altstadt keine Rettung mehr gibt. (...)  Man würde sich die Kleider gerne vom Leib reißen, aber das geht ja nicht, denn Äußerlichkeiten sind bei diesem hochsommerlichen Spektakel nicht ganz unwichtig", so beginnt der Aufmacher in der SZ-Wochenendbeilage, den Christian Mayer aus Salzburg schreibt. Nun verstehe man plötzlich, "warum manche Festspielgäste in klimatisierten Limousinen vorfahren, obwohl der Fußweg vom Hotel bis zur Felsenreitschule nur fünf Minuten dauert".

Der Kulissenstadt Salzburg wohne das Drama inne. Und Anfang Juni dieses Jahres habe das Drama um Alexander Pereira seinen Lauf genommen, der 2012 mit großen Hoffnungen vom Opernhaus Zürich nach Salzburg gewechselt war, aber nun im Kuratorium der Festspiele auf heftigen Widerstand stieß. "Die Gründe für den Abgang des 65-Jährigen nach den Festspielen 2014 sind für Außenstehende undurchschaubar; wie bei jeder Trennung spielen wohl Eifersucht, enttäuschte Liebe und wachsendes Misstrauen eine Rolle."

Was Pereira verkünde, würde allerdings unheilvoll klingen. "Die Salzburger Festspiele, sagt er, stünden am Abgrund, vor allem finanziell, aber nicht nur das. Falls es nicht gelinge, eine Allianz aus Staat, Wirtschaft und Privatleuten zu schmieden und Geld aufzutreiben, drohe der Stillstand, die Langeweile." Bis zu den Festspielen 2016 fehlten insgesamt 16 Millionen Euro.

"Weil Salzburg wirklich klein ist, sitzt seine schärfste Widersacherin nur ein paar Zimmer weiter." Die Präsidentin Helga Rabl-Stadler habe einige Intendanten überlebt, "nun wird die ehemalige ÖVP-Politikerin auch den großen Spendensammler Pereira überdauern. Ein wenig zu oft habe der über Geld geredet, so lautete das Urteil der eisernen Lady von der Salzach."

Fazit: "Am 1. September ist alles wieder vorbei, dann weht ein kühlerer Wind durch die Gassen, die Requisiten verschwinden im Schrank, während die Studenten im Mozarteum auf der anderen Flussseite hart daran arbeiten, auch mal im Festspielhaus auftreten zu dürfen. Dann wird Salzburg wieder das, was es in Wahrheit ist: eine Stadt, in der die Bibi, der Fuzzi, die Gucki und der Schnucki für ein paar Wochen dem Größenwahn verfallen. Und ein ganz schönes Nest."

 

 

Kommentare  
Presseschau Salzburg: das andere Salzburg
Natürlich stimmt, was Christian Mayer in der SZ über den Promirummel in Salzburg geschrieben hat. Aber es gibt auch ein anderes Salzburg. Von den achtziger Jahren bis 2010 bin ich etwa alle drei Jahre für drei bis vier Tage dagewesen. Es gibt, vielleicht besser: es gab damals durchaus preiswerte Unterkünfte und Restaurants. Im Schauspiel habe ich meistens Aufführungen von Young Directors Project gesehen. Konzentriert habe ich mich auf Kammermusik, viel Modernes, im Mozarteum und im Republic. Der Höhepunkt: die Entdeckung von Galina Ustwolskaja 2003, ein Konzert von 45 Minuten Dauer, mehr hätte man in dieser Intensität auch kaum ausgehalten. Bezahlt habe ich nicht mehr als hier in Frankfurt in der Alten Oper. Es gibt also das andere Salzburg, das natürlich vom großen Festival abhängig ist. Im Großen Festspielhaus war ich ganz selten, zu teuer. Aber für "Moses und Aron", dirigiert von Pierre Boulez, hat mir seinerzeit ein Salzburger kurz vor Beginn eine Karte zum halben Preis verkauft.
Wilhelm Roth
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