Warnung vor der Falle

11. Januar 2014. Bei einer Tagung in Berlins Deutschem Theater über Zugangsbarrieren und Konzeptionen sogenannter niedrigschwelliger Kulturvermittlung kam es zu Protesten von Menschen, die unter den Sammelbegriffen "Gruppierungen", "Milieus", "Bevölkerungsgruppen" zum Objekt der Betrachtung wurden, diese Degradierung aber nicht hinnehmen wollten.

Von Esther Slevogt

 

Berlin, 11. Januar 2014. Das eindringliche Beispiel, wie schnell gut gemeinte Kulturvermittlung ihren kolonialistischen Januskopf entblößt, brachte am zweiten Tag der Konferenz "Mind the Gap" Alexander Henschel. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Kunst und visuelle Kultur der Universität Oldenburg berichtete von einem Versuch des Bozener Museums für Moderne Kunst, Kunst zum Volk zu bringen, wenn schon das Volk nicht zur Kunst kommt. Das sozial schwache, in der Bel Etage der Hochkultur gern auch als bildungsfern wahrgenommene Volk. Eines Tages waren freundliche Museumsmitarbeiter auf die Idee gekommen, auf der anderen Seite des Flusses Etsch (beziehungsweise Adige, wie er auf Italienisch heißt und Bozen alias Bolzano nicht nur in eine deutschsprachige und eine italienischsprachige Bevölkerung teilt, sondern auch eine soziale Grenze markiert) ein kleines Museumspendant zu errichten.

Achtung: Lücke

Und so kam es, dass auf dem Spielplatz einer Wohnsiedlung ein zwei mal zwei Meter großer Kubus aufgestellt wurde, in dem nun Objekte des Museums auch jenen Bevölkerungsgruppen zur Anschauung gebracht werden sollten, die sonst niemals das Museum betreten würden. Doch statt eines Sturms auf das Museum brach ein Sturm der Entrüstung los. Nicht nur, dass für den Kubus ein Klettergerüst entfernt worden war. Auch gab es im Viertel ein eigenes Kulturzentrum, das not amused auf den feindlichen Übernahmeversuch von der anderen Seite des Flusses reagierte. Die Leute im Viertel fanden sich selber auch mitnichten so kulturlos, wie die herrschaftliche Attitüde suggerierte, mit der das Museum ihren Lebensbereich geentert hatte.

mindthegap birgitmandel alexanderhenschel 560 sle uKonferenzleiterin Birgit Mandel, Referent Alexander Henschel © sleEs war auch Alexander Henschel, der auf den Ursprung des Wortes "Kulturvermittlung" im wilhelminischen Deutschland verwies, einer Zeit also, in welcher in Deutschland der Kolonialismus blühte. Damit machte Henschel deutlich, woran das Konzept der Kulturvermittlung krankt. Dass nämlich die Vermittler erst einmal scharfe Grenzen ziehen, bevor das Vermitteln beginnt: zwischen sich selber, ihrer Mission und denen, die missioniert werden sollen. Dass also der Diskurs bereits an seiner eigenen Verfasstheit krankt.

Sportler-Demo gegen die Oper

Man kann also nicht sagen, die Veranstalter hätten nicht um die Problematik des Gegenstandes ihrer Tagung gewusst. "Mind the Gap" war sie überschrieben, vom Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim konzipiert und zusammen mit der Kulturloge Berlin durchgeführt. Die Kulturloge ist eine gemeinnützige Intiative, die seit 2009 nicht verkaufte Karten Berliner Kulturveranstaltungen an Menschen mit geringem Einkommen vermittelt. An zwei Tagen wurden im gastgebenden Deutschen Theater Zugangsbarrieren zu kulturellen Angeboten sowie Konzeptionen niedrigschwelliger Kulturvermittlung diskutiert. Die Veranstalter waren, eigenen Informationen zufolge, von Anmeldungen überrannt worden und schon sechs Wochen vor Beginn der Tagung restlos ausgebucht. Aus der ganzen Republik waren Mitarbeiter von Kulturinstitutionen, Theateröffentlichkeitsarbeiter, Museumsleute und Kulturbüroleiter angereist.

Denn die Legitimation dieser Institutionen ist fragwürdig geworden. Und damit auch ihre Finanzierung zunehmend gefährdet. In Bonn hat es Berichten eines Referenten zufolge bereits eine Demonstration von Sportorganisationen gegen die Oper gegeben, da eine einzige Opernaufführung so viel koste, wie im ganzen Jahr in Bonn für den Breitensport ausgeschüttet werde. Konfrontationen dieser Art, so Max Fuchs, langjähriger Leiter des Deutschen Kulturrates und Honorarprofessor für Kulturarbeit an der Universität Duisburg-Essen, werde die institutionalisierte Kultur nicht lange standhalten können, wenn sie nicht begänne, ihre Grundlagen zu überprüfen. Dabei gelte es auch, innere Strukturen zu reformieren, und nicht nur aus einem Selbsterhaltungsreflex heraus zu agieren.

Hochideologisches Hochkultur-Konzept

Gewiss ist die Tagung und der Ansturm auf sie an sich Indiz dafür, dass ein Nachdenken eingesetzt hat in den Institutionen der Hochkultur. Trotzdem beschlich einen während der beiden Tage immer wieder das Gefühl, dass es genau dieser Selbsterhaltungsreflex ist, der hier das (Erkenntnis-)Interesse an denen so explosionsartig gefördert hat, die man als Publikum, Kartenkäufer, also Kunden dringend für das Weiterleben benötigt. Audience Developement heißt das Zauberwort, das keiner so genau als Marketinginstrument benennen wollte. Denn Marketing, das gehört in die böse Welt des Konsums, von der sich die Künste in der Regel gerne distanzieren.

Immer wieder wurde an den beiden Konferenztagen aus ganz unterschiedlichen Richtungen thematisiert, dass bereits das Konzept der Hochkultur selbst hochideologisch und daher zunehmend problematisch ist. Kunst sei alles andere als harmlos, hatte es Max Fuchs am ersten Konferenztag formuliert. Im Gegenteil: Kunst sei ein hochgradig sozial wirksames Distinktionsmerkmal. Der auratische bürgerliche Kunstbegriff müsse sich ändern: "Nicht die Kunst ist autonom, sondern der Mensch."

Geenterte Bühne

Dass nicht nur der Kunstbegriff sondern auch manch wissenschaftlicher Diskurs dringend revisionsbedürftig ist, sprang einen während so mancher Veranstaltung im Kontext der Tagung an: Vera Allmannritter von der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg, die einen Workshop mit der schönen Überschrift "Abbau von Barrieren für bestimmte Migrantengruppen" leitete, musste sich während ihrer Präsentation der "Ergebnisse einer Migranten-Milieu-Studie zu Barrieren und Anreizstrategien" eigentlich von jedem einzelnen Begriff distanzieren, mit dem sie operierte, die sich nämlich ziemlich ausnahmslos als hochgradig ideologisch kontaminiert entpuppten und damit als zur Wahrheitsfindung gänzlich ungeeignet. Trotzdem wurde die Operation grundsätzlich nicht in Frage gestellt. So ist zu befürchten, dass am Ende nicht der Patient, sondern der Arzt tot ist. Weil er immer die anderen für die Kranken hält, statt in sich selbst den Patienten zu erkennen.

mindthegap intervention 560 sle uKritische Intervention: Die Gegenveranstaltung "Mind the Trap!" © sle

Es war dann auch kaum verwunderlich, dass diejenigen, die bei der Tagung unter den Sammelbegriffen "Gruppierungen", "Milieus", "Bevölkerungsgruppen" usw. zum Objekt der Betrachtung wurden, diese Degradierung nicht hinnehmen wollten und selbst das Wort ergriffen. Bereits zum Auftakt der Konferenz hatten Vertreter eines "Bündnisses kritischer Kulturpraktiker_Innen" in einem Akt der Selbstermächtigung die Bühne geentert und mit einer kurzen Intervention auf wesentliche Defizite des Konferenzkonzepts hingewiesen. Unter anderem darauf, dass von denen, über die geredet werden sollte, keiner eingeladen worden ist, um über sich selbst Auskunft zu geben. Geschweige denn in die Konzipierung der Tagung miteinbezogen war.

"Wir lassen euch jetzt in eurer Parallelgesellschaft allein", verabschiedeten sie sich nach einigen Minuten freundlich. Nicht ohne vorher auf eine in Planung befindliche Gegenkonferenz hinzuweisen, die "Mind the Trap" überschrieben ist und deren Konzept als work in progress am Tag darauf auf einer Pressekonferenz vor dem Deutschen Theater vorgestellt wurde. "Ich lasse mich nicht von dem Land kolonisieren, in dem ich geboren bin!", rief Cigir Özyurt vom Berliner Jugendtheaterbüro, das sich dem Bündnis angeschlossen hat. Mit Projekten wie "Kultür auf!" oder dem "Festiwalla" (die 2013er Ausgabe stand übrigens unter dem Motto "Was heißt hier bildungsfern?") im Haus der Kulturen der Welt arbeitet das Jugendtheaterbüro längst an der Schaffung neuer Wege aus der Sackgasse gegenwärtiger kulturpolitischer Notstandsgebiete. Dabei präsentierten die Planer der Gegenkonferenz auch eine Liste mit Namen, deren Träger sie als Gap-Experten gerne auf der aktuellen Tagung im Deutschen Theater gewusst hätten. Darunter Nurkan Erpulat und Shermin Langhoff, deren Karrieren man allerdings auch als Indiz dafür werten könnte, dass die Lage so hoffnungslos nicht ist, wie sie auf dem Vorplatz des Deutschen Theaters dargestellt wurde. Was jedoch niemanden in Sicherheit wiegen sollte: Hinter vielen Lücken verbergen sich nicht nur Fallen, es klaffen manchmal noch Abgründe darunter.

 

{denvideo https://www.youtube.com/watch?v=JTN3WT4lAaY}

 

Mind the Gap. Zugangsbarrieren zu kulturellen Angeboten und Konzeptionen niedrigschwelliger Kulturvermittlung. Fachtagung des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim mit der Kulturloge Berlin am 9. und 10. Januar 2014 im Deutschen Theater Berlin.
Wissenschaftliche Tagungsleitung: Birgit Mandel, Thomas Renz.

Veranstalter und Kooperationspartner
www.uni-hildesheim.de
www.kulturloge-berlin.de

Kooperationspartner
www.deutschestheater.de
www.kupoge.de
www.paritaet-berlin.de

Förderer
www.bundesregierung.de

Gegenveranstaltung
mindthetrapberlin.wordpress.com

 

Konferenzleiterin Birgit Mandel, Professorin an der Universität Hildesheim, legte im Kontext der Hildesheimer Thesen vergangenes Jahr dar, wie interkulturelles Audience Developement Relevanz stiften kann.

 

mehr debatten

Kommentare  
Mind the Gap, Berlin: deutsche Benennung?
Na wie wärs denn damit, erst einmal eine Veranstaltung in Deutschland von deutschsprechenden Menschen für deutschsprechende Menschen über deutschsprechende Menschen deutsch zu benennen - das hätte sich als erstes für ein solches Thema gehört. Es verschlägt einem die Sprache angesichts solcher Entgleisungen
Mind the Gap, Berlin: Video-Link
Für alle Interessierten hier ein link zu einem Video, durch das die Intervention im Deutschen Theater dokumentiert ist.

https://www.youtube.com/watch?v=JTN3WT4lAaY
Mind the Gap, Berlin: Radio-Link
Und hier gibt es einen link zum RBB Kulturradio. Auch dort gab es einen Bericht über die Tagung und die Intervention. Der entsprechende Mitschnitt der Sendung ist allerdings nur bis zum 16. Januar 2014 verfügbar. (Zu finden unter der Überschrift: Mind the Gap)

http://www.kulturradio.de/zum_nachhoeren/kultur-aktuell/kultur_aktuell.html
Mind the Gap, Berlin: Mind the Trap!-Rede
Und hier, verschriftlicht, die Rede, die im Rahmen der Intervention gehalten wurde.


9.Januar 2014, Deutsches Theater Berlin


Liebes Publikum,

herzlich willkommen zu MIND THE TRAP!. Als wir Menschen mit den Labels “junge Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund aus nicht westlichen Ländern, Menschen mit Behinderung und Menschen mit geringen Einkünften” den Flyer, ich meine das Faltblatt, von MIND THE GAP! angeschaut haben, fanden wir es sehr rührend und niedlich, dass die Veranstalter_innen darauf gekommen sind, dass es Zugangsbarrieren gibt. Ein ambitionierter Versuch, etwas zu verändern. Uns sind jedoch einige erhebliche Traps aufgefallen. Deswegen wollten wir, ein Bündnis von kritischen Kulturschaffenden, es uns nicht nehmen lassen und dazukommen. Sie haben uns nicht nur nicht eingeladen, wir sind trotzdem gekommen. Wir sind gekommen, um euch eine helfende Hand zu reichen und kostenlos Nachhilfe zu geben, man könnte es auch Entwicklungshilfe nennen.

Wir haben uns gewundert, dass es den Begriff Hochkultur noch gibt. Anscheinend sind einige Menschen, mit Ressourcen der sogenannten Hochkultur ausgestattet, so hoch geklettert, dass sie mittlerweile mit einem großen Abstand von oben herabblicken und dadurch in eine Kulturferne gerückt sind, aus der sie alleine nicht mehr zurückfinden. Wir haben uns gefragt, warum hier keine Menschen of Color referieren, keine Menschen, die aus der Praxis kommen, keine Menschen, die in der Praxis mit wenig Einkommen leben müssen, keine Expert_innen mit Behinderung etc. Schlichtweg sind hier keine Betroffenen als Expert_innen eingeladen. Das monokulturelle Biotop redet mal wieder über uns, um sich am Leben zu erhalten. Wir haben uns gefragt, warum eine Tagung, in der es um Zugangsbarrieren geht, 40 Euro kostet, keine Gebärdendolmetscher_innen bereitstellt, nicht in andere Sprachen übersetzt und keine Kinderbetreuung anbietet. Wir haben uns gefragt, warum Jugendliche, um die es hier auch geht, nicht teilnehmen können, da diese Tagung zu einer Uhrzeit stattfindet, in der Jugendliche meistens in der Schule sind.

Und wir haben uns gefragt, warum die Diskriminierung von Menschen an Kulturinstitutionen aufgrund von Rassismus, Sexismus, Klassismus, Ableismus etc. nicht beim Namen genannt wird. Fallen über Fallen, die Schwellen sind hoch, wie sie sehen, meine Damen und Herren und alle, die sich anders definieren.

Um es ihnen einfacher zu machen, an der Gesellschaft im 21. Jahrhundert zu partizipieren, haben wir uns überlegt, wie wir ihnen ein niedrigschwelliges Angebot machen können und haben eine alternative Fachtagung mit dem Titel MIND THE TRAP! konzipiert. An dieser Veranstaltung werden Expert_innen, die hier leider fehlen und zuhauf vorhanden sind, teilnehmen. Wir haben uns sogar die Zeit genommen, für Sie eine Liste mit Referent_innen zu erstellen, die man einladen hätte können.

Wer mehr über diese Intervention erfahren möchte, ist morgen um 14 Uhr herzlich eingeladen, vor das Deutsche Theater zu kommen und uns bei unserer Stellungnahme bzw. Pressekonferenz zu besuchen.

Sie haben uns nicht nur nicht eingeladen, wir gehen jetzt auch wieder und wünschen euch viel Spaß dabei, über uns zu reden und nicht mit uns. Wir lassen Euch nun in eurer Parallelgesellschaft alleine.

Mit freundlichen Grüßen

Das Bündnis MIND THE TRAP!
Mind the Gap, Berlin: Dialogbereitschaft
Die Bündnis-Leute hatten ihre starken Punkte und waren ein ziemliches Glück für diese Konferenz, die mal wieder ein gutes Beispiel dafür bot, daß die Wissenschaft längst weit hinter die gesellschaftliche Entwicklung zurückgefallen ist. Was aber irritiert, ist diese aggressive "Rübe-ab"-Mentalität bei einigen Bündnis-Leuten, so ein unterschwelliger Haß, der keine Bereitschaft zur Differenzierung erkennen läßt. Das ist dann zum Teil auch zum Fürchten und in dieser Blindwütigkeit offenbart sich letztlich eine Underdog-Mentalität. Das gilt zwar nur für ein paar wenige, aber da es die sind, die ihre Stimmen am schrillsten erhoben haben, prägten sie stark das Bild. Die möchte man dann mit dieser politischen Unreife und Aggressivität auch nicht wirklich an Entscheiderpositionen sehen. Das ist schade, denn im Prinzip sind die vorgetragenen Argumente gewichtig. Aber es gehört auch Dialogbereitschaft dazu, wenn man zum Ziel kommen möchte. Es ist auch ungerecht und sogar pädagogisch falsch, Lernwillige und Lernfähige zu beleidigen, wenn sie Fehler machen. Die Tagung im Deutschen Theater war doch auch ein Zeichen, daß man etwas zu verstehen versucht. Viele Konferenzteilnehmer waren POC. Das soll auch gewürdigt und nicht bloß niedergeschrieen werden.
Mind the Gap, Berlin: hohes Ross
dieser Text ist leider symptomatisch. Die Problematik der eigenen Kritik-Position ist ihm leider nicht bewusst: Vom hohen Ross herab, hält er immer die anderen für "hochideologisch" und glaubt sich selbst ideologiefrei. Für die eigene Ideologie ist er blind, für die Grenzen, die er zieht, um andere überhaupt als ideologisch benennen zu können auch. Das ist genau die Form von Kritik, die von den hochschwelligen Institutionen befördert und gebraucht wird - das scheint dieser Text nicht zu ahnen, er meint sich ja auf der "richtigen", besserwissenden Seite. Ja, hier ist nicht der Patient, sondern der Arzt tot: "Weil er immer die anderen für die Kranken hält, statt in sich selbst den Patienten zu erkennen." Unfreiwillig bringt sich der Text damit selbst auf den Punkt. Solange die Kritik sich nicht ändert, wird an den benannten Problemen sich auch nichts ändern.
Mind the Gap, Berlin: Hochkultur, warum nicht?
Zwar nicht unberechtigt, der Einwand, und sicherlich mit Lücken in der Planung und Durchführung seitens der Veranstalter, aber was spricht gegen Hochkultur? Ist doch absolut ok, wenn sehr gut ausgebildete Leute, sehr gute Kunst machen - wenn ich ins Theater gehe, und ich muss mir die Theaterkarte absparen, das ist auch der Fall - aber ich will nicht immer dieses Amateurgerotze ertragen müssen, diesen MTV-Nirvana-Stile; das Selbstverlieren in seinem eigenen Nihilismus. Kritikpunkt 2: "Ich will mich nicht in von dem Land kolonisieren lassen, in dem ich geboren bin!" - Hallo? Was für ein Quatsch! You are a free burger! This is a free country! Und ich hab keine Lust mich von Leuten kolonisieren zu lassen, die hier geboren sind, klar? Wurde das verstanden?
Mind the Gap, Berlin: aus der Luxusposition
Die Sprache ist niemals ideologiefrei. Und sie ist verbunden mit dem Sprecher, mit der Position und Perspektive des Sprechers. Insofern kann ich diese Intervention durchaus verstehen, auch wenn ich mich zugleich frage, ob hier auch die ideologische Verhaftetheit der und durch die Interventionisten mitbedacht wurde. Die negative Identifizierung mit dem (angeblichen oder tatsächlichen?) Unterdrücker ist immer auch selbststigmatisierend. Ja. Und was heisst hier eigentlich Hochkultur? Schaue ich mir z.B. "Hamlet" von Ostermeier an, dann wird da von Lars Eidinger nihilistisch rumgerotzt bis zum Geht-nicht-mehr. Allerdings aus der "Luxusposition" als gut bezahlter und festangestellter Schauspieler heraus. Da wird die (nihilistische) Gegenposition in die Hochkultur integriert, weil sie vom ökonomistischen Standpunkt her so wunderbar instrumentalisiert werden kann. Aber wie schafft man es, diesen Nihilismus als zum Menschen UND Schauspieler zugehörig zu zeigen? Das ist der springende Punkt. Oder ist das vielleicht auch der springende Punkt bei Lars Eidinger? Diese Grenzziehung zwischen hoch- und niedrigschwelliger Kultur existiert im Grunde bereits als trennend in jedem Menschen. Als Selbstwiderpruch. Als Erfahrung bzw. Lernprinzip im Verzug.
Mind the Gap, Berlin: Underdogs
Lieber Markus Stolleis,
Ich stimme Ihnen voll und ganz zu, ich finde auch das Roberta Flash sich in einer überheblichen Art und Weise über einzelne emotionale Ausbrüche der Protestierenden vor dem Deutschen Theater stellt und sie als Underdogs abqualifiziert.
Ihre Ideologische Brille die von denen "Dialogbereitschaft" fordert, die trotz ihrer wissenschaftlichen oder künstlerischen Expertise nie zur weissen akademischen Eliteveranstaltungen oder auf die großen Bühnen eingeladen werden ist frei von jeglichem Problembewusstsein und dient allenfalls zum "victim blaming".
Ich frage mich aber auch ob Sie auch noch eine optische Brille braucht wenn sie auf dieser Tagung viele "People of Coulour" (d.h. Nicht-Weisse) gesehen haben will. Ich habe eine neue Brille und nicht einmal wenige, geschweige denn viele gesehen.

herzlichst verwundert

Igor Vjetlov
Mind the Gap, Berlin: Bühnenadaptionen
@8In die Schaubühne am Lehninerplatz bin ich glaub ich 2008 zuletzt gegangen. Dieser Trend zur Bühnenadaption von Filmen hat mir nicht gefallen. Aber das ist Geschmackssache. Gegen die sehr gute Bezahlung von gewöhnlich am Theater unterbezahlten Schauspielern habe ich nichts. Und wenn der Unterschied zwischen Hochkultur und "freier Szene" darin esteht, ganz materialistisch analysiert, (jetzt muss ein dann kommen, will aber keine kausalität, hätte den Satz anders anfangen sollen)
Mind the Gap, Berlin: Hochkunst auf Tiefstand
Wir haben es mit einer ernsten und schweren Erkrankung der Begriffe zu tun, einer Erkrankung infolge einer Ansteckung, deren Herd uns weitgehend verborgen ist. „Zugangsbarrieren zu kulturellen Angeboten und Konzeptionen niedrigschwelliger Kulturvermittlung“ – wer angesichts einer solchen Begriffsschlange keinen Schauder fühlt, der ist bereits von ihr gebissen worden.
Nehmen wir also, notgedrungen, für einen Moment das Maul Inga-artig voll (schließlich hat die Dame darauf kein Monopol):
Der Begriff der Kultur umreißt das Verhältnis der Mehrheit der Mitglieder einer gegebenen Gesellschaft zur Welt, worunter wir hier die Gesamtheit der uns Sterblichen zugänglichen Erscheinungsformen der Welt (nicht der „Umwelt“!) verstehen wollen.
Der Begriff der Gesellschaft umreißt das Verhältnis der Mehrheit der Mitglieder einer gegebenen Gesellschaft zu sich selbst, sowohl im im Gemeinschaftlichen als auch im Individuellen.
Der Begriff der Zivilisation umreißt das Verhältnis, in welches eine gegebene Gesellschaft ihre Kultur und ihr gesellschaftliches Selbstverständnis (unter Einschluss der Minderheiten) zu bringen weiß. Inga-Ton Ende.
Man sieht immerhin auf Anhieb, wie schief all diese Begriffe a priori gesehen werden müssen, um sie in den instrumentellen Jargon sozialdemokratischer „Kulturpolitik“ (die nicht nur von Sozialdemokraten betrieben wird) eingemeinden zu können, zu dem der Terminus „Hochkultur“ zu rechnen ist. Nicht einmal die exorbitanten Tempelbauten der südamerikanischen Indianervölker berechtigen dazu, diese Völker und ihre kulturellen wie gesellschaftlichen - sprich zivilisatorischen - Errungenschaften gegenüber den Zeltdörfern der Sioux und Cheyenne unter die sogenannten „Hochkulturen“ einzureihen – um wieviel weniger rechtfertigt die Arbeit der deutschen Staats- und Stadttheater (und anderer „Leuchttürme“) die Anwendung dieses Scheinbegriffs. („Hochwasser“ ist dagegen kein Scheinbegriff. Wollte man ihn übertragen, müsste allenfalls von „Hochkunst“ die Rede sein, folglich auch von Mittel- und Niedrigkunst, und es ist evident, wie lächerlich sich der Redner machen würde, der diese Begriffe benutzte - abgesehen von dem zu konstatierenden aktuellen Tiefstand dieser Hochkunst.)
Es handelt sich um eine begriffliche Verirrung, die sich der (ausnahmslosen) „Verniedrigschwelligung“ der gesamten Debatte verdankt, welche Niveauabsenkung sich ihrerseits dem Umstand schuldet, daß in Kreisen der Kulturjournalisten, -funktionäre, -politiker und -wissenschaftler zu viele mehr oder weniger heftig Begriffserkrankte, (schon die Berufsbezeichnungen sind symptomatisch) sich tummeln, die der ungesunden Ansicht sind, in einer Massengesellschaft, die zur Zufriedenheit der Mehrheit ihrer Mitglieder längst aufgehört hat, sich selbst als Kunstwerk zu betrachten, könne und müsse, solange man sie zu Erwerbszwecken als „Kultur“ tarnt, aus Gründen der Restbestände an schlechtem Gewissen noch sinnvoll und dringlich über Kunst gesprochen werden.
Mechanisch gesagt: Als erstes geht die Kultur (i. e. das Weltverhältnis) verloren, dann die Gesellschaft (i. e. ihr Verhältnis zu sich selbst, siehe M. Thatchers Bemerkung „There is no such thing as society“), und schließlich die Zivilisation (i. e. das Verhältnis dieser beiden zueinander). Mit dem Verfall der Letzteren verfällt die Kunst, insbesondere die Bühnenkunst. Diese nämlich ist in der Zivilisation beheimatet, nicht in der Kultur, oder in der Kultur nur insoweit, als sich Zivilisation aus Kultur speist. Mind the gap!
Mind the Gap, Berlin: was ist Hochkultur genau?
@ IM Lustig: Ich habe auch nichts gegen die sehr gute Bezahlung von Schauspielern am Theater. Das sollte dann aber auch wirklich für alle gleichermaßen gelten. Was ja auch an der Schaubühne längst nicht mehr der Fall ist - siehe das Stichwort "Starsystem". Und ich bezweifle auch, ob der richtige Ansatz nun einfach die Setzung sein kann, dass der Unterschied zwischen Hochkultur und "freier Szene" die Bezahlung ist. Könnte man das von den Strukturen her nicht auch umdenken? Warum ist freie Szene nicht Hochkultur? Was ist denn jetzt Hochkultur? Zählt bzw. warum zählt bei den Interventionisten Shermin Langhoff mit dem Gorki dann nicht zur Hochkultur? Und was macht David Marton? Hochkultur? Klassische Oper? Definiert sich Hochkultur jetzt von den Stoffen her? Oder nicht vielmehr von den Menschen, die diese Stoffe interpretieren? Ist ein Straßenmusiker nicht auch Hochkultur, wenn er, unbemerkt von den vorübereilenden Passanten, Bach spielt? Sollte der nicht auch etwas mehr Geld bekommen als nur ein paar Groschen? Soll heissen: Ich glaube leider, dass es oftmals mehr um Image, Institutionen, Marketing und große Namen, anstatt um die Kunst selbst geht. Wenn Bildung zum Gemeingut werden soll, dann sollten wir uns auch an den Interessen der Gesellschaft als ganzer, nicht allein an wirtschaftlichen Interessen, orientieren.
Mind the Gap, Berlin: Migranten nur Mittel zum Zweck
@11: Der Unterschied macht Sinn, Kultur und Zivilisation zu trennen. So wird der Blick auf Thatcher frei und damit auch auf die letzten 30 Jahre Umgestaltung der BRD. In dieser Perspektive glaube ich, werden die Migranten und ihr postmigrantisches Theater als Tool benutzt, um Einsparungen längerfristig durchzusetzen (siehe den Beitrag von Frau Sharifi zum Vorbild der britischen Kulturpolitik).
Mind the Gap, Berlin: der blinde Fleck
Gleichzeitig hat Intendant Ulrich Khuon leider nicht verstanden, dass die Falltür (Trap) dieser Tagung in ihrer Konzeption liegt. Indem beispielsweise über abwesende Menschengruppen getagt wird, die jedoch nicht gezielt als Referierende bzw. Teilnehmende eingeladen werden, manifestiert sich die weiße Bildungsbürgerperspektive. Die Aufforderung "Sie können gern bleiben" entpuppt sich sofort als leere Geste, denn die Perspektive und der feste (Hoch)Kulturbegriff etc., die dieser Tagung zu Grunde liegen, bleiben der #BlindeFleck der Organisierenden und (vermutlich auch) Teilnehmenden.
Mind the Gap, Berlin: eingebildete Gekränkte
diese robespierre rhetorik dieser interventionisten ist ein riesenproblem. sie täuscht ultraprekäre verhältnisse vor, in berlin geradezu lächerlich. und sie argumentiert im kern immer auch narzisstisch, im sinne von: ihr habt mich nicht eingeladen, dafür müsst ihr jetzt büssen. wenn die k-gruppen endlich geschichte sind, kehrt ihre sprache zurück, aber als farce der eingebildeten gekränkten. wenn das mal nicht tragisch endet...
Mind the Gap, Berlin: Link
auch eine stimme!

http://www.mariusjung.de/home/index.html
Mind the Gap, Berlin: Vom Einladen und vom Kommen
@ danton zwo: Nun gut, die Frage der Einladung. Die nächste Frage wäre dann wohl, ob die Eingeladenen überhaupt "repräsentativ" für alle genannten "Minderheitengruppen" sind. Das funktioniert ja wahrscheinlich nie, weil es um die Vielfalt innerhalb EINES Menschen und ZWISCHEN Menschen geht, nicht um voneinander abgeschottete "Gruppen". Deshalb hat ja auch Schlingensief immer nur "ICH"-Schilder sprechen lassen, z.B. bei seiner "Chance 2000".

Und zudem könnte man fragen, ob man eine Einladung einfordern darf. Oder ob es nicht umgekehrt eher um die Haltung des "Gastgebers" geht. Und da geht's dann tatsächlich nicht nur um den Zugang zum Theater, sondern zur Gesellschaft (Stichwort: Asylrecht). David Lindemann hat das mal folgendermaßen formuliert: "Deine Öffnung nach dem Fremden hin ist nur ein Reflex auf den Ausschluss des Fremden. Es geht nicht nur darum, dass ihr jemandem die Staatsbürgerschaft anbietet, sondern um das Recht, das ihr dem Fremden als solchem, dem fremd gebliebenen Fremden, zuerkennt, sowie den Seinen, seiner Familie, seinen Nachfahren. Die absolute Gastfreundschaft erfordert, dass du dein Zuhause öffnest und nicht nur dem Fremden, sondern auch dem unbekannten, anonymen, absoluten Anderen stattgibst, dass du ihn kommen lässt, ihn ankommen und an dem Ort, den du ihm anbietest, statthaben lässt, ohne von ihm eine Gegenseitigkeit zu verlangen." ("Getränk Hoffnung")

Man kann mit diesem Thema auch unverkrampfter umgehen, wie z.B. Robert Misik zeigt:
http://www.youtube.com/watch?v=t74XwRqxh-8&list=PL923520721067971F&index=59
Mind the Gap, Berlin: Parallelen zu Paul Breitner?
Ich frage mich - gibt es Parallelen zwischen momentaner Situation und folgendem Textzitat?

"Paul Breitner ist ein treffendes Beispiel für den modernen Rebellen der 70 er Jahre, der sich mit dem subjektiven Idealismus gegen das "Alte", den objektiven Idealismus, zum eigenen Vorteil zu Wehr setzte."

Jedoch

"Setze den Menschen als Menschen, und sein Verhältnis zur Welt als ein menschliches voraus, so kannst du Liebe nur gegen Liebe austauschen. Vertrauen nur gegen Vertrauen."

In diesem Sinne geht der "Fail-Stempel" meiner Ansicht ganz klar an die Konzeptionierenden der Tagung. Eine sehr gute Chance wurde vertan indem sie es nicht geschafft haben aus dem Tagungsaal herunterzukommen, in die Kälte zu den anderen Beteiligten. Sehr Sehr schade.
Mind the Gap, Berlin: Kommentar eines Mitveranstalters
Irgendwie sind es mir fast zu viele unterschiedliche Debatten, welche hier bunt gemischt und zeitgleich geführt werden. Als Mitveranstalter der Tagung will ich dennoch versuchen, ein bisschen etwas beizutragen.

1. Ein großes Argument des Artikels, einiger Kommentare und auch von „Mind the trap“ ist die Kritik am Nicht-Einladen der Vertreter der aufgeführten Zielgruppen zur Tagung. Da es sich um eine wissenschaftliche Tagung (und nicht um ein Workshop von Theaterpraktikern oder um eine Podiumsdiskussion mit potenziellen Theatergästen oder eine theoriefindende Open-Space-Runde oder um was auch immer) handelte, baute das Konzept und die Referentenauswahl auch auf den Grundsätzen klassischer wissenschaftlicher Tagungen auf. Das kann und darf man kritisieren, führte bei "Mind the gap“ aber eben dazu, dass die Beitragenden dahingehend ausgewählt wurden, dass sie in der letzten Zeit thematisch relevante und theoretisch wie methodisch gute Forschung betrieben haben. In anderen Formaten hätte man eben nach anderen Kriterien ausgewählt, z.B. Praktiker aus dem Kulturbetrieb welche bestimmte Projekte durchgeführt haben oder Vertreter von Lobbyverbänden, welche bestimmte interessante Positionen besetzen oder Menschen die einfach auf Grund ihrer persönlichen Erfahrung eine Menge zum Thema erzählen können. Auf der wissenschaftlichen Fachtagung waren es aber WissenschaftlerInnen. Übrigens waren das alles Empiriker, d.h. die Forschungsergebnisse basieren nicht auf theoretischen Annahmen, wie bestimmte Zielgruppen sein sollten oder sein könnten, sondern immer auf Befragungen mit unterschiedlichen Methoden. Das Gespräch mit "den Betroffenen" fand also statt, allerdings bereits im Verlauf des Forschungsprozesses und nicht bei der Präsentation der Ergebnisse auf einer Fachtagung. Die gemeinsame Diskussion der Forschungsergebnisse mit der beforschten Zielgruppe ist übrigens eine spannende und sehr interessante Sache, welche z.B. im Rahmen von Evaluationen oft Teil des Forschungskonzepts ist. Aber – und da komme ich irgendwie nicht weiter – wissenschaftliche Forschung, in diesem Fall sozialwissenschaftliche Studien zu den Besuchern öffentlich geförderter Kultureinrichtungen in Deutschland, muss ihre Ergebnisse auch präsentieren und mit anderen Wissenschaftlern diskutieren. Und zwar (und hier krieg ich sicher Schimpfe) auch ohne dass dann immer die beforschten Forschungsgegenstände mit dabei sind. Das hat nichts mit Degradierung zu tun und ich möchte an dieser Stelle auf einen interessanten Beitrag zur Tagung von einer anwesenden Wissenschaftlerin verweisen:

http://www.academics.de/blog/index.php/aktuelle-themen/mind-the-trap-uber-eine-wissenschaft-voller-fallen/

Die Kollegin schreibt dort: "Wissenschaft ist aber zunächst einmal dazu da, zu analysieren und zu verstehen. Von welchem Ärztekongress würde man erwarten, dass natürlich Patienten eingeladen werden und mitdiskutieren, weil es ja um diese geht?“ Dies lässt sich beliebig weiterführen: Der nächste Kongress der Gesellschaft für Demenzforschung nur noch mit Dementen? Die nächste Fachtagung zu Anbauverfahren in der Landwirtschaft nur noch im Beisein aller niedersächsischen Bauern? Wäre alles denkbar, es ist aber auch ein mögliches Format, das nicht zu tun.

Wer dieses Vorgehen (erforschen, analysieren, verstehen versuchen, Ergebnisse mit anderen Wissenschaftler diskutieren) für falsch hält, kann das gerne tun. Die dann logische Forderung nach einer neuen Wissenschaftspraxis ist legitim, jedoch auch hochideologisch und bedürfte noch ein paar weiterer Argumente, als nur der Vorwurf, dass wir es jedenfalls falsch machten. Schwierig wird es, in den Diskussionen zusammen zu kommen, wenn (wie von einigen Debattenteilnehmer erfolgt) der Wissenschaft per se die Legitimation zu einem solchen Vorgehen entzogen wird. Dann kommen wir vermutlich nicht zusammen.

An ein paar Stellen taucht in dem Kontext der erweiterte Vorwurf auf, dass wissenschaftliche Sozialforschung über bestimmte Gruppen nur von deren Vertreter selbst durchgeführt werden dürfe. Diese Forderung hat für mich eine wirklich beängstigende Radikalität, denn nicht ohne Grund wurde damals die Freiheit der Forschung im Grundgesetz verankert, um zu verhindern, dass bestimmte Interessensgruppen Vorgaben machen, wer was erforschen darf und wer nicht.

2. Ein weiterer zentraler Kritikpunkt setzt auch in diesem Text am "Selbsterhaltungsreflex" der Kulturinstitutionen an. Die Beschäftigung von Theatern und Museen mit neuen Zielgruppen, die bisher nicht zu ihren Gästen gehörten, wird reduziert auf ein bloßes (negativ konnotiertes) "Sich-erhalten-wollen". Das kann man so sehen, das ist aber auch eine theoretische, ein Stück weit auch ideologische Position. Auf der anderen Seite fordern viele Stimmen schon seit den 1970er Jahren, dass sich eben diese Kulturinstitutionen gefälligst auch um gesellschaftliche Entwicklungen kümmern sollen. Und zwar nicht nur in ihrer Kunst (was z.B. die Theater mit ihren Programmen ganz klar machen), sondern eben auch in aktiven Bemühungen ein möglichst buntes, alle gesellschaftlichen Milieus repräsentierendes Publikum für die eigene Kunst zu gewinnen (schließlich kriegen sie ja auch Kohle von allen Steuerzahlern). So kann man das auch sehen. Das ist natürlich genauso theoretisch und auch politisch. Aber ich persönlich finde das auch gut so. Mir ist ein Museumsmensch der vielleicht etwas naiv versucht, seine Ausstellungstafeln z.B. ins Türkische zu übersetzen tausend Mal lieber, als ein Museumsmensch der sich hinstellt und sagt: "Ich möchte bitteschön nur die Elite der Gesellschaft, möglichst mit Promotion in Kunstgeschichte in meinem Haus und der Rest soll meinen Tempel der Muse nicht stören“ (solche gibt’s immer noch).

Alternativ kann man auch radikal werden und den Theater- und/oder Opernbetrieb (wie Pierre Boulez 1967) in die Luft sprengen wollen. Es sind ernsthaft berechtigte Argumente die besagen, dass der institutionalisierte Kulturbetrieb in Deutschland schon per se das Problem ist. Da kommen wir dann zum guten Adorno, denn es gibt ja kein richtiges Leben im falschen. Wer diese Position vertritt, der wird unsere Tagung natürlich nicht verstehen können/wollen. Wir doktorn demnach irgendwo rum, ohne die wahren Symptome zu erkennen. Aber Wahrheitsfindung war schon immer schwer.

Wenn man jedoch aus welchen Gründen auch immer den öffentlich geförderten Theatern, Museen und Konzerthäusern eine gewisse Legitimation zugesteht (was wir Tagungsorganisatoren getan haben), ist es ein konsequenter Schritt, nach Instrumenten zu suchen, wie diese neue Gäste gewinnen können. Und zwar – das soll ganz offen gesagt werden – auch um Eigenmittel zu generieren und Umsatz zu machen. Dafür gibt es Instrumente wie z.B. das Kulturmarketing. Aber es geht auch um Instrumente und Programme, wie neue Gäste unabhängig von deren Kaufkraft für die eigene Kunst begeistert werden können, dann kommen solche Begriffe wie "Kulturvermittlung“ oder "Audience Development" mit ins Spiel (letzteres ist nicht gleichzusetzen mit Kulturmarketing, hier irrt der o.g. Text). Wir suchen Instrumente wie Kultureinrichtungen ihren gesamtgesellschaftlichen Auftrag umsetzen können. Ohne Publikum macht Kunst keinen Spaß!

Ja, das ist auch etwas pragmatisch. Und Weber, der große Soziologe hat schon vor 100 Jahren geschrieben, Soziologie müsse nur Probleme benennen und dürfe keine Lösungen entwickeln. Das ist schon wieder eine politische Haltung. Wir sehen das anders und sind davon überzeugt dass die (ebenfalls von der Gesamtgesellschaft finanzierte) Wissenschaft nach dem diese den Finger in die Wunde gelegt hat, auch nach Lösungen zur Veränderung von Prozessen suchen muss. Damit machen wir uns natürlich zum Komplizen der Strukturen, aber wir stehen auch dazu und forschen weiterhin über Kulturmanagement, Kulturpolitik und auch (zukünftig noch stärker sich selbst hinterfragend) über Kulturvermittlung.

3. Weitere relevante Themen die ich aus diesen fruchtbaren Diskussionen mitnehme sind der Kulturbegriff an sich (Hoch-,Tief-,E-,U-,Sub-,…), die Grundidee (und das Infrage stellen) von Vermittlung/Pädagogik/Didaktik usw. im Allgemeinen und Kulturvermittlung im Besonderen und die Art und Weise wie verschiedene Interessensgruppen miteinander ins Gespräch kommen können, ohne verbal zu sehr zu verletzten. Aber über diese Themen schreibe ich ein anderes Mal.

Besten Dank
Thomas Renz
Mind the Gap, Berlin: Wissenschaftsfrage
@ Thomas Renz: Es ist dann aber auch eine Frage des Wissenschaftsbegriffs bzw. -verständnisses. Sie kennen sicher auch die empirische Vorgehensweise in den Naturwissenschaften, über welche überraschend neue Ansätze und Theorien erst über Experimente entdeckt wurden. Nicht über wissenschaftliche Fragebögen (eines Kulturmanangements). Ich würde gern wissen, wie bzw. mit welcher (pädagogischen oder künstlerischen?) Zielsetzung hier Ergebnisse "über" die Zielgruppen gewonnen wurden. Nehmen wir das Forumtheater von Augusto Boal. Da geht es nicht um von oben herab gesetzte, lernpädagogische Zielsetzungen, sondern um den Prozess des Theaterspielens selbst, welcher unmittelbar mit gesellschaftlichen Fragen und Prozessen verbunden wird. Es geht dort um die aktive Beteiligung des Publikums. Eben. Ohne Publikum macht Kunst keinen Spaß. Aber vielleicht ist das Deutsche Theater auch nicht der Ort für solche anderen Formen des Theaters. In diesem Sinne kann es nicht nur darum gehen, etwas in eine andere Sprache zu übersetzen, sondern zu fragen, ob es auch Themen und Stücke gibt, oder andere Lesarten von Stücken, über welche Menschen für das Theater interessiert werden können, die sonst eher wenig theaterinteressiert sind.

(...)
Mind the Gap, Berlin: Versuch mit anderen Fragebögen
@Inga: Ihre Frage ob standardisierte Fragebögen mit kulturmanagerialen Background das richtige Instrument zur Erforschung neuer Zielgruppen sind, ist sehr berechtigt. Die Kulturmanagementforschung, vor allem die Marktforschung der Institutionen selbst ist da häufig recht positivistisch und mancher Fragebogen ist schneller fertig, als dass mal über die dort drinsteckende Theorie nachgedacht wurde. Wir versuchen daher seit einiger Zeit andere, qualitative Methoden zu entwickeln, welche mehr den Beforschten in den Mittelpunkt stellen. Weniger aus einer pädagogischen Perspektive, mehr aus dem Versuch künstlerische und kreative Methoden in die "Datenerhebung" einzubauen. Hier ein Link zu einer kleinen Studie, bei der wir das versucht haben:

http://www.kulturvermittlung-online.de/kategorie.php?id=4&start=3#126

Damals gab es künstlerische Installationen im Waschsalon, Opernquiz im Waschsalon oder Gespräche beim Haareschneiden.

Thomas Renz
Mind the Gap, Berlin: Nonsens
ÜBER DIE ERRICHTUNG VON ZUGANGSBARRIEREN ZU KULTURELLEN ANGEBOTEN UND KONZEPTIONEN AUSSETZENDER KULTURVERMITTLUNG:

http://www.tagesspiegel.de/berlin/bibliotheken-in-berlin-die-haelfte-der-buechereien-ist-geschlossen/9350980.html#commentInput

Erkennen Sie, warum "Kulturmanagementforschung" ein Nonsens ist?
Mind the Gap, Berlin: Wissenschaftler?
Da hier und anderswo (v.a. Herr Thomas Renz und Frau Prof. Dr. Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss) nachdrücklich darauf hingewiesen wird, daß es sich bei "Mind The Gap" um eine wissenschaftliche Fachtagung handelte, frage ich mich ernsthaft: Wann ist jemand Wissenschaftler_in? Arbeitet Herr Barrie Kosky, Chefregisseur und Intendant der Komischen Oper Berlin, als Wissenschftler? Arbeitet Frau Angela Meyenburg, Gründerin und Geschäftsführerin der "Kulturloge Berlin", als Wissenschaftlerin? Arbeitet Frau Barbara John, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Vorsitzende des Beirats der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Schirmherrin des Berliner Spendenparlaments, Mitglied des Vorstands der Unternehmensstiftung von Veolia, Ombudsfrau für die Hinterbliebenen der Opfer der NSU-Morde, als Wissenschaftlerin? Arbeitet Frau Birgit Lengers, Leiterin des Jungen Deutschen Theaters, als Wissenschaftlerin?

Wenn dem so ist, sind dann die Ergebnisse der "thematisch relevanten und theoretisch wie methodisch gute Forschungen", die die oben Genannten "in der letzten Zeit" betrieben haben irgendwo öffentlich zugänglich?
Mind the Gap, Berlin: Kontext!
lieber herr renz,

wenn sie hier schon den text von frau reinwand-weiss zitieren- die den sachverhalt scheinbar ebenso wenig erkennt wie sie, zitieren sie doch bitte auch von den kommentaren! wie oft muss auf das selbe hingewiesen werden, damit es verstanden sein will und nicht zum anlass genommen wird, die alten verteidigungsmuster neu zu reproduzieren?
Hier also zwei erwiderungen auf die worte von frau reinwand-weiss, die genauso aber die entgegnung auf ihren kommentar hier sein könnten:

"14.01.2014 um 20:20 Uhr von Azadê

Ich zitiere mal, sowie sich in einem wissenschaftlichen Betrieb gehört:[...]dass dies eine wissenschaftliche Fachtagung mit überwiegend Beiträgen von Forscher_innen war, die zwar interessierte Personen aus Politik und Kultur angesprochen haben teilzunehmen, die aber in erster Linie ein Interesse haben, sich über die Ergebnisse von wissenschaftlichen Studien zu diesem Gegenstand zu informieren und auszutauschen.

Gibt es denn keine Wissenschaftler _ innen of Color/mit Migrationsgechichte? Doch,die gibt es. In Ihrem Artikel tun sie jedoch so, als würde es sie nicht geben und als würde das eine das andere ausschließen. Das ist übrigens auch Rassismus. Warum wurden diese Wissenschaftler _ innen nicht eingeladen? Diese Frage wurde aufgeworfen von dem Bündnis. Eine Antwort bleiben auch Sie schuldig."


"13.01.2014 um 11:47 Uhr von Constanze Nauhaus

Mir scheint, mit Verlaub, Sie haben das Anliegen von MIND THE TRAP! gar nicht verstanden. Wenn Sie Wissenschaftlern zugestehen wollen, “unter sich” bleiben zu können, sprechen Sie sämtlichen Vertretern der Menschengruppen, über die auf der Tagung gespochen wurde, ab, auch wissenschaftlich zu arbeiten. Eigentlich ist es mir unangenehm und erscheint mir überflüssig, hier in die Defensive zu gehen, aber anders scheint es nicht zu gehen: Es GIBT tatsächlich Wissenschaftler mit Migrationshintergrund. Auch welche mit Behinderung. Die Tapetenrolle mit all den Namen bei der Intervention war kaum zu übersehen. Zu Ihrem Vergleich mit “Patienten” möchte ich mich gar nicht erst äußern."
--> dies gilt ebenso für die sogar noch gesteigerte überheblichkeit und peinlichkeit ihrer vergleiche mit "demenzkranken". merken sie denn gar nicht, welche fadenscheinigen vergleiche sie hier aufmachen?
Mind the Gap, Berlin: noch mehr Kontext
ebenso halte ich es für wichtig auf frau rektorscheks(1.Vorsitzende Bundesverband Deutsche Kulturloge e.V.) kommentar auf:
http://www.academics.de/blog/index.php/aktuelle-themen/mind-the-trap-uber-eine-wissenschaft-voller-fallen/ hinzuweisen.

sie informierte die organisator_innen von "mind the gap" im voraus (oktober 2013!) darüber, das die kulturloge die tagung nicht mit ihrem namen unterstützen würde und das der_die dann gewählte kooperationspartner_in eine "nicht lizenzierten Kulturloge Berlin" sei.Sie schrieb zu diesem umstand:"Dort [auf der Tagung] wollen oder sollen Sie sich auf einem wissenschaftlichen Niveau, mit einer s.g. Kulturloge Berlin auseinandersetzten, wohlwissend, dass diese den Namen Kulturloge mit Recht nicht führen darf."

zu diesem umstand habe ich noch keine stellungsnahme von einer_einem der Veranstalter_innen gehört. - vielleicht weiß ich aber auch nur nicht wo ich nachsehen soll
Mind the Gap, Berlin: Stellungnahme
Da sowohl der Kommentar von Herrn Renz hier auf nachtkritik.de, als auch der Tagungsrückblick von Frau Mandel und Herrn Renz hier ( http://www.kulturvermittlung-online.de/pdf/tagungsrueckblick_mind_the_gap.pdf ) selbstverständlich so nicht hinnehmbar sind, gibt es jetzt dazu diese Stellungnahme >>>

- Stellungnahme des Bündnisses kritischer Kulturpraktiker_innen -

Anfang dieses Jahres fand am Deutschen Theater Berlin die Tagung “Mind the Gap” statt, die sich den „Zugangsbarrieren zu kulturellen Angeboten und Konzeptionen niedrigschwelliger Kulturvermittlung” widmen wollte. In der Ankündigung begründeten die Veranstalter_innen, dass „gerade junge Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund aus nicht westlichen Herkunftsländern, Menschen mit Behinderung und viele Menschen mit geringen Einkünften klassische Kultureinrichtungen besonders selten“ besuchen.

Bereits hier stellt sich die Frage, nach welchen Gesichtspunkten und wie präzise die Begriffe und Konzepte ausgewählt sind, die von den Tagungsleiter_innen verwendet werden. So werden im gesamten Tagungskontext und gerade auch im Tagungsrückblick Begriffe wie „Milieu“, „Kunst“, „Migrationshintergrund“, „Behinderung“ unreflektiert gebraucht, welche jedoch gerade in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften längst als problematische, Differenz festschreibende Kategorien diskutiert werden. Folglich ist es notwendig, mit viel präziseren Begriffen zu arbeiten, um strukturelle Ausschlüsse wie Rassismus, Klassismus und Ableismus und ihre Wirkungen als “Gap”-Erzeuger zu analysieren und schließlich Methoden zu ihrer Überwindung zu konzipieren.
Denn auf der Basis von vereinfachenden Begriffen, wie sie etwa bei der o.g. Tagung verwendet werden, folgern die beteiligten Sprecher_innen, dass es darum ginge, Barrieren durch “niedrigschwellige Kulturvermittlung” zu beheben. Und hier zeigt sich ein problematischer Ansatz, der per se von einem Defizit bei den einzelnen Bevölkerungsgruppen ausgeht, da ihnen Unkenntnis oder Ferne zu Kunst, Kultur und Bildung unterstellt wird. Einerseits werden also sämtliche Individuen aus unterschiedlichsten Zusammenhängen, Bezügen und Verortungen als eine “Gruppe” festgeschrieben und darin “kunstaffinen”, “gebildeten” Besucher_innen von Kultureinrichtungen gegenübergestellt. Da andererseits “niedrigschwellige Kulturvermittlung” als Heilmittel zur Überwindung der “Gaps” vorgeschlagen wird, bleibt der wichtigste Bearbeitungsbereich unangetastet: die Programme, Inhalte und das Personal der Kulturinstitutionen selbst.

Ein Bündnis von Kulturpraktiker_innen und Wissenschaftler_innen hat mit der Aktion “Mind the Trap” bei der o.g. Tagung interveniert, um auf die Problematiken des Tagungskonzeptes und -inhaltes hinzuweisen. Die Leiter_innen der Tagung Prof. Dr. Birgit Mandel und Thomas Renz haben in ihrem Tagungsrückblick auch dazu Stellung bezogen: „Und Protest kam sehr massiv durch Störungen und Interventionen [...] von einer Gruppe junger Off-Theaterschaffender die sich darüber beklagten, dass zu wenig ‘bunte’ Wissenschaftler eingeladen wären. Eine schwarze oder mindestens braune Hautfarbe sei Voraussetzung, um über Nicht-Besucher klassischer Kultureinrichtungen zu forschen. Einer wissenschaftlich fundierten Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Gruppen würde damit jegliche Legitimation entzogen. Nur Betroffene selbst dürften über sich forschen und diskutieren.” Hierbei zeigt sich, wie etablierte Sprecher_innen aus Kulturinstitutionen und Wissenschaft rassistischen Ausschluss erzeugen und argumentieren. Die Aussagen, Personen und Forderungen des Bündnisses und der Intervention werden hierbei völlig falsch dargestellt; so handelt es sich bei den an der Aktion Beteiligten um Personen mit unterschiedlichsten Bezügen, Marginalisierungserfahrungen und aus verschiedenen Praxisfeldern der Wissenschaft und Kunst, die ihre Selbstbezeichnung aus der Postkolonialen Theorie sowie der Praxis von Anti-Rassismus und Human-Rights-Bewegungen ableiten. Die Tagungsleiter_innen übersetzen dann “People of Color” jedoch als “bunt” - ein NICHT harmloser, sondern völlig ignoranter Übersetzungsfehler. Außerdem lenken sie (völlig) davon ab, dass die Tagung ihrem eigenen Anspruch nur bedingt gerecht wird. Zwar war die Tagung scheinbar als „wissenschaftliches Forum konzipiert, auf dem diejenigen Wissenschaftler, die empirisch zu den Barrieren der Nutzung kultureller Angebote bei verschiedenen Zielgruppen forschen, auf der Basis systematischer Auswertung einer großen Zahl an quantitativen und qualitativen Befragungen, ihre Ergebnisse vorstellten.“ Unter den geladenen Referent_innen, die im Übrigen auch aus Praxisfeldern kommen, war jedoch kein_e einzige_r wissenschaftliche_r und künstlerische_r Expert_in eingeladen, die sich mit Ausschlüssen und Marginalisierungen aus dieser Perspektive kritisch auseinander setzt. So entschleiert die Sprecher_innenliste der o.g. Tagung eine Ignoranz und den Ausschluss von Personen und Inhalten, die sich seit mehreren Jahrzehnten genau mit der Produktion, Legitimierung und Wirkung von “Gaps” produktiv auseinander setzen.

Das Bündnis kritischer Kulturpraktiker_innen ist ein Zusammenschluss von Kulturschaffenden und Wissenschaftler_innen, die sich gegen strukturelle Ausschlüsse (Sexismus, Rassismus, Klassismus, Ableismus etc.) und Diskriminierung aussprechen und diese in ihrer künstlerischen, wissenschaftliche und politischen Arbeit zu überwinden suchen. Die Intervention hat hohe Wellen in der Kunst- und Kultur-, der Wissenschaftsszene, sowie in der Presse geschlagen, da sie nicht als “Guerilla-Angriff“ verstanden wurde, sondern als ein kritischer Kommentar zu einem monokulturell ausgerichteten System, das strukturelle Ausschlüsse produziert und durch solche Tagungen perpetuiert wird. Vor dem Hintergrund dieses breiten Zuspruches kritisieren wir mit Nachdruck die Sprecher_innenschaft, Konzepte, Begriffe und Programme von Tagungen wie “Mind the Gap”, da sie selbst rassistischen Ausschluss schaffen, statt sich mit dem eigentlichen Gegenstand konstruktiv auseinander zu setzen.
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