Richard and The Henrys

von Andreas Schnell

Bremen, 30. Januar 2014. Bei der Premiere von Richard III an gleicher Stelle vor knapp einem Jahr versuchte sich Christian Bergmann recht vergnüglich darin, etwas Klarheit in die reichlich komplexen Verwandtschaftsverhältnisse des britischen Königshauses im ausgehenden Mittelalter zu bringen. Als eine Fortsetzung dieses Bestrebens lässt sich nun die neue Produktion der Bremer Shakespeare Company verstehen: In "Shakespeares Könige" fassen Johanna Schall und Grit van Dyk Shakespeares Historien über Richard den Zweiten und die Heinrichs IV bis VI in einem Stück zusammen.

Klingt einleuchtend. Wer kein ausgebuffter Historiker oder/und Shakespeare-Fan ist, hat ja auch genug zu tun, diese Familienbande nachzuvollziehen. Wirklich schlauer ist man allerdings in dieser Hinsicht auch nach diesen beinahe drei Stunden nicht. Einige andere Erkenntnisse lassen sich aber durchaus gewinnen.

shakespearesknige2 560 marianne menke uKönige mit Visionen © Marianne Menke

Der Text von "Shakespeares Könige" ist sozusagen das politische Skelett der Königsdramen. Die Scharmützel zwischen den rivalisierenden Parteien, die taktischen Manöver um die Macht bilden das wesentliche Material, was, weil eben Politik, also mit viel Gerede verbunden, die Angelegenheit ein wenig statisch geraten lässt. Auch wenn ein bisschen Gewalt, gern slapstickig überspitzt, gelegentlich Bewegung in die Szene bringt, wenn Michael Meyers unglücklich agierender York immer wieder mit der Nase auf den Tisch gestoßen wird, weshalb er alsdann ein Weilchen Taschentuchknäulchen in den Nasenlöchern trägt. Weil Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln zu ebenjener gehört, bringen auch die Kriegsschilderungen ein bisschen Dynamik in den Abends und bieten den Schauspielern u.a. Gelegenheit, ihr Raptalent zu beweisen.

"Shakespeares Könige" ist eine durchaus interessante Meditation über das Verhältnis von Macht und Recht – nicht nur in Zeiten der Alleinherrschaft. In einem Interview mit dem Bremer Lokalteil der taz wies Johanna Schall unlängst darauf hin, dass das Wörtchen "Recht" in den Königsdramen eine zentrale Rolle spielt. Das Recht führen hier immer beide Seiten im Mund, um es sich für ihre Machtgelüste dienstbar zu machen. Weil aber, damit es ein Recht gibt, auch eine Macht existieren muss, die es formuliert und durchsetzt, herrscht im scheinbar monolithischen Herrschaftsverhältnis der Monarchie ständig politische Spannung.

Textrauschen gebiert politische Essenz
Schall "enthistorisiert" die Könige in ihrer Inszenierung, indem zwar in Shakespeares Worten ihre Geschichte erzählt wird, sie aber in alltäglichem Verhalten und schlichten Kostümen alles andere als königlich daherkommen, eher mal sehr normal-menschlich wirken, mal den Charme rivalisierender Gangster-Cliquen verströmen.

So macht die Inszenierung den Gedanken plausibel, dass auch in anderen Zusammenhängen und Staatsformen Recht immer wieder für Macht instrumentalisiert wird. Vor allem im ersten Teil funktionieren "Shakespeares Könige" mit reichlich Tempo eher wie Textrauschen, aus dem ganz allmählich die politische Essenz heraustritt und auf der Oberfläche schillert.

Mit dem Niedergang der Monarchie sind die Probleme dieser Stücke nicht begraben, sagt der Abend immer wieder: Den Prinz von Wales zeigt er im Schlabber-Look mit Jogginghose und Kapuzenpulli als Drogenwrack von heute. Auch die Strategie Heinrichs V, der einen Krieg gegen Frankreich anzettelt, um von den inneren Problemen abzulenken, wirkt beklemmend aktuell.

Strenger Inszenierungsgeist
Für Shakespeare-Company-Verhältnisse ist das Setting ungewohnt sparsam. Außer einem großen runden Tisch und ein paar Stühlen bleibt die Bühne leer, das dominierende Schwarz wird lediglich mit pointierten Lichteinsatz zerlegt. In diesem kargen Ambiente hat Schall dem sechsköpfigen Ensemble die Flausen, zu denen die Company noch in den schwersten Stoffen neigt, überraschend gründlich ausgetrieben (auch wenn sie sich das Singen dann doch nicht ganz verbieten lassen).

Das hat allerdings nicht nur Gutes, sondern offenbart auch einige deutliche Schwächen. Schauspielerisch nämlich haben die sechs von der Company teils durchaus mit dem stark verdichteten Text zu kämpfen. Was gewiss auch dazu beiträgt, dass zumindest die Sache mit den Königen – und wer jetzt wen warum genau meuchelt – am Ende dann doch ein Rätsel bleibt.

Auch wenn das wie immer zahlreich erschienene Stammpublikum im Theater am Leibnizplatz selten einen so textlastigen und politisch ambitionierten Abend zu sehen bekommen haben dürfte, gab es langanhaltenden Applaus.

Shakespeares Könige. MORD MACHT TOD.
nach William Shakespeare von Johanna Schall und Grit van Dyk
Auf der Grundlage der Shakespeare-Übersetzungen Frank Günthers
Regie: Johanna Schall, Bühne/Kostüme: Heike Neugebauer, Musikalische Leitung: Andy Frizell, Dramaturgie: Grit van Dyk.
Mit: Tobias Dürr, Ulrike Knospe, Petra-Janina Schultz, Michael Meyer, Rune Jürgensen, Erik Roßbander.
Dauer: 2 Stunden 45 Minuten, eine Pause

www.shakespeare-company.com

 

Kritikenrundschau

"Im Grunde sind es sieben Theaterabende in einem", schreibt Uwe Dammann im Weserkurier (1.2.2014). "Bei voller Textlänge hätte die Inszenierung wohl beinahe 30 Stunden gedauert." Hier sind es nur drei, die ihre Längen haben, weil das Stück trotz aller Songs und anderer Unterhaltsamkeiten durch die Monologe der Potentaten geprägt werde.

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