Vielfältige Blickwinkel

25. Februar 2014. Das Theater Chemnitz vergibt am heutigen Dienstagabend zum ersten Mal den "Chemnitzer Theaterpreis für junge Dramatik" – er geht an den Brandenburger Autor Martin Bauch für sein Stück "Die Erben des Galilei", das sich der Pressemitteilung des Theaters Chemnitz zufolge "in einer Krimi ähnlichen und mitunter sehr beklemmenden Atmosphäre der Frage von Schuld und Sühne widmet". "Sebastian war Kriegsreporter in Afghanistan, Lysann ist während des georgischen Bürgerkriegs nach Deutschland geflüchtet. Beide begegnen sich in Frankfurt, und es stellen sich überraschende Gemeinsamkeiten heraus."

Auf Platz zwei ist "iMan", eine "Komödie für fünf Personen und eine Maschine" von der Wiener Autorin Katharina Köller gelandet. Platz drei belegt "Tempelhofer Freiheit" von dem Berliner René Weisel.

Der erste Preis ist mit 5.000 Euro dotiert, außerdem wird das prämierte Stück am Schauspiel Chemnitz uraufgeführt – Premiere ist am 25. Mai 2014. Die zweit- und drittplatzierten Stücke präsentiert das Theater in szenischen Lesungen, auch im Mai.

Das Schauspiel Chemnitz hatte den Preis für deutschsprachige AutorInnen bis zu einem Alter von 35 Jahren im Sommer 2013 ausgeschrieben, deadline war der 31. Dezember 2013.

Insgesamt 53 Einsendungen aus dem gesamten Bundesgebiet, Österreich und der Schweiz haben das Theater nach eigener Auskunft erreicht – der Preisjury, die die drei Gewinner auswählte, gehörten die Publizistin Kerstin Decker, der Vorsitzende des Chemnitzer Theaterfördervereins Johannes Schulze, der Chemnitzer Schauspieler Philipp Otto, die Regisseurin Silke Johanna Fischer (die das Gewinnerstück zur Uraufführung bringen wird) und die Dramaturgin und Leiterin des Chemnitzer Schauspielstudios Kathrin Brune an.

Die Ausschreibung des Preises unterlag keinen inhaltlichen oder formellen Vorgaben, so die Pressemitteilung des Theaters Chemnitz, "denn es ging nicht darum, Ideen und Gedanken unter ein Motto zu pressen, sondern einen freien Spielraum für Geschichten zu schaffen."

Bei den eingereichten Stücken sei eine "erfreuliche Tendenz zum Geschichten-Erzählen" sowie eine "Auseinandersetzung mit sehr 'fleischlichen' und lebendigen Figuren, ihren Lebensgeschichten und Konflikten" festzustellen. Das Themenspektrum reiche von der Beschäftigung mit der Absurdität moderner Medienwelten über  die Auseinandersetzung mit der Familie als kleinste Zelle des Terrors bis hin zu der Frage, wie wir eigentlich leben wollen. Dabei seien die Blickwinkel "äußerst vielfältig und individuell".

(Theater Chemnitz / sd)

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Kommentare  
Theaterpreis Chemnitz: geräuschlos und glatt
Der tatsächliche Gewinner: Wenn Intendanz und Dramaturgie gar nichts mehr einfallen, veranstalten sie einen Autorenpreis. Die Vorteile liegen auf der Hand. Das Haus bekommt ein so genanntes nicht uraufgeführtes Stück ohne auch nur das geringste Risiko einzugehen. Regie und Dramaturgie suchen sich aus einem Überangebot das für sie Passende aus. Anders als bei einem Auftrag, brauchen sie sich weder an einem Stoff noch an einem Autor reiben. Die Aktion verläuft bestens geschmiert geräuschlos und glatt. Das Ganze lässt sich wunderbar als ein besonderes Engagement für die Jugend der Stadt verkaufen. Hinzu kommt, dass das zumeist lächerlich geringe Preisgeld nicht vom Theater selbst erbracht wird.
Theaterpreis Chemnitz: Junge Dramatik, alter Autor?
Das eigentlich Absurde ist doch, dass junge Dramatik mal wieder daran gemessen wird, wie alt der Autor ist. Was soll das? Warum passiert das immer wieder? Sollte nicht ein möglichst gutes Stück gesucht werden, egal ob von jung oder alt, männlich oder weiblich, homo- oder heterosexuell, schwarz, weiß, grün oder blau? Kann nicht ein fünfzigjähriger ebenso junge Dramatik schreiben wie ein fünfundzwanzigjähriger? Mit welchem nachvollziehbaren Grund wird nach einem Autor bis zu 35 Jahren gesucht? Warten auf Godot hätte wieder mal keine Chance gehabt!
Theaterpreis Chemnitz: billiges Einkaufen
Wie einfältig die Inszenierung dieses Wettbewerbes ist, zeigt sich bereits an der Ausschreibung. Entweder war es eine völlige Konzeptionslosigkeit, eine Faulheit oder eine Mischung aus beidem, die die Dramaturgin Brune und ihre Mitstreiter dazu bewegt hat, einen Preis auszuloben ohne auch nur im Ansatz ein Motto für diesen Preis zu entwickeln. Tatsächlich war als einzige Einschränkung - neben der obligatorischen Jungfräulichkeitsgarantie des Textes - das Alter der Autoren ausschlaggebend. Bislang bleibt das Schauspiel Chemnitz eine Erklärung schuldig, was die Gründe für diese Einschränkung sind. Es ist der Eindruck entstanden, dass hier nicht einmal der Wille besteht, etwas gemeinsam zu entwickeln, einen schreibenden Menschen zu entdecken und kennenzulernen. Billiges Einkaufen ohne das geringste Risiko. Schnelles Verramschen und Wegwerfen. So war die ganze Veranstaltung von Anfang an als Farce angelegt. Die Leidtragenden sind die Autoren, die hier einmal mehr wie Idioten vorgeführt werden.
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