Postmigrantischer Kulturaufstand

7. März 2014. In der Süddeutschen Zeitung fasst Christine Dössel unter der Überschrift "Die Ausgeschlossenen" die Debatte um Multiethnizität, PoCs und Blackfacing auf deutschsprachigen Bühnen zusammen. Anlass ist der Münchner Döner Salon mit dem Thema: "Struktureller Rassismus", veranstaltet vom Göthe Protokoll. Das hatte sich als Reaktion auf das Stadtprojekt "Niemandsland" der Münchner Kammerspiele gründete. Damals schrieb Tuncay Acar in seinem Blog: "Ich werde einen Teufel tun und euch zum dreitausendfünfhundertsten Mal mein 'migrantisches Bahnhofsviertel' erklären! Bin ich Kasperle oder was? Das ist auch euer Viertel, verdammt. Guckt es euch halt an." Es folgte eine erste Göthe-Protokoll-Diskussion unter dem Titel "Welch ein Theater?", zu dem auch die Spitzen der Münchner Stadttheater kamen.

"Fakt ist: Während 'die Weißen' ganz selbstverständlich fremdländische Rollen wie Shakespeares Othello oder den Sultan Saladin in Lessings 'Nathan, der Weise' spielen, schließt das Theater migrantisch aussehende Schauspieler notorisch von den weißen Rollen des bürgerlichen Repertoires aus", so Dössel. "Ein schwarzer Hamlet? Eine Türkin im deutschen Trauerspiel? Ein indisch aussehender Prinz von Homburg? Ja, wo gibt's denn das?!"

Das gibt's natürlich nicht nur in München, also holt Dössel weit aus, erzählt von Bühnenwatch und Didi Hallervorden, vom Blackfacing-Vorwurf gegen die Wiener Festwochen, vom offenen Brief des Schauspielers Murali Perumal und von der Kulturwissenschaftlerin Azadeh Sharifi, die das Argument, es gäbe nicht genügend gute migrantische Schauspieler, mit einem strukturellen Ausschluss kontert, "eben weil viele der Künstler_innen gar keine Möglichkeiten bekommen, Erfahrungen zu sammeln und immer gleich in Schubladen gesteckt werden. Was eine Rassifizierung ihrer Arbeit ist." Sharifi ist auch die Überleitung zur Berliner Mind the Gap-Konferenz und zur Gegenbewegung Mind the Trap.

"Der postmigrantische Kulturaufstand hat begonnen", konstatiert Dössel. "Er zeitigt fragwürdige Wortschöpfungen wie den Begriff 'Biodeutsche' (als Pendant zu Deutschen mit 'Migrationshintergrund') und wütende Statements wie das des Künstlers Bülent Kullukcu, der sagt: 'Wir verlangen hier unser deutsches Recht. Wir sind die neuen Deutschen!' Er hat unangenehme Ausschläge wie jede Revolte, aber das Unbehagen, das er auslöst, tut der Sache gut. Die kritisierten Institutionen stehen zunehmend unter Rechtfertigungsdruck, allen voran die Theater. Die meisten wissen ohnehin, dass sich was ändern muss. Auch wenn sie den Vorwurf des Rassismus von sich weisen."

Wie Dramaturg und Autor Björn Bicker, der laut Dössel versichert, "dass da keine Rassisten in den Theatern hocken", es in Deutschland nur kein Bewusstsein für strukturellen Rassismus gebe, zumal der Ausschluss in der Hochkultureinrichtung Theater gewollt sei, da "identitätsstiftend". Als Identifikationsort für all die Ausgeschlossenen macht Dössel das Berliner Gorki Theater aus. "Ob vom postmigrantischen Gorki-Trupp das Theater der Zukunft erfunden und ein 'interkulturelles Mainstreaming' etabliert wird – analog zum Gender-Mainstreamig –, muss sich zeigen. Tatsache ist: Das Haus brummt und gilt gerade in der jungen, international gemischten Szene Berlins als absoluter Hot Spot."

(geka)

Kommentare  
Presseschau Postmigrantischer Aufstand: nicht reden, machen
bitte keine weiteren Diskussionen über Blackfacing und co führen, nichts theoretisieren, sondern einfach bitte mal in die Tat umsetzen.
Alle talentierte bon Biodeutsch über PoC auf die Bühne und weitergehen. Es kränkt mich, das noch immer auf meinen Schultern diskutiert wird.
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