Halt' die Klappe, Künstler!

von Andreas Schnell

Bremen, 7. März 2014. Vielleicht ohne es wirklich zu wollen, spricht "Munch und Van Gogh – Der Schrei der Sonnenblume" von Marc Becker, das am Freitagabend in Oldenburg im Rahmen des Festivals "Go West" seine deutsche Erstaufführung feierte, sein Problem selbst aus: Was der Kunstliebhaber wolle, sei Schokolade – etwas, das dem profanen Alltag ein wenig Sinn entgegensetze und erbaulich sei.

Es sagt dies im Stück ein Kunstsammler, der in einer reißerischen Talk-Show mit desolatem Gastgeber und "radikalen Gästen" – wie zuletzt Stalin und Schostakowitsch und beim nächsten Mal Amy Winehouse und Janis Joplin – auf zwei seiner favorisierten, weil profitabelsten Sammelobjekte trifft: Edvard Munch und Vincent Van Gogh. Wobei sich besagter Sammler einerseits als gewiefter Geschäftsmann erweist, andererseits als Ignorant, der nicht einmal weiß, wie man Munch richtig ausspricht.

Der Mörder ist immer der Markt

Natürlich widersetzen sich die beiden solchermaßen für das falsche Leben in der richtigen Kunst vereinnahmten Promis aufs Entschiedenste. Zwischen Bohème und Kapitalismuskritik, zwischen Wahn und Ekstase sehen sie sich dann doch besser aufgehoben, auch wenn das nicht ganz ohne Leiden abgehen mag. Besser als ein Leben für den Kommerz ist es für sie allemal. Kein Wunder, dass sich die beiden Maler, die sich im wirklichen Leben nie begegneten, blendend verstehen.munch und van gogh 560 knut bry uSie sind doch wirklich knuffig, diese Künstler: Van Gogh und Munch. © Knut Bry

Am Ende macht der Sammler wahr, was er für das einzig richtige Verhältnis von Kunst und Markt hält: Die Künstler sollen die Klappe halten, und am besten sind sie möglichst bald tot. Dann nämlich können sie nicht mehr weitermalen und so die Preise durch Überproduktion versauen. Im Grunde schnurrt sich auf diesen schlichten Diskurs alles zusammen, was in den 60 Minuten dieses Abends verhandelt wird. Und das ist nicht eben viel.

Zartbittere Künstlerseelen

Aber natürlich funktioniert so ein Stück immer auch noch auf anderen Ebenen. Die setzen sich hier aus dem potentiell komischen Setting und der Darreichungsform zusammen: Schließlich ist die Ulrike Quade Company eine Figurentheater-Truppe von Rang. Quade und ihrer Mitspielerin Cat Smits sowie einer guten Handvoll teils lebensgroßer Puppen (neben dem Moderator, einem Talking Head, der per Videoeinspieler biographische Hintergründe liefert, dem Sammler und den beiden wiederauferstandenen Künstlern gibt es vor allem Munch noch in zwei jüngeren Varianten) gelingt es dabei durchaus, den Figuren Leben einzuflößen. Dabei treten die beiden Spielerinnen selbst als Show-Assistentinnen im Stück auf, die sich unter anderem diverser Zudringlichkeiten erwehren müssen und ihnen bei Gelegenheit erliegen, was der Sache zusätzlichen Charme verleiht.

Ja, "Munch und Van Gogh" hat durchaus Witz, ein bisschen wie in den hintersinnigeren Scherzen der Muppets-Show. Allerdings müht sich das Stück an seinen ernsteren Themen ab, ohne viel mehr als Klischees und Charaktermasken zu zeigen. Womit "Munch und Van Gogh", wie eingangs angedeutet, viel von dem hat, was es kritisiert: Ein ansprechend aufgemachter, halbwegs amüsanter Abend mit ein wenig Pathos, schablonenhafter Verherrlichung der rebellischen und zerrissenen Künstlerseele – kurz: ein bisschen süß, ein bisschen bitter, ein bisschen Schokolade, um den Alltag aufzubrechen. Nur vielleicht ein bisschen weniger befriedigend.

 

Munch und Van Gogh – Der Schrei der Sonnenblume
von Marc Becker
Inszenierung: Jo Strömgren, Puppen: Ulrike Quade und Maria Landgraf, Kostüme: Jacqueline Steijlen.
Mit: Cat Smits, Ulrike Quade, Vincent Doddema
Dauer: 1 Stunde

www.staatstheater.de

 

Kritikenrundschau

Für die Nordwest Zeitung (10.3.2014) hat Reinhard Tschapke "ein kleines Theaterwunder" gesehen. Ulrike Quade und Cat Smits verarbeiteten den Text auf recht abstrakter Bühne "als endlose Klage, aber auch mit Witz und Ironie". "Van Gogh und Munch sind verkrachte Existenzen, die Kunst leben und am Leben leiden." Das werde nicht chronologisch erzählt, sondern "assoziationsreich gestapelt – mal gebrochen, mal rein informativ, (…) oft traurig und mit vielen Höhepunkten". Fazit: "Alles war nett. Und ganz gut. Aber auch gut, dass es nur eine Stunde war", so Tschapke: "Sonst hätte man glatt gedacht, dass doch nur mit Puppen rumgespielt wurde."

Man hat schon viel aushalten müssen (…), bis das Stück seine verworrenen Handlungsstränge und Zeitsprünge (…) erklärt", schreibt ein verärgerter Johannes Bruggaier in der Kreiszeitung Syke (10.3.2014). So quake eine Witzfigur von Moderator als Puppenzwerg wirres Zeug über Sein und Zeit von der Bühne herab (…). Woraufhin ein gleichfalls in Puppengestalt wiedergeborener Kunstsammler namens Gottlieb Hermann nicht zu Unrecht frage. was denn "dieser esoterische Unsinn" solle. Und wenn van Gogh an einer Stelle rufe "So, jetzt ist es aber genug!", möchte der Rezensent ihm "wahrhaftig nicht widersprechen".

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