Geld nur noch für sittliche Werte

14. März 2014. In der Tageszeitung Die Welt (14.3.2014) berichtet Cigdem Toprak über aktuelle Zensurmaßnahmen gegen Theatermacher in der Türkei. Die von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan geführte AKP-Regierung beabsichtige die Privatisierung der Staatstheater und die Errichtung eines staatlichen Kunstrates, von dem Kritiker umfangreiche Eingriffe in das Kunstschaffen erwarteten.

Der von der Regierung berufene Rat soll laut Gesetzesentwurf aus elf Mitgliedern bestehen, die darüber entscheiden sollen, welche Dramen, Filme und Theateraufführungen finanziert werden. Viele Schauspieler, so Toprak, seien "besorgt, dass dann nur jene Stücke gefördert werden, die der Ideologie der Regierung entsprechen." Bereits seit diesem Jahr werde per Gesetz nur solchen Privattheatern eine staatliche Unterstützung gewährt, "deren Aufführungen mit 'sittlichen Werten' der türkischen Gesellschaft konform" seien. 2012 habe der Ministerpräsident Erdogan Theaterschauspieler als "arrogante, alkoholabhängige Schauspieler" beschimpft und ihnen vorgeworfen, sie würden den konservativen Teil der Bevölkerung verunglimpfen.

Zensur und Selbstzensur

Als einen der wenigen Künstler, die sich trauen, offen gegen Zensurmaßnahmen aufzutreten, stellt Toprak den regierungskritischen Seriendarsteller und Schauspieler Baris Atay vor, von dem ein Stück nur unter der Bedingung, dass Titel und Autorname ungenannt blieben, auf den Spielplan der von einem Privattheater angemieteten Stadtbühne in Kocaeli kommen sollte.

Verallgemeinert stellt der Schauspieler Emre Kinay vom privaten Theater Duru die Lage dar: "Eine direkte Zensur der Regierung ist nicht mehr notwendig, die Menschen zensieren sich bereits selbst", wird Kinay zitiert. "Wenn wir uns beispielsweise dagegen entscheiden, ein bestimmtes Theaterstück aufzuführen oder darin mitzuspielen, weil wir befürchten, dass wir das Stück nicht spielen werden dürfen. Als Schauspieler zieht man es dann vor, erst gar nicht damit zu beginnen."

(chr)

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