Apparat frisst Kunst

25. März 2014. In der Berliner Zeitung macht Dirk Pilz als den eigentlichen Schaden, den die Burg-Krise anrichtet, den enormen Imageverlust des Stadttheaterbetriebs insgesamt aus. "Österreich und Deutschland sind in Theaterbelangen nicht geradewegs zu vergleichen, aber hier wie da kämpft das öffentlich bezuschusste Stadttheater mit Strukturproblemen, die seine Substanz bedrohen: zum Spar- kommt der Legitimationsdruck." Sinkende Zuschauerzahlen um gut eine Million pro Jahrzehnt drückten "vor allem die Tatsache aus, dass die Häuser längst nicht mehr der Hauptanbieter von Kultur in einer Stadt sind. Es ist jenes Bedeutungsgefälle verschwunden, das den Theatern über Jahrzehnte zugute kam: Dass der Besuch eines Popkonzerts oder einer Zirkusshow etwa kulturell irgend niederrangiger sei, gilt für die Mehrheit längst nicht mehr."

Dennoch gingen in Deutschland gut 35 Prozent sämtlicher Kulturausgaben an die Theater und Orchester, erst danach kämen die Museen mit 18 Prozent. "Auch wenn man in Rechnung stellt, dass stehende Gewerke wie die Ensemble- und Repertoirebetriebe der Theater teurer als weniger personalintensive Einrichtungen wie Museen sind, wird immer lauter gefragt, ob hier noch die Relationen stimmen, nicht zuletzt von der geldgebenden Politik.“ Immer mehr Veranstaltungen der fünften Sparte und immer mehr Spielstätten stünde ein deutlich geschrumpftes Personal gegenüber: "Waren 1991/92 noch 45000 Menschen im Theater beschäftigt, sind es heute gut 15 Prozent weniger. Umgekehrt haben sich die Kurzarbeitsverträge in dieser Zeit verdreifacht." Bis zu 90 Prozent der Zuschüsse würden von den nichtkünstlerischen Angestellten eines Theaters aufgebraucht, "weil sie in der Regel nach dem Flächentarif des öffentlichen Dienstes bezahlt werden. Das ist das Kernproblem: Der Apparat frisst die Kunst."

Wenn dazu Intendanten bis zum Zehnfachen dessen verdienen, was ein Schauspieler bekommt (von Hospitanten oder Praktikanten zu schweigen), würden Strukturprobleme offenbar, die durch Haustarifverträge allein nicht zu lösen seien. Die mögen "kurzfristig eine Lösung sein, auf lange Sicht kommen die Stadttheater jedoch nicht um eine grundlegende Neustrukturierung herum".

(geka)

Kommentare  
Presseschau Stadttheaterkrise: für einen Aufstand der Kreativen!
Ein ganz wichtiger Beitrag zur Diskussion um die Krise(n) am Stadttheater. Leider wahrscheinlich einer von den vielen Artikeln und Aufsätzen, Büchern und Kommentaren, die seit längerer Zeit über den Zustand des subventionierten Theaterbetriebes verfasst wurden und dann mit Schimpf und Schande von den Profiteuren dieser völlig veralteten und korrupten Struktur der meisten Kulturbetriebe am liebsten in den Müll geworfen werden. Wann begreift die Öffentlichkeit endlich, dass das subventionierte Staats- und Stadttheater in dieser Form genau das Gegenteil von Kunst hervorbringt und alles andere als die künstlerische Freiheit schützt?! Die Diskussionen um den Erhalt der Stadttheater sind leider mehr als berechtigt. Aber vor allem sind es die Künstler selber, die endlich den Mut beweisen müssen, offen auszusprechen, worunter sie in diesem seit über 200 Jahren alten System leiden. Es muss in der Tat einen Aufstand der Kreativen geben, um endlich eine grundlegende Reform dieses völlig aus der Zeit gefallenen Systems anzustoßen. Die Gegner von solchen Reformen sind mächtig und sitzen in den Besitzstandsverbänden wie dem Deutschen Bühnenverein oder der Dramaturgischen Gesellschaft. Aber es scheint eine Illusion zu sein, dass sich Schauspieler oder Tänzer, Sänger oder Bühnenbildner, Regisseure oder Musiker gegen die offen praktizierte Feudalherrschaft einiger Weniger zur Wehr setzen, solange sie in irgendeiner geringen Form die Krümel vom Tisch essen dürfen. Das Vorhaben des Bühnenvereins, das Deutsche Stadttheater zum UNESCO Weltkulturerbe ernennen zu lassen, ist ein Hohn angesichts der unglaublichen Vorgänge in den Kulturbetrieben. Es ist offensichtlich, dass sich dieses "kurfürstlich" anmutende System nur durch die Angst der Künstler erhält: Existenzangst, Angst vor der Allmacht der jeweils vorgesetzten Instanz, Angst vor Gagenkürzung oder Nichtverlängerung, Angst vor Abhängigkeit... Das Stadttheater ist schon längst kein Ort der darstellenden, lebendigen Kunst mehr - und frei schon gar nicht. Es ist, wie treffend formuliert, ein sich selbst erhaltender Verwaltungsmechanismus, der zum Selbstbedienungsladen einiger Weniger geworden ist, die sich gegenseitig die Posten und Gelder zuschieben. Um das zu erhalten, wird in den allermeisten Spielplänen ein "Erträglichkeits-Theater" angeboten, das die ohnehin zumeist gut betuchten Abonnenten befriedigt. Die Kunst, die Künstler dienen als Tarnkappe für die systemimmanente Korruption.
Presseschau Stadttheaterkrise: Stoßseufzer
wenn nur alle theaterkünstler solches konkretblondes als wahrheiten
in ihr bewusstsein aufnehmen würden . . .
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