Presseschau vom 27. März 2014 - Der Schriftsteller Peter Truschner kommentiert in der "Presse", dass der Abstieg des Burgtheaters bereits unter Klaus Bachler begann
Luxusverwahrlosung
27. März 2014. Der Name, der mit dem steten Abstieg des Wiener Burgtheaters in Verbindung zu bringen ist, lautet nicht Matthias Hartmann, sondern Klaus Bachler, schreibt der Schriftsteller Peter Truschner in der Presse. Schon unter seiner Intendanz veränderte sich das Profil des Hauses in einen Durchgangsbetrieb für reisende Vertreter des Regietheaters.
Er will zwar auch nichts Gutes am fristlos entlassenen Intendanten finden oder sich gar dazu genötigt fühlen, ihn zu verteidigen, schickt Peter Truschner seinem Text in der Presse (27.3.2014) voraus. Dennoch sei es im Sinne einer sachlichen Analyse des Burgtheater-Dilemmas wichtig festzustellen, dass die Art und Weise, wie die Fehlentwicklungen an der Burg Hartmann persönlich und ursächlich angelastet werden, lächerlich und schlicht unwahr ist. "Der Name, der zuerst mit dem langsamen, aber steten Abstieg des Burgtheaters in Verbindung zu bringen ist, lautet nicht Matthias Hartmann, sondern Klaus Bachler", so Truschner.
Claus Peymann und Hermann Beil gaben dem Haus beispiellose gesellschaftliche Relevanz und Brisanz. Gleichzeitig arbeiteten sie akribisch am Alleinstellungsmerkmal der Burg, nämlich "der Tatsache, dass es gewisse Inszenierungen und eine enge Zusammenarbeit mit für die Gegenwart prägenden Autoren in Kombination mit einem brillant aufgestellten Ensemble so nur an der Burg zu sehen gibt."
Die Ära Bachler hat dem unaufgeregt den Garaus gemacht. "Bachler war der netzwerkintensive, unsentimentale Kulturmanager neuen Typ", der die Burg nicht gestaltete, sondern nur verwaltet habe, "ein smarter Makler, der Luxusimmobilien exquisit mit lebendem Inventar auszustatten und zu bespielen weiß."
Die Burg wurde zu einem Durchhaus, zu dem die ausgewählten Vertreter des Regietheaters von ihrer letzten Arbeit am Hamburger Thalia Theater anreisten, um zu ihrem nächsten Projekt ans Deutsche Theater Berlin abzureisen. "Dieses Theaternomadentum im Zeichen üppiger Regiehonorare hat die Burg endgültig zu einem Theater unter vielen gemacht." Die (überwiegend männlichen) Vertreter dieses Systems gehorchten der Logik des Theater- Schwanzvergleichs: viele Inszenierungen, viel Geld, hoher Status. "Getarnt wird das zumeist mit dem üblichen Theaterkitsch: Der Mann brenne eben für das Theater, er sei überhaupt nur im Theater und auf der Probe zu Hause."
Anzulasten sei das auch der Politik, die in Bezug auf das Theater zumeist das tut, was ihr am liebsten ist – nämlich nichts. "Die Burg gilt als ein Selbstläufer wie der Opernball. Sich Gedanken um ein nachhaltiges Konzept zu machen, erscheint unnötig und ist außerdem mit einem gewissen Aufwand an Arbeit und Innovation verbunden, der nicht wirklich ein Markenzeichen österreichischer Kulturpolitik ist."
(sik)
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Da lohnt sich - wie selten einmal - eine Lektüre des ganzen Textes im Original. Mir haben vor allem die "doppelte Schleimrolle" und der "eingesprungene Bückling" gefallen.
Muss wieder mal nach Wien.
Jetzt wieder die ach so große Bedeutung des Burgtheaters unter Peymann hervorzukramen, überschätzt einerseits die Bedeutung, die das Haus damals außerhalb der Grenzen Österreichs hatte, unterschlägt andererseits, dass auch Peymann Regisseure ans Haus geholt hat, als sie an anderen Häusern längst groß und bekannt waren, also zu jenen herumreisenden Regisseuren gehörten, die Truschner kritisiert.
Das Schlimmste ist aber: Die Bedeutung eines Theaters hängt nicht allein vom Intendanten ab - es kann doch niemand bestreiten, dass zu Peymanns Zeiten generell ein anderes Selbstverständnis in Bezug auf das Theater geherrscht hat. Wie man am Berliner Ensemble sieht, kann der gleiche Intendant die Bedeutung, die er dem Burgtheater verliehen hat, auch heute nicht mehr herstellen. Seine Nachfolger noch ein Viertel Jahrhundert danach also an einer Wirkung zu messen, ohne in Betracht zu ziehen, dass sich die Zeit und die Umgebung geändert hat, ist schockierend kurzsichtig für einen Autor.
Dass Peymann in Berlin gescheitert ist, hat damit zu tun, dass er das BE im Gegensatz zu seiner Burgtheater-Intendanz im Grunde als geschlossene Veranstaltung für Altbewährte(s) führt - warum, bleibt (mir) ein Rätsel.
Die in Truschners Artikel angesprochenen Missstände seitens der Intendanz, des honorarfixierten Theater-Hoppings der Regisseure, der Innovationslosigkeit der Kulturolitik, der strikten Hierarchie(n) im Theater usw. empfinde ich allesamt als sehr zutreffend geschildert.
Sie haben eine etwas seltsame Erinnerung an die Themen, die in der Zeit Peymanns relevant waren. Hörbigers waren wohl nur in der Diskussion um Elfriede Jelineks „Burgtheater“ relevant, das Peymann zu spielen abgelehnt hat. Hitler fand in Taboris „Mein Kampf“ Bühnenpräsenz, sonst wüsste ich nichts.
Ganz grundsätzlich konnte Peymann dem Haus eine eigene unverwechselbare Identität verleihen, die Vorreiter in der Theaterszene war und nicht das zeitversetzte Nachspielen schon in Deutschland erfolgreich Gezeigtem. Und Persönlichkeit und Identität gelingt ihm in Berlin auch, was ihm noch immer eine unübersehbare Position unter den Theatern sichert.
Zurück zu Peymanns Burg:
Starke Reaktion ist mir in Erinnerung als er die traditionellen Österreichklassiker (Raimund, Nestroy, Grillparzer) von den zeitgenössischen Autoren Bernhard, Turrini, Jelinek und Handke konkurrieren ließ.
Heftige Reaktionen lösten für das große Haus vollkommen neue Theaterformen aus wie Inszenierungen von Achim Freyer, Handkes „Spiel vom Fragen“ oder aber „Elvis & John“ aus.
Kritische Auseinandersetzungen mit Kirche, Krisen am Arbeitsmarkt wurden von Peter Turrini eigentlich zeitgleich mit den Diskussionen in den Medien auch auf der Burgtheaterbühne geführt. Ein Autor, der nach Peymann am Burgtheater vermieden wurde.
Sie schreiben: "Ganz grundsätzlich konnte Peymann dem Haus eine eigene unverwechselbare Identität verleihen, die Vorreiter in der Theaterszene war und nicht das zeitversetzte Nachspielen schon in Deutschland erfolgreich Gezeigtem"
So ganz stimmt das ja nicht - Peymann selbst, Bondy, Zadek, Tabori und später Marthaler, Schleef, Castorf wurden doch von ihm erst an die Burg geholt, als sie in Deutschland längst etabliert und viel gespielt waren. Das macht nichts - sie haben teilweise an der Burg ihre besten Arbeiten gezeigt (Vor allem Zadek, Tabori...)
Aber jetzt den Nachfolgern vorzuwerfen, sie hätten an anderen Häusern etablierte Regisseure an die Burg geholt und so auswechselbar gemacht, ist lächerlich, wenn Peymann genau das selbe gemacht hat. Und auch Kusej, Beier, Stemann, Pollesch, Schlingensief haben dann etwa unter Bachler mit ihre besten Arbeiten an der Burg geschafft ...
(Zudem sich mir die Frage stellt, ob es überhaupt möglich wäre, einen Regisseur, eine Regisseurin so ans Haus zu binden, dass keine Arbeiten von ihm/ihr wo anders zu sehen wären...)
P.S.: Marthaler hat meinem Wissen nach nie an der Burg inszeniert, Bondy erst als Intendant der Wiener Festwochen unter Bachler. Breth allerdings schon in der Peymann-Zeit und hat meiner Empfindung nach nie wieder die Qualität des "Zerbrochenen Krugs" - ihrer ersten Burgarbeit – erreicht.
Theaterleiter und Regisseure als Motivationstrainer von Schauspielern zu sehen, halte ich allerdings ein wenig feige. Nach dem Motto: „Setze ich mich durch bin ich ein guter Schauspieler, gelingt mir das nicht, ist die Leitung schlecht“. Das dürfte ja – außer den finanziellen Ungereimtheiten – ein ganz ausschlaggebender Punkt in der Ablöse Hartmanns sein. Der Neid auf Michael Maertens, der sicher besonders viele, große Rollen spielte, begann ja bereits in der ersten Hartmann Saison. Allerdings war er gleichzeitig für den Zuschauer-Boom mitverantwortlich. Dass dieses wieder Kollegen frustrierte, ist zwar verständlich, aber für einen Theaterleiter halt nicht nach dem Paritätsprinzip lösbar. Ähnlich problematisch halte ich die jetzt angestrebte Auflösung oder Minimierung der Jugend- und Kinderschiene. Es gab da so viel Begeisterung, die sich sicher in die Zukunft des Theaters hinüberretten ließe, auch wenn sie jetzt verhältnismäßig viel kostet. Die Marke Burgtheater nicht durch künstlerischen Impetus sondern durch Betriebsgebrauchsanweisungen der Holding und des Aufsichtsrates zu stilisieren, halte ich für falsch. Sie vergessen: Das Publikum muss auch hingehen wollen.
Und unter Hartmann hat sie mit den "Zwischenfällen" nochmal ein Meisterwerk geschaffen.
(Das Hartmann so selten angesetzt hat, dass sich Elisabeth Orth während ihres Bühnenjubiläums öffentlich darüber beschweren musste, bevor es öfter gespielt wurde. Man hätte Hartmanns Einstellung zu Kunst und zum Ensemble schon damals merken können...)
"Der zerbrochene Krug" war ganz sicher noch unter Peymann und hatte Gott sei Dank nichts dem Zelebrieren einer Zeremonie, das sie sich in der Bachler-Zeit in Wien angewöhnt hat. Sie wird von ihren Freunden - und dazu gehörte die Bachler-Direktion - glaube ich für so wichtig gehalten und das wird ihr auch eingeredet, dass sie an ihrer eigenen Wichtigkeit erstarrt. Die Inszenierungen in der Hartmann-Zeit habe ich eigentlich als manieriertes Kunsthandwerk empfunden, das auch offensichtlich vom Publikum nicht angenommen wurde. In allen drei Inszenierungen (Quai West, Zwischenfälle, Hamlet) leerte sich der Zuschauerraum nach der Pause sehr stark.
Warum sollen aber nicht auch Kinder in den Genuss der Qualität der Burg kommen und einmal im Jahr mitten In der Stadt wirklich große Stücke im rotsamtenen Riesentheater sehen können. Ich finde das ist schon ein Unterschied ob man Kindern Theater als etwas zeigt, das in kleinen schwarzen Räumen mit gehetzten Jungschauspielern in Nebenstraßen passiert, oder ob man ihnen Theater als etwas vorstellt, das im großen Rahmen mitten in die Stadt passiert.
Ich besuche viel Kindertheater in Wien, und man muss sagen, dass die großen Aufführungen der Burg von Kindern wirklich als etwas Besonderes, und aus dem durchschnittlichen Angebot Herausragendes anerkannt wurden. Gelungene Stücke wie "In 80 Tagen um die Welt" wurden von Kindern aus allen Schichten und Gegenden der Stadt gesehen. Das ist finde ich auch eine Frage von sozialer Gerechtigkeit.