Allein auf hohem Ross

30. Mai 2014. "Typisch, dass es nicht die innere Struktur, sondern der äußere Druck des Freihandelsabkommens TTIP mit den USA ist, der das deutsche Kulturförderungssystem infrage stellt", schreibt in der heutigen Ausgabe der Zeitung Der Freitag Axel Brüggemann. Seit Jahren sitze "die Lobby der Kultur-Apparatschiks allein auf hohem Ross und verteidigt ihre Pfründe. Steinkohle, Atomkraft und Gewerkschaften mussten umdenken – nur die alten Herren des Bühnenverbands, des Buchmarkts oder der Fernsehgremien managen ihre Produkte so unmutig wie keine andere Branche."

Diese alten Herren schusterten sich Posten, trauten sich aber nicht, "Subventionen gerade durch das Ausbleiben von Publikum zu legitimieren". Das Erschreckende für Brüggemann: "Die Lobby deutscher Kulturbetonköpfe scheint damit erfolgreicher als jene der US-Chlorhühner."

Die deutsche Kulturförderung sei eine Selbstverständlichkeit. Seit Jahren werde eingekürzt "und ein bisschen rumgemacht". Doch Debatte darüber, so Brüggemann, Fehlanzeige. "Dabei ist das subventionierte Stadttheater inzwischen so zusammengeschrumpft, dass es seinem Auftrag, Freiräume zum kritischen Denken zu schaffen, kaum noch nachkommt. Intendanten legitimieren ihre Häuser mit kommerziellen Kassenschlagern oder indem sie mit Education-Programmen den Musikunterricht in Schulen kompensieren."

Auf dem Büchermarkt sehe es trotz indirekter Subvention durch die Buchpreisbindung auch nicht besser aus. Es sei, so Brüggemann, "längst ein Mythos, dass Verlage Experimentalliteratur durch Bestseller querfinanzieren". Lektoren produzierten heute "mit stierem Blick auf die Amazon-Bestsellerliste." Auch die Filmindustrie veranstalte ein massiv gefördertes Obrigkeitskino, während das öffentlich-rechtliche Fernsehen seine Rundfunkorchester fusioniere, Kultursender wie Bayern 4 ins hörerlose Netz auslagere und im Hauptprogramm zu den Privatsendern schielen würde. "Die Grundversorgung droht so zur Subvention von Mainstreamware zu werden."

Solange die Kulturlobby nicht einsehen würde, wie einsam sie geworden ist, ist der Zwang zum Handeln, wie ihn jetzt das TTIP produziert, aus Brüggemanns Sicht "zumindest eine Hoffnung".

(sle)

 

Kommentar schreiben