Zurück zum Eisernen Vorhang

4. Juni 2014. Im Interview mit Patrick Wildermann vom Tagesspiegel berichtet der russische Schriftsteller Farid Nagim über sein Stück aus dem Jahr 2000 "Der Tag der weißen Blume", dessen Inszenierung von Stephan Kimmig am morgigen Donnerstagabend die Autorentheatertage am Deutschen Theater Berlin eröffnen wird: "Es bekam einigen Zuspruch von Kollegen und hat auch teilgenommen am Moskauer Festival für Junge Dramatik, Prosa und Poesie. Ich habe in der Folge das Jelzin-Stipendium für junge Autoren bekommen – bloß inszeniert worden ist es in Russland nie." Man habe ihm gesagt, der Grund könne sein, dass im Stück Parallelen zwischen dem NKWD, dem vormaligen Innenministerium der UDSSR, und den repressiven Methoden des heutigen Geheimdienstes gezogen würden.

Das Aktuelle des Texts sei "die Beschreibung der Lebenssituation in Moskau". "Für Zugereiste, überhaupt für einen Großteil der Einwohner, ist es sehr schwer, über die Runden zu kommen, einen Ausbildungsplatz oder eine Arbeitsstelle zu finden, sich gegen Krankheiten behandeln zu lassen." Aktuell sei auch, dass das Streben nach Freiheit, nach schöpferischem Ausdruck, nach sexueller Selbstbestimmung wieder in den Untergrund gedrängt werde. An seine Stelle träten "ein verlogener Patriotismus und eine völlige Überschätzung der Kirche". Ressentiments gegen Schwule seien "absolut mehrheitsfähig". Russland koppele sich zunehmend von Europa ab, "man ist der Ansicht, Schwulsein sei ein westliches Phänomen und spricht von 'Gayropa'. Man will zurück zum sowjetischen Lebensmodell, zum Eisernen Vorhang."

Den Ablauf des Ukraine-Konflikts stellt Nagim sich folgendermaßen vor: "Die Ukraine verliert einen Großteil ihrer Territorien. Dmytro Jarosch gewinnt die nächsten Wahlen, wird von den Weltdramatikern mit Geld und Waffen hochgerüstet und beginnt einen Krieg gegen Russland, um sie zurückzuerobern. Das dürfte genügen, um ganz Europa in Brand zu setzen."

(sd)

Mehr zu den Berliner Autorentheatertagen 2014: unsere Festivalübersicht.

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