8,50€ ist für viele Theater zu teuer

10. Juli 2014. Der Deutsche Bühnenverein warnt in einer Presseaussendung vor den Folgen eines Gesetzes zum Mindestlohn, über dessen Entwurf am Freitag im Bundesrat abgestimmt wird, für die Theater und empfiehlt den Bundesländern, dem Gesetz nicht zuzustimmen, "ohne dass weitere Ausnahmen für die Theater und Orchester in den Gesetzentwurf aufgenommen werden". Die Ausnahmeregelung für Praktikanten, nach der kein Mindestlohn gezahlt werden muss, sei "unzulänglich". Sie greift nur dann, wenn das Praktikum eine Ausbildung vorbereitet und höchstens drei Monate dauert. Im Theaterbereich gebe es jedoch viele zeitlich längere Praktika, die oft erst nach Abschluss der Ausbildung stattfinden.

"Viele Betriebe können es sich nicht leisten, an alle Praktikanten 8,50 Euro die Stunde zu zahlen", zitiert der Bühnenverein seinen Direktor Rolf Bolwin. "Selbstverständlich sind wir dafür, dass Praktikanten angemessen entlohnt werden. Man darf aber nicht außer Acht lassen, dass am Theater viele Quereinsteiger arbeiten und viele Berufe keinen geregelten Ausbildungsweg haben", so Bolwin. Den jungen Menschen, die über ein Praktikum im Theater Fuß fassen wollen, werde dieser Weg in Zukunft verbaut.

Problematisch sei die Zahlung des Mindestlohns vor allem auch bei Schauspielern, die in der freien Szene arbeiten, da hier vielfach deutlich unter dem vorgesehenen Mindestlohn liegende Vergütungen gezahlt würden. Der Bühnenverein fürchtet deshalb, dass die freien Theater bei Inkrafttreten eines Mindestlohn-Gesetzes immer mehr gezwungen würden, "nach Wegen zu suchen, den Abschluss von Arbeitsverträgen zu umgehen".

(Deutscher Bühnenverein / ape)

 

Siehe auch die Presseschau vom 10. Juni 2014 darüber, wie die Theater- und Kulturszene auf einen Mindestlohn für Praktikanten reagiert.

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Kommentare  
Bühnenverein zum Mindestlohn: Warnung der Praktikanten
Alte Menschen, die jungen Menschen suggerieren, als Quereinsteiger eine Zukunft am Theater zu haben, die ihnen verbaut wird, wenn sie einen Mindestlohn bekommen.

Wow.
Bühnenverein zum Mindestlohn: Intendantengehalt weit drüber
Vor allem deswegen lustig, total lustig, ja genau, wirklich total lustig, weil Intendanten völlig unhinterfragt natürlich weiterhin eine Zukunft am Theater haben. Denn es ist völlig unhinterfragt natürlich vollkommen gerecht, dass ihr Lohn auch weiterhin weit über dem Mindestlohn liegt. Hach, ist das toll!
Bühnenverein zum Mindestlohn: Problem verkannt
Hier wird total verkannt, wo das eigentliche Problem liegt. "Würde ja gerne, aber kann ich mir nicht leisten" kann der mittelständische Unternehmer doch genauso berechtigt sagen. Darum geht es aber nicht. Dass jemand Vollzeit arbeitet und davon nicht leben kann, ist schlicht inakzeptabel. Wenn Theater das finanziell nicht leisten können, dann liegt dort das Problem, das es zu lösen gilt, und nicht beim Mindestlohn. Im Übrigen ist es gerade für den Staat prinzipiell auch egal, ob er das Geld nun an Theater gibt, die es als Mindestlohn ausbezahlen, oder ob es in Form von Sozialleistungen direkt an die Beschäftigten geht. Für die Beschäftigten macht es aber einen riesen Unterschied, ob ihre Arbeit gewürdigt wird oder nicht.
Bühnenverein zum Mindestlohn: nicht nach eigenen Grundsätzen handeln?
Wahnsinn, das ist schon eine perfide Argumentation. Wir wollen weiterhin kritische Instanz sein, aber selbst nach unseren Grundsätzen handeln, das können wir uns halt einfach nicht leisten, tut uns leid!
Bühnenverein zum Mindestlohn: armes Theater
Ich habe schon lange nicht mehr so etwas peinliches gelesen. Man schämt sich. In jeder Hinsicht 'armes Theater'.
Bühnenverein zum Mindestlohn: unterirdisch
Kann mich der Warnung der unbezahlten Praktikantinnen und Praktikanten vor dem Bühnenverein nur anschließen. Das ist unterirdisch. Ich schäme mich richtig.
Bühnenverein zum Mindestlohn: endlich gerechte Löhne für ALLE
"...Man darf aber nicht außer Acht lassen, dass am Theater viele Quereinsteiger arbeiten und viele Berufe keinen geregelten Ausbildungsweg haben" - Diese Aussage trifft absolut auf die meisten Intendanten zu, die aber vom ersten Tag ihrer Beschäftigung an weit über 8,50 Euro pro Stunde verdienen. Lieber Bühnenverein, hör auf zu heulen und verlange vom Staat endlich gerechte Löhne und Gehälter für ALLE Beschäftigten am Theater - oder macht Eure unbeweglichen Kulturtanker dicht!
Bühnenverein zum Mindestlohn: 3%-Kürzung bei Führungskräften
Man wäre doch froh, einen Intendanten, und sei es einen einzigen, zu hören, der sagt: Doch, das können wir uns leisten. Wir kürzen 2-3 Prozent bei den Gagen unserer Führungskräfte, dann reicht das Geld locker (in manchen Theatern würde die Kürzung bloß des Intendantengehaltes reichen). Theater kritisch gegen den Kapitalismus... Solidarisch für eine bessere Welt... Die Realität ist erbärmlich.
Bühnenverein zum Mindestlohn: nicht glaubwürdig
Ein Blick auf die Angebote in der Jobbörse des Bühnenvereins verdeutlicht die Misere. Da werden Praktika ohne Bezahlung angeboten, die sich nicht selten an Studienabsolventen richten.
In Göttingen z.B. (Junges Theater) sucht man einen Regieassistenten auf 400 Euro-Basis, die Arbeit ist aber die eines festangestellten Ensemblemitglieds. Die Reihe ist lang. Wer auf der Bühne Auswüchse des Kapitalismus kritisiert, gleichzeitig aber selbst von Ausbeutung profitiert, ist nicht glaubwürdig. Muss ich noch mehr schreiben?
Bühnenverein zum Mindestlohn: Quereinsteiger statt Fachkräfte?
Dass hier der Bühnenverein neben den bereits vorgebrachten Widersprüchen (Theater als gesellschaftskritische Instanz z.b. präkerer Arbeit vs. Theater als ausbeuterischer Arbeitgeber, Intendantengehälter und Spitzengagen vs. Minimalvergütungen unterer Lohngruppen usw.) auch noch ungefragt und unlegitimiert die freie Theaterszene vor seinen Karren spannen will, ist unerhört.
Noch viel schwieriger wird die Argumentation gegen den Mindestlohn angesichts früherer Äußerungen: "Aber auch auf der Arbeitgeberseite existiert mit dem Bühnenverein ein Verbund, der sich zwei Dinge zum Ziel gesetzt hat: Erstens die Beschäftigungsverhältnisse in den Theaterbetrieben so auszugestalten, dass Künstlerinnen und Künstler von dem, was sie verdienen, leben können." (Kulturpolitische Mitteilungen, Nr. 125, II/2009) Dies nur als ein Beispiel.
Man fragt sich auch, wozu ein Theater tatsächlich sogenannte Quereinsteiger brauchen soll, wenn auf allen Ebenen in Deutschland zu viele Absolventen von Berufsschulen, Fachhochschulen, Kunstakademien und Universitäten keine angemessene Beschäftigung finden? Das kann doch nur dazu dienen, dass man Quereinsteiger deutlich schlechter bezahlen und in allen Arbeitsbedingungen von der Arbeitszeit, der Befristung des Vertrages bis zum Urlaub schlechter stellen kann als Fachkräfte, die den teilweise selbst schon schwierigen Tarifverträgen unterliegen würden.
Bühnenverein zum Mindestlohn: Verwaltung des Notstands
Einmal wirklich um Subventionen zu kämpfen, und zwar AN DER SEITE der Menschen in prekären Situationen, dass fällt diesem Verein offenbar nichts ein. Wahrscheinlich, weil sich viele Theaterleute eigentlich nicht vorstellen können, dass Kultur ein WIRKLICH wichtiger Teil einer Gesellschaft sein könnte. Stattdessen wird der Notstand verwaltet, und wir streiten uns mit den Flüchtlingen, den Arbeitslosen, den Schwarzarbeiten, Leiharbeitern, Fremdarbeitern um die Almosen, die uns hingeworfen werden.
So nach dem Motto: "Hoffentlich nehmen die uns das bisschen nicht auch noch weg!"
Bühnenverein zum Mindestlohn: Assistenten unter Mindestlohn?
War da vor ein paar Tagen etwas in Avignon, das man nicht bis nach Deutschland vernehmen konnte?!

Nicht mal die städtische Müllabfuhr würde sich wagen so einen „Mist“ als Meldung herauszugeben.

Die Not der Betriebe weiter reichen an die Praktikanten. Wie erbärmlich. Da würde manche Dönerbude früher ihre Tore schließen. Ich nehme an, dass heute schon viele Assistenten in allen Bereichen unterhalb des Mindestlohnes liegen.

Verdammt. Zur Strafe sollte man alle zukünftigen Renten der Bühnenvereinsvorstände auf ein Minimum reduzieren, damit sie wenigstens im Alter einmal erleben, was sie dem Nachwuchs zumuten wollen.

Wehrt euch!
Bühnenverein zum Mindestlohn: handelt als Arbeitgeber-Verband
Im Bühnenverein, erinnere ich es richtig, ist die Hälfte aller Mitglieder Kommunalpolitiker. Das ist kein "Interessensverband Kunst", sondern ein Arbeitgeber - Verband, Tarifpartner der Gewerkschaften. Der muss den Mindestlohn ablehnen, das ist seine Aufgabe.
Bühnenverein zum Mindestlohn: Scham
Der Bühnenverein verabschiedet sich immer mehr davon, als Stimme in der Theaterwelt ernstgenommen werden zu wollen. Diese Mitteilung ist jedenfalls eine Schande, für die sich die ganze Branche schämen muss.
Bühnenverein zum Mindestlohn: Was sagen die Intendanten?
Es wäre interessant zu erfahren, ob die Intendantengruppe im Bühnenverein diesen Irrsinn mittragen will.
Bühnenverein zum Mindestlohn: Nachfrage
Ich bin nicht sicher,aber habe ich nicht auf nachtkritik gelesen,dass sich der Buehnenverein mit Verdi zusammen FÜR! den 8.50 Stundenlohn eingesetzt hat?!
Bühnenverein zu Mindestlohn: Tunnelblick
Sehr geehrter Herr Bolwin,
der Tunnelblick ist eine so häufige Abnutzungserscheinung wie die Fachidiotie. Nach erfolgreicher Selbstdiagnose sind alle öffentlichen Ämter aufzugeben.
Bühnenverein zu Mindestlohn: verwandte Skandale
Die Antipathie kann ich nur teilen. Was passiert, wenn die Blase der Ausbeutung platzt, macht mich neugierig.
Gleichzeitig möchte ich anmerken, dass man die Wahl hat, ob man eine Praktikantenstelle annimmt. Es ist ein Skandal schlechte Arbeitsbedingungen anzubieten, sie für sich anzunehmen und dadurch sie auch indirekt in eine gängige Praxis für Andere zu überführen, ist ein zweiter, sehr verwandter Skandal. Insofern ist eine überbezahlte Intendanz durch die Akzeptanz der Belegschaft möglich und gestützt. Da steht man vor dem alten Dilemma der Ausbeutung einer Fabrikarbeiterschaft, weil genug andere bereitstehen, die das akzeptieren. Ausbeutung ist hier immer als Differenz zu koexistierenden Arbeitsbedingungen gedacht. Die Ausspielung des expressiven Sinns von Arbeit gegenüber seinem instrumentellen macht künstlerische Arbeit prädestiniert für solche Meinungen á la Bolwin, die durchaus als repräsentativ zu sehen sind. Die lange Diskussion, die hier folgen müsste, spare ich aus.
Kurz: Der Artikel zerreißt sich aus den von meinen Vorredern genannten Gründen und anderen selbst. In dem Sinne danke für die gelungene Selbstparodie.
Bühnenverein zu Mindestlohn: Verhältnis zu Armut
@ stefan

Trotzdem bleibt doch die Frage, was für eine Art Kultur das sein soll, die ihren Erhalt nur dann gesichert sieht, wenn sie sich gegen einen Mindestlohn ausspricht?

Durch nichts definiert man sich kulturell mehr, als durch das Verhältniss zu Armut und Schwäche. Und die fördert man, wenn man sich offiziell gegen einen Mindestlohn ausspricht.
Bühnenverein zu Mindestlohn: Bühnengenossenschaft?
dass der bühnenverein, als arbeitgeber, so argumentiert ist doch eigentlich nicht überraschend. aber warum gibt es keine äußerung der bühnengenossenschaft zu dem thema? oder habe ich da etwas übersehen?
Bühnenverein zu Mindestlohn: Lasst die Kirche im Dorf
Es geht um Praktikanten, hallo! Also Hospitanten, nicht Assistenten oder feste Mitarbeiter, meistens kurz nach dem Abi, vor dem Studium stehend, oder während des Studiums, oder kurz nach dem Studium, für einen begrenzten Zeitraum, ohne geringste Verantwortung, warum soll man hier 8,50€ bezahlen? Wer soll sich das leisten können? Man geht immer noch freiwillig zum Theater und wenn das Fehlen von Bezahlung vor Berufseintritt den einen oder anderen vor dem Hospitieren abhält, dann schadet das bestimmt nicht. Der Mindestlohn wurde nicht benötigt für verwöhnte Mittelschichtsgören, die jetzt auch ein bisschen Theater machen wollen.
Bühnenverein zu Mindestlohn: Rolle des Bühnenvereins
Bei aller (berechtigten) Empörung missverstehen hier offenbar viele die Rolle des Bühnenvereins. Der Bühnenverein ist ein Arbeitgeberverband. Als solcher agiert er. Und zwar nicht anders als andere Wirtschaftsverbände auch. Der geschäftsführende Direktor Rolf Bolwin tut, was von ihm erwartet wird. Lautes Wehklagen, wenn Forderungen auftauchen, die Arbeitgeber schmerzen. Das ist sein Job – das Geheul Teil der Show. Erschreckend wäre eher gewesen, wenn er gar nicht reagiert hätte, denn das würde bedeuten, dass die Forderung nach 8,50 Euro viel zu niedrig ist.
Bühnenverein zu Mindestlohn: negative und positive Freiheit
@ Hospi: Ja, kommen Sie nur raus mit ihren Ressentiments gegen "verwöhnte Mittelschichtsgören". Was machen Sie denn so am Theater? Kämpfen Sie vielleicht als sogenannter Bühnenarbeiter oder Assistent gegen die Hospitanten an, anstatt sich mit ihnen gemeinsam - vielleicht auch noch inklusive der unterbezahlten Schauspieler - gegen den Intendantenverein zu solidarisieren? Ist es denn der Sinn, dass einem Hospitanten möglicherweise auch durch diese Verteilungskämpfe die Zukunft verbaut wird? Es geht hier sicher nicht allein um das Thema Geld. Da gebe ich Ihnen Recht.

Die Freiheit kann man negativ nutzen, um anderen Menschen zu schaden, z.B. auch, wenn es um sowas pauschal-ideologisches wie "die Revolution" geht. Oder man kann sie positiv nutzen, indem man sich unter Einbeziehung der Unterschiede wechselseitig anerkennt und respektiert und gemeinsam kämpft. FÜR eine bessere Welt, sorgen wir uns um unsere gemeinsame Lebensgrundlage, den Planeten Erde, und kämpfen wir nicht auch noch "unten" gegeneinander. Ich akzeptiere deswegen als "Führer" nur noch Menschen wie den "kleinen Prinzen", welcher an einer Blume schnuppert und uns so ver-führt, es ihm auf friedliche Weise gleich zu tun. Mehr Sinnlichkeit, weniger abstrakt-ideologisches Denken! Kein Mensch ist ohne Leidenschaften und damit unfehlbar wie der unendliche Geist. Aber jeder Mensch kann diese Leidenschaften positiv nutzen statt zerstörerisch. Das geht an den Bühnenverein UND die Betriebsräte an den Theatern.
Bühnenverein zu Mindestlohn: ausgebildet und unbezahlt
@Hospi

"Im Theaterbereich gebe es jedoch viele zeitlich längere Praktika, die oft erst nach Abschluss der Ausbildung stattfinden."

Damit will man sich unbezahlte Praktika von Menschen nach der Ausbildung sichern, die länger als drei Monate dauern sollen. Man möchte also ausgebildete Menschen zu unbezahlter oder fast unbezahlter Arbeit verpflichten können und nicht irgendwelche "Mittelstandsgören".

Ich fürchte, dass schon viele Betriebe nur noch fortgeführt werden können, weil sie fest auf unbezahlte oder schlecht bezahlte Arbeit bauen und bei deren Wegfall um ihren Bestand bangen müssen.

Noch zugespitzter ist ja die Haltung gegenüber Schauspielern der freien Szene.
Bühnenverein zu Mindestlohn: was als Praktikum läuft
Dann schau mal, was inzwischen im Theater alles als Praktikum läuft... da ist ein Hochschulabschluss oft nicht nur gewünscht, sondern Bedingung, kaufmännische Erfahrungen auch gerne und das für die Zeit von mindestens sechs Monaten. Klingt nicht wirklich wie eine Hospitanz nach dem Abi... In anderen Branchen läuft so etwas immerhin als mittelmäßig bezahltes Volontariat.
Bühnenverein zu Mindestlohn: ungerechte Tarifstruktur
Das eigentliche Problem ist doch die zutiefst ungerechte Tarifstruktur am Theater und die fehlende Dynamisierung der Zuschüsse und nicht (immer) die bösen Intendanten und der Bühnenverein. Warum soll ein Praktikant fast genau so viel (oder mehr) verdienen als ein Schauspieler mit Grundgehalt von 1650 Euro nach 4 Jahren Studium und ohne 40h Woche. Hallo??!!
Bühnenverein zu Mindestlohn: am Ast sägen
Eins ist klar: das ganze Thema fliegt uns in Kürze um die Ohren. Mal sehen, was nach dem Knall dann noch übrig ist. Wahrscheinlich kein Ensembletheater mit Repertoirebetrieb mehr, wenn alle so weitermachen. Die sägen ALLE an dem Ast, auf dem sie sitzen: der Bühnenverein mit solchen schwachsinnigen Äußerungen, die Gewerkschaften mit ihrer Mutlosigkeit und die Kulturpolitiker mit ihrer feigen Sparpolitik.
Bühnenverein zu Mindestlohn: lieber ein motivierter Praktikant
Ich habe erlebt, dass Theater ohne unbezahlte aber durchaus hochqualifizierte "Praktikanten" den Vorstellungsbetrieb drastisch reduzieren müssten. Es ist vielen anscheinend wirklich nicht klar, das alle (!!) Häuser mitterweile ohne Praktikanten den Stellenabbau in der Kultur gar nicht ausgleichen könnten. Ob nun "angelernt" oder "vor oder nach der Ausbildung" , Fakt ist : Praktikanten leisten vollwertige Arbeit - richten Inszenierungen ein, schreiben Texte für Programmhefte und Spielzeitbücher, arbeiten als Regisassistent, Theaterpädagogen, Licht- und Ton-Techniker - oft fahren sie Vorstellungen.. Ich arbeite oft lieber mit einem motivierten Praktikanten, als mit einem frustrierten Techniker des Hauses, der nichts mehr entdecken will und mir ständig was vom Pferd erzählt, wie schlecht es ihm geht und wie genervt alle sind und früher war alles viel besser u.s.w... Alle Intendanten freuen sich, wenn man eine Produktion unter solchen Bedingungen professionell wirken lassen kann. Das System hat sich selbst überholt. Wir sollten diese tollen Leute bezahlen..finde ich. das muss doch drin sein..und niemand hat es mir jemals übel genommen, wenn ich dem Praktikanten privat was von meiner Gage abgab.. auch kein Intendant!
Bühnenverein zu Mindestlohn: gemeinsam an andere wenden
@ Lohnzettel: Da sieht man's mal wieder. Auch Schauspieler schüren Ressentiments. Sind Sie denn wirklich einer? So kann's ja nicht funktionieren mit der innerbetrieblichen Solidarität. Und warum wenden Sie sich dann eigentlich nicht gleich an die Intendanten? Von "böse" hat hier keiner gesprochen, ausser Sie. Aber die Überlegungen gehen nunmal in Richtung der Intendanten, weil die, bei aller Veränderung der Tarifstrukuren über Haustarifverträge bis sogar hin zum Ausstieg aus dem Bühnenverein eben am Ende immer noch am Meisten verdienen. Nicht zu erwähnen die zusätzlichen Gelder der Doppelfunktion eines sogenannten "regieführenden Intendanten" aus Engagements an anderen Häusern ausser dem eigenen. Und hallo?! Da gebe ich Nr. 25. Recht, es gibt eben nicht nur die Praktika eines Hospitanten innerhalb seiner Hochschulausbildung, sondern auch nach dem Studium. Der Schluss, den der Bühnenverein daraus zieht, ist falsch, denn er müsste genau andersherum lauten: Mindestlohn. Ausgebildete Schauspieler wollen ja nach Beendigung ihres Studiums sicher auch nicht mehr gratis arbeiten. Und ich weise nochmal darauf hin, dass all diese Lohnkämpfe nur aus dem Grund entstehen, weil in Zeiten der Finanzknappheit immer wieder nur an den öffentlichen Gemeingütern gespart werden soll, die da wären: Bildung, Kulturelles, Soziales. Wenden wir uns gemeinsam an andere Stellen, soll heissen: die Regierung, die Parlamente, die Finanzlobbyisten, nicht gegeneinander! Wenn die Intendanten da mitmachen würden, wo sie sich heutzutage und in meiner Wahrnehmung doch eher größtenteils an die "Sachzwangargumentation" der Politiker anpassen, dann bin ich dabei.
Bühnenverein zu Mindestlohn: Der Billigste ist der Beste
Auch diese Medaille hat zwei Seiten. Die Finanzknappheit der Häuser ist die eine, das übergroße Angebot an "Ausbeutungswilligen" die andere. Solange die vielen staatlichen und privaten Ausbildungsinstitute für Schauspiel, Dramaturgie, Bühnenbild, Kulturmanagement etc. jedes Jahr mehr Absolventen auf den Markt spülen, als dieser aufnehmen kann, wird es so bleiben, wie es ist. Der Billigste ist der Beste!
Bühnenverein zu Mindestlohn: Liebe und Geld
@ Franz Ferdinand: Ich hoffe, das ist kein Witz. Billigpornos brauchen wir nicht. Sondern Liebäh! Und das heisst dann bittschön auch Geld. Denn, wenn alle immer nur von Liebe sprechen, um darüber dann aber Geld zu sparen, na ja, so nicht. Darum geht's doch, oder?
Bühnenverein zu Mindestlohn: Leiden und durchhalten
@Inga: Nein, das ist kein Witz, sondern die ganz traurige Realität. In einem System, welches sich nicht nach Talent & Leidenschaft, sondern nach Leidensfähigkeit & Durchhaltewillen sortiert fliegen die zuerst raus, die sich auch was anderes vorstellen können oder wollen oder müssen. Zum Beispiel weil sie nicht auf die Kreditkarte von wem auch immer zurück greifen können. Dieser ganze Prozess geht natürlich ganz folgerichtig auch mit einer inhaltlichen Limitierung einher, weil eben genau die Leute zuerst von Bord gehen, die auch mal über den Tellerrand hinaus blicken.
Bühnenverein zu Mindestlohn: Fragen der Formulierung
@marlene s.

Natürlich ahnt man es, weiß man es, verdrängt es wieder, dass sogenannte Praktikanten ganze Stellen un- oder schlecht bezahlt ausfüllen. Man duldet es ebenso, was schon hochproblematisch ist.

Aber hier empfiehlt der Bühnenverein den Bundesländern im Bundesrat dem Gesetzesentwurf zum Mindestlohn nicht zuzustimmen, um einen „misslichen“ Zustand, gegen übliche Regelungen, als Standard zu etablieren. Niemand hat etwas dagegen, dass junge Menschen ein dreiwöchiges oder auch dreimonatiges Praktikum absolvieren, welches zu einer Ausbildung führen könnte.

Aber hier möchte man ausdrücklich eine Sonderregelung auch nach dem Abschluss einer Ausbildung für Praktika, die länger als drei Monate dauern. Wie soll der Gesetzesgeber diese Sonderregelung formulieren für einen staatlich finanzierten Betrieb? Und welche staatlichen Betriebe könnten diese Regelung dann noch für sich beanspruchen?

Ich finde, der Bühnenverein sollte diese Ausnahmeregelung selber formulieren, damit man genau sehen kann, was man sich so wünscht an Ausnahme. Eine Formulierung, wie man sie sich in einem Gesetz wünschen würde, wäre hier sehr angebracht. Soviel Klarheit sollte der Bühnenverein schon in seine Empfehlung an den Bundesrat einbringen.
Bühnenverein zu Mindestlohn: keine Ausbeutung
Natürlich dürfen Theater nicht Stellen durch Praktikanten ersetzen und natürlich ist es richtig, dass Schauspieler an kleinen und mittleren Theatern nach 10 Jahren Berufserfahrung eindeutig zu wenig verdienen.
Das hat aber nichts zu tun mit Praktikanten/Hospitanten: jeder, der am Theater arbeitet hat es getan: umsonst bei Proben zugeschaut, dabeigewesen, mitgearbeitet, ein Teil des Prozesses geworden, Kontakte geknüpft für spätere bezahlte Arbeit, von schlechten und guten Vorbildern gelernt, Kaffee gekocht und Bier geholt, und vorallem: sich dabei endgültig entschieden am Theater arbeiten zu wollen. Dies nun zu bezahlen halte ich nicht nur für ökonomisch unmöglich, sondern auch für künstlerisch völlig falsch. Abgesehen davon gibt es an vielen Theatern für Hospitanten kleinere Beträge oder Monatskarten. Das hat nichts mit Ausbeutung zu tun sondern mit Luxus-Problemen der 1. Welt.
Bühnenverein zu Mindestlohn: es geht nicht um Hospitanten
Lieber Hospi,

wenn sie jemanden möchten, der ihnen ein Bier holt oder einen Kaffee kocht, sollten sie sich einen Butler anstellen. Den gibt es allerdings nicht für 8,50 die Stunde. Und natürlich hat es etwas mit Ausbeutung zu tun, wenn jemand nach seiner Ausbildung als qualifizierte Kraft monatelang ohne Lohn arbeitet, denn es geht offensichtlich nicht um Hospitanten, die sich für eine Produktion bei ihrem Lieblingsregisseur bewerben, sondern um Menschen, die ganze Stellen ersetzen.
Bühnenverein zu Mindetslohn: dito
ja aber genau um diese Hospitanten geht es auch nicht.
Bühnenverein zu Mindestlohn: Es geht nicht um 3. Welt
@ Hospi: Ich lach mich kaputt. Jetzt kommt wieder die compare-Frage, sprich das Totschlagargument: Euch geht's doch immer noch besser als den Menschen in der Dritten Welt. Nein! Darum geht's hier thematisch einfach mal gar nicht. Sorry.
Bühnenverein zu Mindestlohn: geringfügig Beschäftigte, Honorarkräfte
Man kann nur fassungslos den Kopf schütteln. Da wird von der Bühne Antikapitalismus und Solidarität gefordert, aber wenn es denn endlich mal eine kleine Verbesserung des Systems gibt, dann sagt der Bühnenverein (o.k. Arbeitgeberverband, aber trotzdem hat er den Anspruch die Theater auch als Ort der Kunst und der Auseinandersetzung zu vertreten): Das geht nicht, nur ein frühkapitalistisches Ausbeutersystem ist finanzierbar.
Dabei dürfte es doch gar kein Problem mit den Hospitanten geben:
1. dreimonatige Praktika, die zu einer Ausbildung gehören sind möglich - damit ist so gut wie jede Produktionshospitanz abgedeckt.
3. Ein Praktikum nach einem abgeschlossenen Studium macht keinen Sinn. Die Möglichkeiten Kontakte zu knüpfen sind sehr begrenzt und werden gern rosiger dargestellt, als sie sind.
2. Ein Praktikum, das länger als drei Monate dauert ist in der Regel kein Praktikum, sondern die Besetzung einer Planstelle mit einem unbezahlten Mitarbeiter. Wenn die Intendanten die Abteilungen ihrer Häuser so ausgedünnt haben (Dramaturgie, Öffentlichkeitsarbeit, szenischer Dienst...), dass sie auf Praktikanten angewiesen sind, hält sich mein Mitleid in Grenzen. Also die Stelle Dramaturgieassistenz gestrichen und dafür ein Jahrespraktikum ... Frechheit.

Die Theater bekommen mit dem Mindestlohn ein ganz anderes Problem, über das sie wohl nicht sprechen wollen: Die Löhne für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die als geringfüg Beschäftigte an ihren Häusern arbeiten werden steigen, und gerade an den kleineren immens. (Vorderhaus, Wachpersonal, Reinigungskräfte, Pförtner). Mal schaun, wann der Bühnenverein darüber zu jammern beginnt.

Eine besondere Frechheit ist übrigens der Hinweis auf Schauspieler der freien Szene, denn er unterschlägt, dass dort die meisten Kollegen gar keine Normalarbeitsverträge bekommen, sondern als Honorarkraft arbeiten, was übrigens rechtlich höchst bedenklich ist. Für Honorar- und Werkverträge gilt der Mindestlohn aber gar nicht, hier werden also weiter Probenpauschale von 800 € für sechs Wochen Probe gezahlt werden. Eine Frechheit ist der Hinweis deshalb, weil das mit Regisseuren / Ausstattern / Musikern auch an kleineren Theatern passieren kann. Also über die einen sprechen und sich selbst meinen.

Schlimm das Ganze.
Bühnenverein zu Mindestlohn: menschliche Wertschätzung
@ Hospi

Sicher ist es nicht verkehrt, als Hospitant auch eine Anerkennung für gute Arbeit zu bekommen, und sei sie nur symbolischer Art. Die meisten Produktionen könnten ohne die Unterstützung durch unbezahlte Idealisten doch gar nicht stattfinden; ob nun am Staatstheater oder in der freien Szene, das nimmt sich meiner Meinung nach nicht viel.

Ob nun 8,50 pro Stunde für Hospitanten drin sein müssen, sei mal dahingestellt - der Vergleich zum Stundenlohn eines diplomierten Schauspielanfängers ist nicht so weit hergeholt. Andererseits ist dessen mieser Lohn nun auch keine Rechtfertigung dafür, andere komplett umsonst malochen zu lassen. Zumindest eine Jahreskarte oder auch mal zwei Freikarten für die Eltern der Hospitanten tun niemandem weh; im Zweifelsfall wird so noch die Auslastung gesteigert - gerade solche Gesten fehlen in der Theaterwelt häufig. Die meisten Hospitanten arbeiten rund um die Uhr. Wie sie und die meisten Assistenten bezahlt werden (und auch die allermeisten Schauspieler) steht auf einem anderen Blatt. Und was die kollektive Zuordnung in den Bereich der "Mittelschichtsgören" betrifft: Arbeit bleibt Arbeit und muss entlohnt werden.

Wenn jetzt jemand aus gutem Hause nach einer Schauspielausbildung ans Theater geht, soll die Person dann vielleicht umsonst spielen, weil Mutti und Vati es ja so dicke haben? Die Quersubventionierung des deutschen Theaters durch besserverdienende Familienmitglieder von Kulturschaffenden als Umkehrschluss zum Gedanken, verwöhnte Abiturientinnen würden mal für ein paar Wochen zum Kaffeekochen vorbeischauen, ist so ziemlich das dämlichste, was ich hier zu lesen bekommen habe.

Ich spreche sowohl aus Sicht eines Hospitanten, eines Assistenten als auch aus der eines gelernten Schauspielers. Dass die zumeist mageren Gehälter, mit denen die Knochenjobs am Theater vergütet werden, durch eine Form von menschlicher Wertschätzung um einiges erträglicher sein könnten, haben die meisten Führungskräfte leider bis heute nicht begriffen. Dabei kostet ein nettes Wort nichts, macht sich aber oft bezahlt.

Die Bereitschaft zur Selbstausbeutung liegt den meisten Künstlern und den Menschen, die in künstlerischen Betrieben arbeiten, wohl inne. So entsteht in der Regel auch gutes Theater: Menschen sind bereit, für eine Sache, von der sie überzeugt sind, an und über ihre Grenzen zu gehen. Das muss aber nicht heißen, dass es der Traum der arbeitenden Personen ist, am Hungertuch zu nagen. Ich persönlich kenne nach mehr als zehn Jahren am Theater niemanden, der sich gerne mit dem schäbigen Schick einer sogenannten Bohème schmücken würde.

Es ist NICHT geil, wenig Geld zu haben.
Bühnenverein zu Mindestlohn: kein Arbeitgeber!
Hat es einen Sinn, wenn sich der Deutsche Bühnenverein als „Arbeitgeberverband“ ausgibt? Abgesehen von der notorischen Verwechselung derer, die ihre Arbeitskraft geben, mit denen, die sie nehmen, besitzt der Bühnenverein weder die Produktionsmittel - die Theater -, noch investiert er in sie, noch entscheidet er über die Produktion, die Produktionsabläufe, die künstlerischen Konzepte, die Verkaufsstrategien usw. Der Bühnenverein kann so wenig ein Theater eröffnen, wie er seine Schließung verhindern kann, ihm fehlt jede Autonomie, die einen „Arbeitgeber“ auszeichnet. Der eigentliche Arbeitgeber ist die öffentliche Hand, welche die Theater unterhält, von deren Mitgliedsbeiträgen der Deutsche Bühnenverein lebt. Selbst die hochmögende Intendantengruppe besteht aus abhängig Beschäftigten, die es schon deswegen nicht dauerhaft mit „der Politik“ verderben wollen, weil sie auf das jeweils nächstgrößere, besser ausgestattete Theater hoffen – ein Karrieresprung, zu dem ihnen der öffentliche Arbeitgeber verhelfen soll (die Privattheater sind hier nicht gemeint). So sitzt der Bühnenverein nicht in der ehrwürdigen Position zwischen den Stühlen, sondern in der weitaus problematischeren, der auf zwei Stühlen gleichzeitig – so kommt es zu solchen Statements wie dem zum Mindestlohn. Die Bühnenkünstler der Republik sollten einen eigenen Verband ins Leben rufen – die Kämpfe, die dieser Vereinigung bevorstünden, könnten zum Mindesten mit offenem Visier geführt werden.
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